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Wadis, Wüste, Weihrauch und Wehrtürme | ABC-Z

Vivaldis berühmte „Vier Jahreszeiten“ zwitschern aus dem Autoradio. Nur kurz. Denn der Gassenhauer klassischer europäischer Musik aus dem frühen 18. Jahrhundert ist eine Art „Jingle“ im omanischen Radioprogramm. Und eine Hommage an den 2020 verstorbenen Sultan Qaboos ibn Said al Said, der den Oman fast 50 Jahre lang regierte und ihn mit seiner Modernisierungspolitik zu dem gemacht hat, was er heute ist: eine reiche Erbmonarchie auf der Basis islamischen Rechts mit eingeschränkten demokratischen Elementen. Der alte und der neue Sultan, Haitham ibn Tariq, sind zwar letztendlich absolute Herrscher. Im Gegensatz zum Nachbarn Saudi-Arabien ist Oman aber ein weniger streng islamisches Land mit einer gewissen Toleranz gegenüber anderen Religionen und Kulturen.

Im Oman haben sich Tradition und Moderne zu etwas ganz Neuem verbunden. Das ist angenehm für Reisende, die ins Gespräch kommen wollen mit den aufgeschlossenen, entspannten Omanis. Viele sprechen Englisch, fast alle kleiden sich traditionell: die Frauen verhüllt und in schwarzen, fließenden Aba­yas, Männer in hellen Dishdashas. Über die omanische Kultur und den Islam spricht man gerne, über Politik nicht. Das Land ist reich, aber es gibt wie überall auf der arabischen Halbinsel keine echte Meinungsfreiheit. Amnesty International und andere Organisationen berichten regelmäßig über Menschenrechtsverletzungen.

Die Musikauswahl im Landes-Sender spiegelt diese Verbindung von Tradition und Moderne. Nach Vivaldi geht es weiter mit traditionellen beduinischen Klängen. Und die passen hervorragend zur schroffen, kargen Berglandschaft, durch die wir mit unserem kundigen Fahrer Khalid unterwegs sind zum „Magic“-Wüstencamp „Sharqijah Sands“ am Rande der Wahiba Wüste im nordöstlichen Oman. Gut zwei Stunden fährt man von der Hauptstadt Muscat entlang der Küste Richtung Sur (120.000 Einwohner) über die bestens ausgebaute Autobahn. Wie viele Städte und Dörfer im Oman hat auch Sur eine gut erhaltene Festungsanlage. Wer mit dem Miet-Auto unterwegs ist, sollte sich die Zeit nehmen, Nebenstraßen zu erkunden und nicht nur die größeren Städte zu besuchen, sondern Abstecher in die vielen kleinen Siedlungen und Oasen zu machen, wo die alten Ortskerne mit ihren Lehmhäusern und Gassen teils noch gut erhalten sind. Überall finden sich große und kleine Wehrtürme und Wehrmauern, die von den oft kriegerischen Konflikten der vielen Stämme auf der Halbinsel zeugen. „Wir haben mehr als 400 Festungen und Burgen im Oman“, sagt Khalid. Die Omanis sind stolz auf dieses Kulturerbe. Viele der Forts sind über 1000 Jahre alt, andere wurden von Besatzern und Kolonialmächten gebaut, von den Portugiesen und den Engländern, aber auch von den Persern. Hier verschmelzen arabische, afrikanische, europäische, indische Einflüsse zu einer ganz eigenen Kultur.

Vor der kleinen Siedlung Al Hawiyah beginnt die Sandpiste zum Magic Camp. Elf Kilometer schlittern und schlingern wir durch die Dünen. Ein großer Spaß. Dann bleibt der Wagen stecken, trotz Vierradantrieb. Zu viel Luft in den Reifen. Unser Fahrer hat Mühe, die Räder freizubekommen. Beim sechsten Anlauf klappt es, er lässt den Wagen zurückrollen und gibt Gas. Mit Karacho nehmen wir schließlich den Hügel und kommen wenig später im Camp an. Wer es stilvoller haben will, kann sich auch auf dem Rücken eines Kamels auf den Weg in die Wüste machen. Die einst nomadischen Beduinen des Omans züchten immer noch Kamele, auch für Kamelrennen. Sie sind aber sesshaft geworden – und nicht wenige arbeiten heute im Tourismus.

