Arbeit in Behindertenwerkstätten – SZ.de | ABC-Z

Petra Loose geht in die Kantine ihrer Werkstatt für behinderte Menschen und holt sich Essen. Das Essen findet sie schlecht und zu teuer. Sie kennt sich mit Essen aus. Nach der Förderschule hat sie gelernt, wie man in einer Großküche arbeitet. Danach hat sie in verschiedenen Küchen und bei Lieferdiensten gearbeitet. Dort musste sie sehr schnell arbeiten. Aber sie kam damit nicht zurecht. Sie sagt: „Das war wie am Fließband, der eine macht Kartoffel, der nächste Gemüse und alles muss ganz schnell gehen. Das war so schlimm.“
Sie bekam oft Ärger, weil sie schneller arbeiten sollte. Sie hatte oft Kopfschmerzen. Sie hat es bei drei verschiedenen Arbeitsstellen versucht. Dann hat sie beim Arbeitsamt Förderkurse gemacht. Aber sie kannte schon alles, was sie dort lernen sollte.
Die normalen Arbeitsplätze haben für Petra Loose nicht ganz gepasst und die Förderkurse auch nicht. Die Werkstatt für behinderte Menschen sollte ihr helfen. Aber dort blieb sie dann für immer. Fachleute sagen: Viele Menschen aus den Werkstätten könnten in normalen Firmen arbeiten. Dafür brauchen sie zum Beispiel:
• Vorbereitung, die genau zum Job passt
• Betreuer auf der Arbeit
• Arbeitsbedingungen, die Arbeit mit Behinderung leichter machen
Hubert Hüppe kennt sich mit diesen Themen gut aus. Er war früher der Beauftragte für Menschen mit Behinderung in der Regierung. Und er hat selbst einen Sohn mit Behinderung. Er findet: Es wird bei der Inklusion schlechter statt besser. Das ist sehr enttäuschend. Hüppe erklärt: Menschen mit und ohne Behinderung müssen zusammen aufwachsen und leben. Im Kindergarten, in der Schule und bei der Arbeit. Nur so können sie sich kennenlernen und besser verstehen.
Die Werkstätten für Menschen mit Behinderung haben eine wichtige Aufgabe: Sie sollen Behinderten helfen, einen Beruf zu lernen und zu arbeiten. Das steht im Sozialgesetzbuch.
Die Menschen lernen dort zwei Jahre lang verschiedene Tätigkeiten. Danach gibt es zwei Möglichkeiten: Sie können in der Werkstatt bleiben oder auf dem normalen Arbeitsmarkt arbeiten. Normaler Arbeitsmarkt bedeutet: Arbeit in normalen Firmen mit Menschen ohne Behinderung. Leider schaffen nur sehr wenige Menschen den Wechsel in normale Firmen. Von 100 Menschen schaffen es nicht einmal einer bis höchstens 4 Menschen, je nachdem wie man es berechnet.
Fachleute sagen deswegen: Die Werkstätten sind wie ein „goldener Käfig“. Damit meinen sie: Es geht den Menschen nicht schlecht dort, aber sie kommen nur schwer wieder heraus.
Die Art der Behinderung ist dabei natürlich wichtig. Bei sehr starken Behinderungen brauchen die Menschen mehr Hilfe. Zum Beispiel: Sie brauchen auch für einfache Arbeiten Hilfsmittel, um die Bewegung machen zu können.
In Deutschland gibt es fast 3000 kleine und große Werkstätten. Die Werkstätten haben meist 2 Bereiche:
• Einen Förderbereich für Menschen, die nicht arbeiten können
• Einen Arbeitsbereich für Menschen, die arbeiten können
Von den Menschen in den Werkstätten:
• Haben etwa 75 von 100 Menschen Probleme beim Denken und Lernen
• Haben etwa 20 von 100 Menschen psychische Behinderung, das heißt sehr große Probleme mit ihren Gefühlen oder ihrem Verhalten
• Haben etwa 4 von 100 Menschen nur körperliche Behinderungen
Thomas Wedel leitet eine Werkstatt in Nürnberg. Er sagt: Bei ihm arbeiten Menschen, die gar keine normale Ausbildung machen können. In der Werkstatt können sie herausfinden: Wollen sie in der Werkstatt bleiben oder in einer normalen Firma arbeiten?
Das hat mit der Behindertenrechtskonvention zu tun. Darin steht: Menschen mit Behinderung sollen selbst wählen können, wo sie arbeiten möchten.
Sebastian Wirth hat auch keine Ausbildung. Er war zuerst in einer Werkstatt. Aber nicht lang, dann stellte eine Betreuerin den Kontakt zu einem Fachdienst her. Dieser Fachdienst hilft Menschen mit Behinderungen, Arbeit in normalen Betrieben zu finden (mehr dazu steht in diesem Artikel).
Und wie war es bei Petra Loose? Die Chefin ihrer Werkstatt, Karla Bredenbals, sagt: Echtes Wahlrecht bedeutet auch, dass Menschen sich für die Werkstatt entscheiden können. Sie erzählt: 20 bis 30 von 100 Menschen in ihrer Werkstatt könnten auch woanders arbeiten. Aber sie sind noch nicht bereit dafür oder die Bedingungen passen nicht.
Petra Loose hat 2 oder 3 Mal ein Praktikum in normalen Firmen gemacht. Aber es hat nicht geklappt, dass sie einen festen Job dort bekommen hat.