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Bruce Cockburn wird 80 | ABC-Z

Als der irische U2-Schmalzapostel Bono Vox noch vornehmlich vor Leuten auftrat, die sich zur Hausbesetzerei und zur Friedensbewegung hingezogen fühlten, ohne unbedingt selbst den Mumm aufzubringen, mal ein Haus zu besetzen oder einen Frieden zu bewegen, stopfte er, vom Eifer fürs Wahrsagen ergriffen, 1988 sein Lied „God Part II“ mit Oberstufen­lyrik, Visionen, Gewalt und Sex voll. Aber kein Vers wollte zünden, weshalb er schließlich nach der Sprache eines Kollegen griff: „Heard a singer on the radio ­late last night / He says he’s gonna kick the darkness / ’til it bleeds daylight.“

Die Dunkelheit treten, bis sie Tageslicht blutet: Der Dichter, dem da eine Idee zugefallen war, für die Bono wohl Zunge und Lunge geopfert hätte, hieß Bruce Cockburn (gesprochen wie „Coburn“, das „ck“ schweigt). Der war damals bekannter als vorher und nachher; seine Musik fand sogar in „Miami Vice“ statt und galt als politisch engagierte Kunst, was einigermaßen stimmt: Cockburns Hits transportieren stabile Ideo­logiekritik („Call it Democracy“) und sprechen sich gegen das Niedermetzeln Wehrloser aus („If I Had a Rocket Launcher“). Zeitlos Zutreffendes im Stoff­lichen und Thematischen also; wenn man sich aber ein paar Stunden Zeit nimmt, den Gesamtkatalog des Kanadiers querzuhören, fällt auf, dass er für solche Gegenstände im Grunde zu schön singt und zu gut Gitarre spielt. Zwischen Handkantenschlag und Wimmelfinger, Steinmetzger und Uhrmacher überzeugt er in jeder Rolle, hier gehorchen ihm tausend Fertigkeiten, weshalb er die Hälfte seiner Auftritte allein und mit wenig Strom absolviert, wobei er mühelos knallvolle Säle in Besitz nimmt und stundenlang niemanden im Raum langweilt.

Gitarre mit Goldsternen geschmückt

Bergbächleinklar festgehalten ist das etwa auf dem Livealbum „Slice O Life — Solo Live“ aus dem Jahr 2009, dessen ­Höhepunkte, nämlich die Raketenwerfernummer und der Song, aus dem die von Bono bewunderten Worte stammen, „Lovers in a Dangerous Time“, beide von Cockburns Platte „Stealing Fire“ (1984) stammen, der im Radio und bei MTV bestbehandelten seines Repertoires.

Die richtige Lebensaufgabe fand der Mann bereits als Vierzehnjähriger auf der Farm seiner Großeltern, als er über eine nahezu unspielbar vernutzte Gitarre stolperte, die er mit Goldsternen schmückte und sofort schwer verprügelte, bis die Eltern ihn zum Musikunterricht schickten (und bestimmt sehr stolz waren, als er kurz danach auf einer Selbstfindungsreise in Europa wegen künstlerisch gemeinten Straßenlärms ­ohne Genehmigung verhaftet wurde).

Das Songschreiberhandwerk ging Cockburn, beeindruckt von Beat-Poesie und später von Ernesto Cardenal, entschieden literarisch an; die Inhalte dazu kamen erstens aus seinem im Rhythmus des Thomas Müntzer schlagenden christlichen Herzen und zweitens aus den Nachrichten. Weltanschauliche Voraussetzungen dieser Arbeitsweise hat der Theologe Brian J. Walsh im Buch „Kicking at the Darkness – Bruce Cockburn and the Christian Imagination“ (2011) dargelegt, das aktualitätenorientiert Politische seiner Perspektive wiederum hat Cockburn den Ruf eingetragen, zu nah am Journalismus zu dichten: Meinungsmusik, Flugblattchanson.

Vergegenwärtigt man sich jedoch heute, 2025, was aus jenem Journalismus, dem Cockburn so oft sein Kunst-Basismaterial entnahm, in den Massenmedien (eigentlich gibt’s ja nur noch ein Massenmedium: das Netz) geworden ist, gerade im Cockburn vertrauten nordamerikanischen Raum, vom rechtsautoritären Blasebalg Sean Han­nity bis zum linksliberalen Lehrerschädel Jake Tapper, ganz abgesehen von den auf Milieu-Stimmungs-Bestätigung gezinkten Damen und Herren Talkshowgesichtern, dann kann man sich nur freuen, wenn es wenigstens an der Gitarre noch die im seriösen Weltberichtsgeschäft einst allgemein verlangte Mischung aus maximaler Faktenaufbereitungssorgfalt und minimaler Eitelkeit der Vermittlung gibt, für die Bruce Cockburn nach wie vor im Scheinwerferlicht einsteht. Heute wird er achtzig Jahre alt.

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