Das Magic Camp „Sharqijah Sands“ gehört zu den Luxus-Übernachtungsmöglichkeiten in der Wahiba Wüste. Jedes der stilvoll eingerichteten Zelte mit großem, bequemem Bett und einer gemütlichen Couch vorm Eingang hat ein eigenes „Bade-Zelt“ mit chemischer Toilette, aber ohne Dusche. Stattdessen schöpft man warmes Wasser aus großen Tonkrügen, um sich zu waschen. Gegen Abend ändert sich das Licht der Landschaft. Rot, gelb, weiß schimmert der Sand. Jetzt ist die Zeit, auf die Dünen zu steigen und sich ein schönes Plätzchen im Sand zu suchen, um den Sonnenuntergang zu erleben. Wer sich das mit einem kühlen Bier oder einem schönen Glas Wein vorstellt, muss aber selbst was mitbringen. Alkohol gibt es auch im Luxus-Camp nicht. Wie in den meisten Restaurants im Oman. Selbst wenn der Vollmond so hell scheint, dass man die Sterne kaum sieht – eine Nacht in der Wüste ist ein unvergessliches Erlebnis. Ab 100 Euro findet man ein schönes Camp, in den edleren, stilvolleren gibt es zudem exquisites Essen.

Als Kontrastprogramm bietet sich ein Ausflug in eines der vielen Wadis an. Das Wadi Bani Khalid zum Beispiel liegt ungefähr eine Autostunde entfernt von Al Hawiyah. Es gilt als eines der schönsten und grünsten. Und ist auch wegen seiner guten Erreichbarkeit ein beliebtes touristisches Ziel. Dort kann man vier Kilometer ins eng zulaufende wild-romantische Tal wandern und an vielen Stellen im türkisblauen Wasser baden. Wer ein bisschen klettert und es bis ans Ende schafft, trifft nur noch wenige Menschen und wird mit der Muqal-Höhle samt Wasserfall belohnt.

Das schroffe Hajar-Gebirge rund um Nizwa, ehemalige Hauptstadt des Omans, gilt mit seinen Wadis und bewässerten Terrassengärten als landschaftlich abwechslungsreichste Region des Landes. 3000 Meter hoch ragt dort der Jebel Shams auf. Im Februar findet dort seit fast zehn Jahren die letzte Etappe eines der größten Radrennen der Welt statt: die Tour of Oman. Wie viele andere arabische Staaten setzt auch Oman auf große Sportereignisse, um das eigene Image als offenes, sehenswertes Land zu verbessern. Die Gegend ist nicht stark besiedelt, doch die Omanis zeigen sich begeistert und säumen den Weg mit Kind und Kegel.

Nizwa hat ein gut restauriertes Fort mit einem Museum. 40 Kilometer weiter kann man das größte Lehmfort Omans in Bahla besichtigen. Beide Bauten sind Unesco-Weltkulturerbe. Überall gibt es größere und kleinere ­Souqs (Märkte), doch nicht immer findet man dort auch authentisch omanische Waren, sondern zunehmend Billigimporte aus China oder Indien. Den berühmten omanischen Weihrauch jedoch gibt es an jeder Straßenecke. Es ist der dominante Duft dieses Landes, wo Sinnlichkeit und Wohlgeruch zum Lebensgefühl gehören. Und gutes Essen. Die Küche ist phänomenal: eine Mischung aus arabisch, indisch, afrikanisch und omanisch. Es gibt viel Fleisch, aber auch viel Fisch. Schließlich hat das Land eine fast 2000 Kilometer lange Küste.

Vor allem in der Hauptstadt ist das kulinarische Angebot groß. Wer authentisch Omanisch speisen will, kann das zum Beispiel im „Rozna“, einem Restaurant, das wie ein Fort gebaut ist. Dort gibt es leckere Kamelsuppe oder auch stundenlang unter heißen Steinen gegartes Lammfleisch (Omani Shuwa). Traditionell versammelt sich auch heute noch die Nachbarschaft zu diesem omanischen Barbecue: Jeder bringt sein Fleisch mit, wickelt es in Bananenblätter und legt es in die heiße Grube. Die Basis eines jeden Gerichtes ist pikant gewürzter, langkörniger Reis. Dazu gibt es meistens frisches Gemüse oder Salate mit Zitronensaft und Öl, leckere Gemüsepasten und Hummus. Meist ist das Essen so üppig, dass das süße Gebäck als Nachtisch kaum noch in den Magen passt.

