Markige PR-Kampagne in Weßling: Wie die Feuerwehr um Quereinsteiger wirbt – Starnberg | ABC-Z

„Wenn du mich nicht rausgezogen hättest, wäre ich verbrannt“, prangt in dicken weißen Lettern auf dem Poster. Dahinter blickt eine Frau mit langen Haaren geradeaus in die Kamera, hinter ihr lodern Flammen empor. Unten links folgt dann die Aufforderung: „MACH MIT!“ Wobei, das zeigt ein rotes Wappen rechts im Bild: Freiwillige Feuerwehr Weßling.
Es ist eine eindrückliche Kampagne, die die Feuerwehrmänner und -frauen aus der Gemeinde dieser Tage mit Postern und Bannern quer im Ort auffahren. Es sind Wenn-dann-Botschaften mit Gesichtern, die zeigen sollen: Ohne die Feuerwehr wird es schnell eng. Da ist die Frau, deren Herz sonst stillgestanden hätte, der Mann, der sonst erstickt wäre, das junge Mädchen, das sonst ertrunken wäre – wäre die Feuerwehr nicht vor Ort gewesen. Hashtag: Rettemichwerkann.
Ja, erzählt Günther Schöpp, die Kampagne solle durchaus etwas machen mit dem Menschen. Über ein Jahr ist es her, dass sich der Vorsitzende der Weßlinger Feuerwehr dachte, dass es mal etwas Neues brauche, um freiwilligen Nachwuchs anzuwerben. Wie vielerorts im Landkreis Starnberg kämpft man hier mit dem Pendler-Problem: Tagsüber sind viele zum Arbeiten in München. Schrillen dann die Piepser, wird es schnell eng mit dem Absperren, Löschen und Bergen in Weßling.
Tätigkeiten, die in Bayern fast durchgängig von Freiwilligen gemacht werden – nur sieben Kommunen, darunter München, unterhalten Berufsfeuerwehren. Die 44 Feuerwehren im Landkreis Starnberg sind allesamt ehrenamtlich, alles andere würde auch schnell die Gemeindehaushalte überstrapazieren und zu vielen Stunden Leerlauf führen. Nur müssen sich eben auch regelmäßig genügend Menschen vor Ort berufen fühlen, beizutreten – und auch nicht nur am Wochenende bereit sein, mal mit auszurücken.
„Besser man reagiert darauf als nicht“, findet der PR-Mann
Und weil es eben auch in Weßling tagsüber immer wieder eng ist, setzten sich Schöpp und seine Kameraden der Weßlinger Feuerwehr zusammen und wandten sich an die Werbeagentur Klondike. Die hat unter anderem auch in Weßling einen Sitz – und ist selber froh, wenn man hier weiß, dass im Zweifel vor Ort jemand zum Löschen da ist. „Wir profitieren ja selber davon“, sagt Account Director Matthias Miara. Normalerweise machen sie hier eher Kampagnen für größere Firmen, aber nun machte sich ein Sechserteam dran, der Weßlinger Feuerwehr eine Plattform zu schaffen.
Drei verschiedene Entwürfe entstanden, einer, der hauptsächlich mit Text arbeitete, ein anderer mit Emojis – und eben die jetzige Kampagne, die zeigen soll: Die Feuerwehr rettet eben nicht nur die Katze aus dem Baum, sondern auch Menschenleben. Natürlich könne es auch Leute geben, die das Ganze zu emotional fänden, sagt Miara. Aber im Zweifel gelte: „Besser man reagiert drauf als nicht.“
Initiator Schöpp ist seit 23 Jahren bei der Weßlinger Feuerwehr. Am Telefon erzählt er ausgiebig: Wie er sich mit 40 Jahren engagieren wollte, trotz Job und Kind. Wie er die entsprechenden Ausbildungen durchlief. Und wie er im Laufe der Einsätze immer wieder feststellte, dass viele gar nicht wissen, dass es Freiwillige sind, die kommen, wenn im Keller das Wasser bis zur Decke steht oder der Saunabrand gelöscht werden soll. „Der Lohnzettel ist weiß mit einer schwarzen null drauf“, witzelt er. Aber: Feuerwehrler seien keine besondere Spezies, „die auf dem dicken Bankkonto sitzt und nichts arbeiten muss.“ Sondern ganz normale Leute, mitten im Leben, die eben reagieren, wenn statistisch alle drei Tage der Piepser geht. Ein gutes Gefühl sei es doch, wenn man etwas für einen Mitmenschen erreicht habe.
Nur, reicht ein gutes Gefühl, wenn einem im Alltag mit Job, Familie, Nachwuchs ohnehin schon – im übertragenen Sinne – das Wasser zum Hals steht? In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist das System der Freiwilligen Feuerwehren in Bayern entstanden. Lange also, bevor Menschen morgens in die S8 oder den RB66 nach München stiegen. Pendlertum, Akademikertum, Individualismus, ein Überangebot an Freizeitaktivitäten führen viele eher in die Unternehmensberatungen oder den Volleyballverein als ins Feuerwehrhaus.

Um den Zustrom dennoch am Laufen zu halten, hat der Landkreis Starnberg mittlerweile umgesteuert und die Ausbildung zentralisiert. Aus der zweijährigen Grundausbildung wurde ein zehnwöchiger Crashkurs, in dem sowohl der 16-jährige Jugendfeuerwehrler als auch der 50-jährige Quereinsteiger alles lernen sollen, um einsatzbereit zu sein: etwa den Löschaufbau vom Hydranten zum Fahrzeug und zum Strahlrohr, den Umgang mit Schere und Spreitzer und das richtige Funken. Die einzelnen Übungen sind zwischen den verschiedenen Feuerwehren im Landkreis aufgeteilt.
Knapp 160 Nachwuchskräfte haben die neue Ausbildung bereits durchlaufen, „eine sehr gute Zahl“, sagt Kreisbrandmeister Maximilian Wastian und rechnet vor: Umgerechnet seien das vier neue Feuerwehren im Jahr. Derzeit läuft der dritte Lehrgang zur Grundausbildung, der vierte beginnt im Herbst. Wer bestanden hat, darf mit der heimischen Feuerwehr ausrücken. Wobei man sich hier ohnehin flexibel zeigt: Wer woanders wohne, aber tagsüber in Weßling arbeite, sei selbstverständlich auch willkommen, sagt Schöpp.



Wäre da nicht die Arbeit. Doch auch das Dilemma mit dem Chef ist im Bayerischen Feuerwehrgesetz geregelt. Zwar muss der Arbeitgeber über die Mitgliedschaft informiert werden, gleichzeitig muss er Feuerwehrler für den Einsatz frei stellen. Im Gegenzug kann er den Verdienstausfall bei der Gemeinde geltend machen, die diesen bis zu einem Höchstbetrag erstattet. Auch Schöpps Büro ist in München. Wenn er in der Landeshauptstadt arbeitet, lässt er den Melder eben daheim in Weßling.
Dort sollen dann nun die Plakate hängen, mit ihren Motiven von Feuer und Verkehrsunfällen. „Die Leute werden darüber sprechen“, prognostiziert Schöpp. Und das sei doch das Wichtigste.