Das Gespenst der Inflation ist zurück | ABC-Z

„Zölle werden höchstwahrscheinlich zumindest vorübergehend zu einem Anstieg der Inflation führen.“ Das ist der brisante Kernsatz einer Rede des Chefs der amerikanischen Notenbank, Jerome Powell. Ob die Teuerung gebremst werden könne, hänge vom Ausmaß der Auswirkungen ab, die die Zölle auf die Preise hätten.
Powell nennt auch den Verursacher dieser Entwicklung: Die Regierung setze in vier Politik-Bereichen wesentliche Änderungen durch: in der Immigration, in der Fiskalpolitik, in der Deregulierung und im Handel. Die Folgen sind noch ungewiss, aber einiges schon sichtbar.
Erste Warnsignale leuchten auf
So seien die Zollerhöhungen deutlich höher ausgefallen als erwartet, sagte Powell. „Dies dürfte auch für die wirtschaftlichen Auswirkungen gelten, zu denen eine höhere Inflation und ein langsameres Wachstum gehören werden“, so der Chef der Federal Reserve. Erste Warnsignale leuchten auf: Messgrößen für die kurzfristigen Inflationserwartungen sind deutlich gestiegen. Die Leute glauben demzufolge, dass Trumps Zölle kurzfristig die Preise nach oben treiben.
Die langfristigen Inflationserwartungen wirkten aber noch fest verankert nahe dem Inflationsziel von zwei Prozent. Die Perspektive der Verbraucher, dass die langfristige Preisentwicklung stabil bleibt, ist von zentraler Bedeutung für die Notenbank. Wenn diese Vorstellung ins Rutschen gerät, dann droht eine Preisspirale, bei der die Wirtschaftsakteuer in Erwartung höherer Preise selbst höhere Löhne und Preise durchsetzen.
Die Betonung der neuen Inflationsgefahr ist ein Signal an die Märkte, die Wirtschaft und die Politik, dass zunächst einmal nicht mit Leitzinssenkungen zu rechnen ist. Amerikas Börsen reagierten dementsprechend mit abermaligen Kursverlusten. Ungehaltener noch dürfte Präsident Donald Trump sein, der über die Medienplattform TruthSocial seinen Wirtschaftskurs verteidigt. Die Vereinigten Staaten erzielten Rekordeinnahmen mit Zöllen, während die Kosten für fast alle Produkte sänken, darunter Benzin, Lebensmittel und so ziemlich alles andere, schrieb Trump. „Ebenso sei die Inflation rückläufig.“ Powell bestätigt, dass die Inflation langsam zurück gegangen sei mit einer Kernrate von 2,6 Prozent im März.
Stimmung der Verbraucher und Unternehmen verdüstert sich
Doch er teilt nicht den Zweckoptimismus des Präsidenten, dass die Preise weiter nachgeben. Dabei beunruhigt Powell, dass sich die Stimmung der Haushalte und Unternehmen deutlich verdüstert hat wegen der Handelskonflikte. Er rechnet mit einer Verlangsamung des Wirtschaftswachstums, erwartet aber weiterhin ein Plus.
Der Angebotsschock durch eine drastische Reduzierung oder vollständige Einstellung der Importe aus China, wie Trump dies angeblich erreichen will, würde eine Stagflation bedeuten, den makroökonomischen Albtraum der 1970er Jahre und während der Covid-19-Pandemie, als die Wirtschaft schrumpfte und die Inflation gleichzeitig stieg.
Ökonom vergleicht Handelsstreit mit Vietnamkrieg
Damit ist Powell noch deutlich optimistischer als Adam Posen, der Chef der Denkfabrik Petersen Institute for International Economics. Nach seiner Analyse für Foreign Affairs riskiert die Trump-Regierung einen Konflikt, der wirtschaftlich dem Vietnamkrieg entspricht und ähnlich Folgen zeitigt: Er werde das Vertrauen im In- und Ausland in die Vertrauenswürdigkeit und Kompetenz der USA untergraben.
Wenn die Trump-Regierung mit willkürlichen Entscheidungen enorme Einfuhrzölle erhebe und die Lieferketten der Hersteller erschüttere, werde dies zu geringeren Investitionen in den USA und damit zu einem Anstieg der Zinsen für US-Staatsanleihen führen, so Posen.