Ismaning: Vielfalt gegen Vorurteile – Landkreis München | ABC-Z

„Wenn ich den Kindern in meiner Klasse sage, sie sollen mal eine Hautfarbe mitbringen in unseren Stuhlkreis, kommen fast alle mit einem rosa-farbenen Stift zurück“, erzählt Anne Lehmann. Die Pädagogin arbeitet für den Kreisjugendring München-Land im Ganztag der Camerloher-Grundschule in Ismaning. Sie lässt eine kurze Nachdenkpause nach dem Satz. Hautfarbe ist ein gut sichtbares Zeichen, in dem sich Menschen unterscheiden können. Und eines, das leider immer wieder zu Bemerkungen führt, im schlimmsten Fall zu abwertenden. Damit Kinder solche Vorurteile gar nicht erst bilden und bereits eingeprägte abbauen, haben Lehmann und ihre Kolleginnen das Vielfaltsprojekt gestartet.
„Es ist ein Anti-Rassismus-Projekt, aber wir haben es bewusst niederschwellig gestaltet und das Thema weiter gefasst“, sagt Lehmann. Mit ihren Zweitklässlern spricht sie nicht nur über Hautfarbe oder Muttersprachen, sondern lässt sie gemeinsam entdecken, was jede und jeden von ihnen ausmacht. „Jeder hat andere Stärken und Eigenschaften“, sagt die Pädagogin.
„In welcher Hinsicht unterscheiden wir uns? Und was bedeutet das Positives für uns? Das sind die Fragen, die wir mit den Kindern ergründen wollen“, erklärt Marianne Schütte. Sie leitet die Schulsozialarbeit an der Grundschule und erlebt im Alltag, dass solche Projekte auf fruchtbaren Boden fallen. Und dass sie hilfreich, wenn nicht sogar notwendig sind. Immerhin setzen sich heute die Schulklassen in den meisten Grundschulen sehr vielfältig zusammen. In der Camerloher-Grundschule zum Beispiel kommen die 24 Schülerinnen und Schüler in einer Klasse auf bis zu zwölf verschiedene Herkunftshintergründe, schätzt Schütte. Damit dürfte die Ismaninger Schule keine Ausnahme sein.
Um daraus resultierende Unterschiede nicht als Vorlage für Vorurteile zu erleben, sondern vielmehr Interesse für diese Unterschiedlichkeiten zu wecken, arbeiten die Klassen über ein Schuljahr hin kontinuierlich in verschiedenen Themenblöcken miteinander an einem gemeinsamen Klassenbaum. Der wächst Stück für Stück. Am Anfang stehen die Wurzeln der Kinder. Woher stammen sie ‒ aus welchen Ländern, was für einer Umgebung, welchen Familienkonstellationen? Welche Sprachen sprechen ihre Eltern, ihre Großeltern? „Gerade über die eigenen Wurzeln zu sprechen, bringt oft Überraschendes zutage“, sagt Schütte. „Die Kinder erfahren Dinge voneinander, über die sie noch nie gesprochen haben.“ Das schafft viel Verständnis. Es gibt noch andere Kinder mit alleinerziehendem Papa, mit geschiedenen Eltern oder zwei Mamas? Das wusste ich gar nicht!
„Jedes Kind darf sich selbst präsentieren und sich mal hervortun“
Im Laufe der Wochen und Monate wächst der Baum immer weiter in die Höhe, er wird bunter und vielfältiger. Die Kinder tauschen sich aus, über Feste, die sie feiern, oder über die Herkunft ihres Namens. „Jedes Kind darf sich selbst präsentieren und sich mal hervortun“, erklärt Lehmann. Etwa indem es zentrale Wörter aus seiner Muttersprache den Klassenkameraden beibringt.
Am Ende des Projekts hat der Baum Wurzeln, Äste und Blätter. Und die Klasse trifft sich zu einem gemeinsamen Frühstück, zu dem jeder eine besondere Lieblingsspeise beisteuert. „Unser Fazit ist: Wir sind verschieden, aber wir sind alle gleich viel wert“, sagt Schütte. „Das wollen wir wertschätzen lernen.“