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Herthas Torwart-Dilemma: Ernst bleibt auch wegen schwacher Konkurrenz die Nr. 1 | ABC-Z

Saison 2025/26

Herthas Torwart-Dilemma: Ernst bleibt auch wegen schwacher Konkurrenz die Nr. 1


Do 26.06.25 | 06:07 Uhr | Von Marc Schwitzky

Bild: IMAGO / Nordphoto, Jan Huebner, Matthias Koch

Gleich fünf Profi-Torhüter hat Hertha BSC zum Trainingsstart in seinen Reihen. Mit Tjark Ernst steht die Nummer eins zwar fest, doch die Hierarchie hinter ihm kann neue Formen annehmen. Alle Keeper bringen sich vor allem für 2026 in Stellung. Von Marc Schwitzky

“Tjark spielt, solange er nicht gesperrt oder verletzt ist”, stellte Stefan Leitl zum Amtsbeginn im Februar dieses Jahres klar. Der Trainer von Hertha BSC setzte sofort auf Torhüter Ernst – und korrigierte damit die Entscheidung seines Vorgängers Cristian Fiél.

Dieser hatte zum Rückrundenbeginn der vergangenen Saison überraschend Marius Gersbeck zur neuen Nummer eins erklärt und damit innerhalb der Saison für eine stets empfindliche Torwartrochade gesorgt. Vom 18 bis 22. Spieltag hütete Gersbeck das Berliner Tor, doch mit dem Trainerwechsel wurde jene Entscheidung rückgängig gemacht. Ernst wurde unter Leitl wieder zur Stammlösung und blieb es bis Saisonende auch.

Der 22-jährige Schlussmann wird auch in der kommenden Spielzeit zwischen den Liga-Pfosten stehen, doch hat Ernst die Leistungsdaten einer klaren Nummer eins? Und wie sortiert sich das große Torwartteam hinter ihm?

Ernst gehört statistisch zu den schwächsten Torhütern der Liga

Dass sich Fiél im Frühjahr 2025 für einen Torhüterwechsel entschied, war zwar überraschend, entbehrte aber nicht jeglicher Grundlage. Tatsächlich hatte Ernst bis dahin eine mehr als durchwachsene Saison gespielt, stagnierte sichtlich in seiner Entwicklung. Das zeigen auch die Zahlen.

Er belegt für die Saison 2024/25 den vorletzten Platz aller Stammtorhüter der 2. Bundesliga bei abgewehrten Bällen. Zudem ließ er sogar mehr Tore zu als statistisch erwartet. Ernst rettete im Durchschnitt also keine Punkte, er kostete sie. Immer wieder hatte der noch junge Keeper Patzer in seinem Spiel, vor allem in der Strafraumbeherrschung und Abwehr von Distanzschüssen wackelte Ernst bedenklich.

Hertha-Torhüter Tjark Ernst gibt seinen Teamkollegen Anweisungen. (Foto: IMAGO / osnapix)Hertha-Torhüter Tjark Ernst gibt seinen Teamkollegen Anweisungen. (Foto: IMAGO / osnapix)

Trotz Schwächen die klare Nummer eins

Doch Leitl vertraut auf Ernst, der es ihm im Endspurt der zurückliegenden Saison mit einer aufsteigenden Form dankte. Der deutsche U21-Nationalspieler wirkte in den letzten Partien wieder sicherer, vor allem auf der Linie. Das liegt auch daran, dass ihm Leitls Ansatz deutlich eher liegt. Der 47-Jährige steht für ein einfacheres Aufbauspiel, bei dem zur Not auch der lange Ball gespielt werden darf – ein No-Go unter Fiél, der den Keeper fußballerisch intensiv einbinden will.

Ernst kann sich unter Leitl vor allem auf das Parieren von Bällen konzentrieren und das tut ihm gut. Und so dürfte Ernst trotz seiner Schwächen in der vorangegangenen Spielzeit weiterhin Herthas Nummer eins sein. Dennoch lügen die Zahlen nicht: er wird sich 2025/26 gehörig steigern müssen, um das Format eines Aufstiegstorhüters zu erreichen.

Gersbeck nutzte seine Chancen nicht

Dass Ernst trotz einer schwachen Saison einigermaßen unumstritten ist, liegt auch an der schwachen Konkurrenz. Marius Gersbeck erhielt in der Rückrunde seine Chance, konnte sie aber nicht nutzen – im Gegenteil. Wie schon in seinen vorherigen Einsätzen wirkte der 30-Jährige besorgniserregend unsicher. Gersbeck strahlte keinerlei Souveränität aus, dabei ist er Ernst knapp 140 Profi-Spiele an Erfahrung voraus.

Der gebürtige Berliner hat zwei äußerst enttäuschende Jahre hinter sich. 2023 kehrte er zu seinem Herzensverein Hertha zurück, um die Nummer eins zu werden. Doch nach dem Vorfall im Trainingslager in Österreich, als Gersbeck in eine Prügelei vetrwickelt war, war daran erst einmal nicht mehr zu denken – Ernst schob sich in der Hierarchie vor ihn. Gersbeck wurde zum Stellvertreter, kam 2023/24 auf fünf und 24/25 auf sechs Einsätze, konnte allerdings in keinem von diesen wirklich überzeugen und die Torhüter-Hierarchie nicht ernsthaft ins Wanken bringen.