Wie sich das Sultanat selbst sieht, spiegelt sich im neuen „Museum Across Ages“ (Cox-Architekten, Australien), das in der Nähe von Nizwa erst 2023 eröffnet wurde: traditionsbewusst, stolz, selbstbewusst, innovativ, modern. Inspiriert von den Gipfeln und Schluchten des Hajar-Gebirges beeindruckt die monumentale Architektur, mit der sich der verstorbene Sultan selbst ein Denkmal gesetzt hat. Geld spielt hier keine Rolle. In Hunderten teils interaktiven, bombastischen Videoinstallationen präsentiert man die Geschichte und das kulturelle Erbe Omans von der Vorzeit bis in die Gegenwart. Ein eigener Pavillon ist der omanischen „Renaissance“ gewidmet: Ab 1970 modernisierte der Sultan mit den Einkünften aus dem Öl sein rückständiges Land. Er baute nicht nur die Infrastruktur aus, sondern sorgte für ein gutes Gesundheits-, Bildungs- und Sozialsystem und technologischen Fortschritt. All dies wird hier gefeiert. Samt Vision für die Zukunft. Eine kritische Aufarbeitung weniger positiver Entwicklungen im Land fehlt allerdings. Dennoch: Dieses Museum sollte man nicht verpassen. Es gilt bereits heute als eines der Landmarks nah­östlicher Architektur und erzählt viel über die omanische Seele und Kultur.

Wie sehr Sultan Qaboos die Entwicklung seines Landes vorangetrieben hat, zeigt sich auch in drei Gebäuden, die man in der Hauptstadt Muskat gesehen haben muss: Die Sultan-Quaboos-Moschee wurde 2001 eröffnet und gilt als eine der größten der Welt. Allein ihr Kronleuchter, mit Swarowski-Steinen besetzt, ist fast 15 Meter hoch und neun Tonnen schwer. Stolz sind die Omanis, die zu 75 Prozent der muslimischen Strömung der Ibaditen angehören, auf die Architektur der Moschee, in der sich die Toleranz ihrer Religion gegenüber anderen Glaubensrichtungen ausdrückt. In der Altstadt in Mutrah steht der monumentale Sultans-Palast. Direkt dahinter befindet sich der Hafen und die ausgebaute See-Promenade, von der aus man auch den Souq erreicht. Nur wenige alte Lehmhäuser sind erhalten geblieben, man findet kaum noch alte Bausubstanz. Seit 1970 hat man die Stadt mit großem Ehrgeiz entwickelt, nicht alles ist schön, es gibt viel Beton und große versiegelte Flächen, aber überall finden sich Elemente traditioneller omanischer Architektur.

So auch im Royal Opera House, eröffnet 2011. Es ist das erste originär arabische Opernhaus, bietet 1100 Plätze und ein interessantes Programm – von klassischer europäischer Oper bis hin zu traditioneller arabisch-omanischer Musik. Wenn Omanis von ihrem verstorbenen Sultan sprechen, erzählen sie meist schon im dritten Satz, dass dieser die Oper über alles liebte. Des Sultans große musikalische Leidenschaft spiegelt sich in dem reich und teuer ausgestatteten Gebäude, das man auch besichtigen kann, ohne eine Aufführung dort zu sehen.

Oman hat viel zu bieten: Wüsten und Wadis, Berge, Kultur und Architektur. Und natürlich 1700 Kilometer Küste mit türkisblauem Wasser an leeren Sandstränden. Mit ein bisschen Abenteuerlust kann man hier ein islamisch geprägtes Land erleben, dessen Lebenspuls so ganz anders schlägt als der europäische. Es ist eine Reise wert – und nur sieben Flugstunden entfernt.

Diese Reise wurde unterstützt von A.S.O. Organisation of the Tour of Oman.

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