Klausurtagung der Regierung: Das steht in der Modernisierungsagenda | ABC-Z

An simplen Vorgängen wie der Kfz-Zulassung zeigen sich die Tücken der deutschen Verwaltung. Kauft der Bürger ein neues Auto und braucht dafür ein neues Nummernschild, könnte alles ganz einfach sein. Es ist ein standardisierter Vorgang ohne jeglichen Ermessensspielraum für die Kommunen. Vor zwei Jahren schon präsentierte der damalige Bundesdigitalminister Volker Wissing stolz die volle digitale Anwendung, die nur noch von den Kommunen übernommen werden müsse, damit die Bürger ihre neuen Autos ohne Termin beim Amt anmelden können: Ein paar Klicks auf der Internetseite, dann wird das Nummernschild zugeschickt.
Jetzt findet sich das „iKfz“ auf der Liste der Hebelprojekte der Modernisierungsagenda Bund und Verwaltung wieder, die die Bundesregierung an diesem Mittwoch auf ihrer Kabinettsklausur in der Villa Borsig verabschieden möchte, wohlweislich unter dem Programmpunkt: „Zentralisierung iKfz-Protale“. „Wir streben an, die internetbasierte Fahrzeugzulassung beim Kraftfahrtbundesamt zu zentralisieren“, heißt es in dem knapp 40 Seiten langen Dokument. Das hätte deutliche Einsparungen zur Folge: 400 Zulassungsbehörden würden von der Pflicht befreit, ein solches Portal vorzuhalten.
Man kann das als höfliche Umschreibung eines generellen Problems bezeichnen: Wenn der Föderalismus versagt, muss der Bund ran. Fakt ist jedenfalls, dass es noch immer vom Zufall abhängt – oder besser gesagt von der Digitalaffinität und finanziellen Ausstattung der jeweiligen Kommune – ob ein Bürger diese bequeme Dienstleistung des Staates in Anspruch nehmen kann oder nicht. In Deutschland gibt es schon für jedes Probleme eine digitale Lösung – nur leider nicht überall.
Es braucht nicht weniger als eine Staatsreform
Der Föderalismus ist die größte Hürde auf dem Weg zur flächendeckenden Digitalisierung. Um das zu ändern, braucht es nicht weniger als eine Staatsreform. Die muss der neue Bundesminister für Digitalisierung und Staatsmodernisierung, Karsten Wildberger (CDU), in den kommenden Monaten organisieren. Die Modernisierungsagenda ist dafür ein wichtiger Baustein. Er soll der erste in einer ganzen Reihe werden: So bedarf es noch einer Modernisierungsagenda mit den Ländern und weiterer Abspeckrunden der Ministerien. Der ehemalige Manager mahnt deshalb schon einmal vorsorglich zur Geduld.
Will man den Staat moderner und leistungsfähiger machen, muss das auch sichtbar werden. Dutzende Einzelmaßnahmen, sogenannte Hebelprojekte, sind in der Modernisierungsagenda aufgelistet. Auch konkrete Zeitrahmen werden genannt und plakative Zielmarken: Die Bürokratiekosten sollen um 25 Prozent gekürzt werden, auf rund 16 Milliarden Euro summiert sich das. Mag die Zahl auch abstrakt sein, so hat sie doch eine nachvollziehbare Grundlage: Das Statistische Bundesamt taxierte die jährlichen Bürokratiekosten zuletzt auf knapp 67 Milliarden Euro, und meint damit den Aufwand, der durch Informationspflichten, Anträge, Meldungen und Nachweise für Unternehmen und Bürger entsteht.
Der neuste Anlauf der Bundesregierung, die staatlichen Vorgaben zu entrümpeln, nehme deshalb Dimensionen nie gekannten Ausmaßes an, so lobt der parlamentarische Staatsekretär Philipp Amthor (CDU) vor Journalisten. Die früheren Bürokratieentlastungsgesetze I bis IV der vergangenen beiden Legislaturperioden hätten sich jeweils im einstelligen Milliardenbereich bewegt. Auch eine Inventur der Bundesbehörden plant die Bundesregierung, denn bisher wird gar nicht zentral ermittelt, wie viele es gibt und wie viele Mitarbeiter dort arbeiten. 950 Behörden und GmbHs wurden nun gezählt, die weitere Analyse dauert noch an. Klar ist aber schon jetzt, dass das Dienstrecht moderner werden soll. Beamte sollen Anreize bekommen, Prozesse zu entschlacken und Haushaltsmittel einzusparen. Der Personalbestand soll um 8 Prozent sinken bis zum Ende der Legislaturperiode, Sachkosten um 10 Prozent.
Ein Sammelbecken an Einzelmaßnahmen
Die Modernisierungsagenda der Bundesregierung ist also ein Sammelbecken an Einzelmaßnahmen, die grundsätzliche Probleme angehen. Die meisten sind schon lange in der Planung. Das iKfz könnte ein Beispiel werden für die Überwindung der föderalen Kleinstaaterei. Der „digitale Auszahlungsmechanismus“ ein Eingeständnis, dass es mit der sinnvollen Nachnutzung schon vorhandener Anwendungen in Deutschland nicht besonders weit her ist: Mit der Einmalzahlung für Studierende während der Energiekrise hatte Sachsen-Anhalt schon einmal ein vorbildliches Digitalprojekt geschaffen. Das Bundesfinanzministerium hat sich aber für eine eigene Lösung entschieden, bei der die Bürger nun selbst noch mithelfen müssen: Mit Hilfe der App „BZST IBAN+“ können sie beim Bundeszentralamt für Steuern ihre Kontonummer mit ihrer Steuer-ID verknüpfen. Gründungen von Unternehmen sollen innerhalb von 24 Stunden möglich sein, eine digitale Work-and-stay Agentur soll es Fachkräften erleichtern einzuwandern.
Abstrakter, aber nicht minder effektiv, sind andere Vorhaben, die sich die Bundesregierung vornimmt – sollte sie diese am Mittwoch nicht nur beschließen, sondern auch in ihrem Maschinenraum umsetzen. Die Rechtssetzung soll sich radikal ändern: Gesetze müssen digitaltauglich werden, eine Anforderung, die in der vergangenen Legislaturperiode zum Beispiel das Vorhaben zur Kindergrundsicherung gar nicht erfüllte. Viel wurde damals über die notwendigen finanziellen Mittel in Höhe von 12 Milliarden Euro gestritten, aber niemand kam auf die Idee, dass sich die Regeln auch in digitale Prozesse einbinden lassen müssen. Dazu müssen Leistungen pauschaler festgelegt werden, die Ausnahmen entfallen.
Experimentierklauseln sollen zudem künftig dafür sorgen, dass Gesetze häufiger erprobt werden, bevor sie Bürger und Unternehmen belasten. Entscheidungsträger vor Ort sollen dadurch die Chance erhalten, schnellere, pragmatischere und innovativere Entscheidungen zu treffen. Das alles will die Bundesregierung jetzt angehen – gleich nach dem Kabinettsbeschluss.





















