Ehemalige Bundeskanzlerin: Angela Merkel befürwortet migrationspolitische Pläne von Schwarz-Rot | ABC-Z

Altkanzlerin Angela Merkel (CDU) freut sich nach eigenen Worten über die Einigung von Union und SPD auf einen Koalitionsvertrag. Sie habe “als Bürgerin” mit “Wohlgefallen” gesehen, dass die Koalitionsverhandlungen abgeschlossen wurden, sagte Merkel in einem Interview mit Deutschlandfunk Kultur. Zur Atmosphäre der Koalitionsgespräche sagte sie: “Ich fand es schön, dass wenig gequatscht und durchgestochen wurde.” Das habe sie beeindruckt, weil sie es auch schon anders erlebt habe.
Zu den Vereinbarungen der Parteien in der Migrationspolitik äußerte sich Merkel größtenteils zustimmend. Es gebe zwar andere Akzente und Unterschiede in der Tonalität im Vergleich zu ihrer Politik. Aber Zurückweisungen “in Absprache mit unseren Nachbarn” habe auch sie immer gewollt. Irreguläre Migration müsse reduziert werden. Zugleich sagte sie: “Das Migrationsthema wird sich nicht an der deutsch-österreichischen Grenze lösen lassen, sondern im Idealfall vor den europäischen Außengrenzen.”
Merkel sieht “absoluten Willen zur Macht” von Merz
Dem designierten Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) bescheinigte sie wiederholt einen “absoluten Willen zur Macht”. Er habe jetzt die Chance ergriffen. “Was zwischen uns stand, war, dass wir beide Chef werden wollten.”
Zu den angestrebten Milliardeninvestitionen der neuen Regierung sagte Merkel, sie finde es richtig, dass vieles im Koalitionsvertrag unter Finanzierungsvorbehalt stehe. “Ich finde es richtig, dass man ein Sondervermögen gemacht hat und nicht gesagt hat: ‘Da können wir alles und jedes draus ausgeben.'”
Am wichtigsten sei nun, dass das Geld in Bauprojekte fließe. “Jetzt kommt es wirklich darauf an, Fachpersonal zu haben. Planungskapazitäten zu haben, zu beschleunigen und das wirklich auf die Straße zu bringen.”
Trump geht laut Merkel diesmal geplanter vor
Kritisch äußerte sich Merkel über US-Präsident Donald Trump und seine Zollpolitik. “Ich glaube, der amerikanische Präsident ist der tiefen Überzeugung, Amerika wurde immer wieder über Jahre benachteiligt.” So habe sie es bereits als Kanzlerin erlebt. Trotzdem könne sich eine US-Regierung den Folgewirkungen ihrer Politik nicht entziehen. “Wenn jetzt die Staatsanleihe teurer werden, die Zinsen steigen, wenn Anleger aus den amerikanischen Produkten weggehen und sich woanders orientieren auf der Welt, dann kann das niemandem egal sein”, sagte Merkel.
Sie bewertete Trumps Vorgehen als “geplanter” im Vergleich zur ersten Amtszeit. Dinge würden nun radikaler umgesetzt. “Trump kommt aus dem Immobiliengeschäft. Da ist das so: Entweder kriege ich das Grundstück, oder mein Wettbewerber kriegt das Grundstück. Das heißt, einer verliert, einer gewinnt. Er will natürlich gewinnen.”
Das sei nicht ihre Betrachtungsweise. Die ganze EU baue auf dem Gedanken auf, dass man zusammenhalte und es so besser habe. “Wir sind gemeinsam stärker. Das ist meine Auffassung.”
Merkel kritisiert Algorithmen der sozialen Medien
Die Ex-Bundeskanzlerin ging auch auf die Diskussion um strengere Regeln für digitale Plattformen wie Instagram oder X ein. Die US-Regierung vertrete die Auffassung, keine digitale Plattform dürfe reguliert werden. Da sei sie vollkommen anderer Meinung. “Wenn die Plattformen verbreiten können, was sie wollen, und der Eigentümer der Plattform den Algorithmus so anlegen kann, dass die radikalen Ansichten immer am häufigsten wiedergegeben werden, dann haben wir ein großes Problem, was die Meinungsbildung innerhalb der Bevölkerung anbelangt.” Sie hoffe, dass die EU in dem Bereich mit ihren Regeln des sogenannten Digital Service Act hart bleibe.
Generell auf die Lage in der EU angesprochen, sagte Merkel, sie hoffe, dass die Europäer nicht so werden wollten wie die USA, sondern jetzt Europa stärkten. “Es gibt immer wieder Meinungsunterschiede, aber insgesamt ist es doch so, dass Europa zusammengehalten hat. Und das muss Europa auch weiter tun.”
Altkanzlerin wünscht sich mehr Frauen in der ersten politischen Reihe
Angesprochen auf das Thema Gleichberechtigung in der Politik, wünschte sich Merkel mehr Frauen an vorderster Stelle. “Wenn vier Leute zusammenstehen, wäre es natürlich schöner, es würden zwei Frauen da stehen.” Damit spielte Merkel wahrscheinlich auf die Präsentation des Koalitionsvertrags am Mittwoch an, bei der mit SPD-Chefin Saskia Esken nur eine Frau auf der Bühne stand – neben drei Männern. “Ich finde überall, wo wichtige Positionen sind, gehören einfach Frauen hin, ganz normal. Es muss völlig selbstverständlich sein”, sagte Merkel. Bei der Verteilung der Posten im Kabinett zwischen Männern und Frauen forderte sie die Parteivorsitzenden auf, sich Mühe zu geben: “Das muss von innen heraus kommen.”