Ypsilon, der rätselhafte Buchstabe – Panorama | ABC-Z

Sobald Wammes und Xara wieder verschwunden sind, werden Yvonne und Yannick übernehmen. Man kennt das ja: Seit einigen Jahren lässt sich beim Meteorologischen Institut der Freien Universität Berlin für ein paar Euro die Namenspatenschaft über einzelne Hoch- und Tiefdruckgebiete erwerben. Es geht nach Alphabet – und der Buchstabe Ypsilon gehört nicht gerade zu den Topsellern. Doch schon bald wird er laut der aktuellen Wetterpaten-Liste gleich doppelt auftauchen: Yannick soll das nächste Tief heißen und Yvonne das kommende Hoch. Tiefdruck-Wetterpaten zahlen 260 Euro, Hochdruck-Paten 390 Euro, Hochdruck-Gebiete sind stabiler. Der Erlös fließt in die „studentische Ausbildung an der Wetterstation Berlin-Dahlem“.
Yannick und Yvonne also. Bei Sprachforschern wirft das folgende Frage auf: Ist der Buchstabe Ypsilon eher Konsonant oder doch Vokal? Ist er ein „J“ wie in „Yannick“ oder ein „I“ wie in „Yvonne“? Geht man der Frage nach, kommt man zu interessanten Ergebnissen. Die Geschichte des Ypsilon beginnt bereits bei den Phöniziern im ersten Jahrtausend vor Christus und ihrer zunächst rein konsonantischen Schriftsprache. Das entsprechende Gabelzeichen hieß hier „Waw“ und der zugeordnete Laut mutierte in byzantinischer Zeit vom „w“ zum „ü“ oder „i“. Da die Römer griechische Lehnwörter liebten, übernahmen sie es – quasi als Einwanderer (auf Altgriechisch bedeutet „Ypsilon“: „einfaches Ü“). Im romanischen Sprachraum wurde der Buchstabe dann zum „I grec“ oder „I griega“, also zum „griechischen I“. Im 19. Jahrhundert profitierte das Ypsilon von der Liebe einiger mitteleuropäischer Aristokraten zur griechischen Hochkultur: Schreibweisen wie „Bayern“ oder „Speyer“ wurden populär. Seine Uneindeutigkeit aber blieb, wie auch Wörter wie „Sylt“, „Yoghurt“ oder „Currywurst“ belegen. Mit dem Aufkommen völkisch-deutscher Bewegungen ging es dem Ypsilon dann an den Kragen.
Die Nationalsozialisten mochten den Buchstaben gar nicht
Anders die Entwicklung in spanischsprachigen Gebieten, wo das „Y“ längst zum wichtigen „Und“ aufgestiegen und überall zu hören war, zum Beispiel im mexikanischen Volkslied „Cielito Lindo“, in dem es heißt: „Canta y no llores“ (Sing – und weine nicht!). Auch im englischen Sprachraum ging man mit dem Ypsilon bis zuletzt entspannt um. Mal war es hier ein „ei“ (wie bei „my“), mal ein „i“ (wie bei „family“), mal ein „J“ (wie bei „Yippieh“). Die deutschen Nationalsozialisten hingegen mochten den Buchstaben gar nicht und nannten ihn zynisch „Ypern“, nach dem belgischen Ort, in dem deutsche Soldaten während des Ersten Weltkriegs erstmals Giftgas eingesetzt hatten. Nein, Deutschland und das Y – eine Liebe war das nie.
Also blicken wir lieber auf das Finnische. Dort lässt sich aus dem Buchstaben das wunderschöne Wort „Hyppytyynytyyydytys“ bilden, welches „die Freude, die man beim Sitzen auf einem Hüpfkissen empfinden kann“ beschreibt. Nun, wer kennt sie nicht? Und um diese Freude in ihrer vollsten Vollendung zu empfinden, hilft es immer, egal, ob es mit Yannick gerade regnet oder mit Yvonne die Sonne scheint, beim Hüpfen, Sitzen und bitte auch sonst möglichst entspannt zu bleiben.