Gersbeck musste sich darüberhinaus zuletzt einer Schulter-Operation unterziehen und wird noch lange fehlen. Er wird die gesamte Vorbereitung verpassen und Ernst so nicht gefährlich werden können. Sobald er zurückkehrt, wird er – der im Team sehr geschätzt wird – wieder die Rolle als Nummer zwei annehmen.

Hertha-Keeper Marius Gersbeck. (Bild: IMAGO / HMB-Media)Hertha-Keeper Marius Gersbeck. (Bild: IMAGO / HMB-Media)

Goller soll die Zukunft gehören

Auch Tim Goller wird wohl seine Rolle aus der Vorsaison behalten. Das 20-jährige Eigengewächs gilt als großes Torhütertalent, dem die Zukunft zwischen den Pfosten gehören soll. Dennoch wird er erst einmal die Nummer drei der Blau-Weißen bleiben und eine weitere Saison das Tor der Hertha-U23 hüten.

Letzte Saison absolvierte er 27 Einsätze in der Regionalliga, zeigte dabei viele gute Ansätze, aber auch noch einige Wackler. Eine weitere Saison auf jenem Niveau dürfte Goller gut tun. Solange Gersbeck aber verletzt fehlt, wird er Herthas Nummer zwei sein und weitere Profi-Erfahrungen sammeln können.

Torhüter-Eigengewächs Tim Goller könnte im Sommer zu Herthas neuer Nummer eins werden. (Foto: IMAGO / Matthias Koch)Torhüter-Eigengewächs Tim Goller soll irgendwann zu Herthas neuer Nummer eins werden. (Foto: IMAGO / Matthias Koch)

Wohin mit Kwasigroch?

Robert Kwasigroch hat zumindest schon seinen ersten Zweitliga-Einsatz für die “alte Dame” auf dem Konto. Nach einem Ligaspiel im September 2023 sollten jedoch keine weiteren folgen, in der vergangenen Saison wurde der 21-Jährige an Ligakonkurrent Fortuna Düsseldorf verliehen. Dort war Kwasigroch jedoch nur die Nummer zwei, sammelte keinen Profi-Einsatz – ein eher verschenktes Jahr.

Dass das Eigengewächs mit einer Kaufoption verliehen wurde, zeigt, dass Hertha nicht wirklich mit ihm geplant hatte. Da Gersbeck verletzt fehlt und Ernst noch bei der U21-EM weilt, darf sich Kwasigroch derzeit erstmals Trainer Leitl präsentieren. Es ist aber wahrscheinlich, dass er erneut verliehen wird. Eine klare Perspektive gibt es für ihn bei Hertha nicht.

Robert Kwasigroch im Tor für Hertha BSC. (Foto: IMAGO / Picture Point)Robert Kwasigroch im Tor für Hertha BSC. (Foto: IMAGO / Picture Point)

Konstante Dennis Smarsch

Dennis Smarsch hingegen hat eine äußerst klar definierte Perspektive beim Hauptstadtklub. Der 26-Jährige kehrte im Sommer 2024 zu seinem Ausbildungsverein zurück, um “Trainingstorhüter” zu werden, der im Notfall zur Verfügung steht. In der zurückliegenden Saison stand Smarsch, der eigentlich die Nummer vier in der Hierarchie ist, gleich viermal im Kader.

In den letzten beiden Partien stand der Berliner sogar im Tor, machte seine Sache solide. Smarsch hat seinen Vertrag zu gleichen Bedingungen vor einem Monat verlängert. Klare Rolle, klare Perspektive – er bleibt somit Herthas vielleicht sogar größte Konstante im Torhüterteam.

Torhüter Dennis Smarsch im Training bei Hertha BSC. (Foto: IMAGO / Matthias Koch)Torhüter Dennis Smarsch im Training bei Hertha BSC. (Foto: IMAGO / Matthias Koch)

Der Sommer 2026 wird spannend

Herthas Hierarchie im Tor sollte für die kommende Saison bereits feststehen. Ein Abgang des immer mal wieder umworbenen Ernst würde sie noch einmal umstoßen, doch das ist aufgrund seiner durchwachsenen Vorsaison nicht wahrscheinlich.

Die spannendere Frage ist, was in einem Jahr passieren wird. Ernsts Vertrag läuft 2027 aus, er wäre somit in seinem letzten Jahr bei Hertha. Nur bei einem Aufstieg und einer guten Ernst-Saison wäre es realistisch, dass sich beide Seiten auf eine Vertragsverlängerung einigen können. Sonst endet seine Zeit in der Hauptstadt wohl.

Gersbeck geht in sein letztes Vertragsjahr. Seine Perspektive ist unklar. Er scheint die Rolle als Nummer zwei gut anzunehmen, eine Verlängerung zu diesen Konditionen ist nicht auszuschließen.

Doch wäre hier die Frage, welche Perspektive das für Torhütertalent Goller öffnet. Der 20-Jährige wird kein drittes Jahr als U23-Keeper fristen wollen. Möglich wäre auch hier eine Leihe auf höherem Niveau. Marten Winkler, Julian Eitschberger, Tim Hoffmann oder zuletzt Lukas Michelbrink sind gute Beispiele dafür, dass Hertha etwa durch Drittliga-Leihen Zwischenlösungen für Eigengewächse findet, die den nächsten Schritt gehen müssen, aber noch nicht nahe genug am Profi-Team sind.

Beitrag von Marc Schwitzky


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