Wie ist Papst Franziskus als Mensch? Ein Blick in seine Autobiographie | ABC-Z

Man muss ihn wirklich nicht bemitleiden, aber so ein Papst hat es nicht leicht. Es ist schon schwer, Menschen nicht zu enttäuschen, wenn etwa Freunde oder Verwandte das urteilende Publikum stellen – aber was, wenn buchstäblich Hunderte Millionen Gläubige das eigene Tun beobachten? Franziskus hat jetzt seine Autobiographie geschrieben, laut Verlag die erste eines Pontifex zu Lebzeiten.
Der Argentinier schreibt darin über Volksgläubigkeit und Marienverehrung, beklagt Kriege und Armut, schwärmt von Höflichkeit, Hoffnung und Humor. Und auch wenn Experten spotten, das sei weniger eine Autobiographie als eine Autohagiographie – die Beschreibung eines Heiligenlebens – geworden: Indem er zeigt, wie er gesehen werden möchte, gibt er doch einiges von sich selbst preis.
Die Großmutter wurde zum „Eckpfeiler“ seines Daseins
Wurzeln. 2001, kurz vor der Ernennung zum Erzbischof, besuchte Franziskus die Heimat seiner Vorfahren, einen Bauernhof im piemontischen Portacomaro, unweit von Asti: „Ich habe die Hügel betrachtet, die Weinberge, das große Haus. Ich habe in der Erde gegraben und eine Handvoll mitgenommen.“
Milieu. Nicht lange nach seiner Geburt 1936 bezogen er und seine Eltern in Buenos Aires eine Wohnung in Flores, einem lebendigen Mittelschichtviertel von Buenos Aires, in dem viele italienische und spanische Einwanderer sich niedergelassen hatten. Der Laden, den die Großeltern väterlicherseits damals hatten, war praktisch nebenan, und auch andere Verwandten wohnten ganz in der Nähe: „In gewisser Weise wurden wir dort zu einer einzigen großen Familie.“ Zum Mittagessen am Sonntagmittag nach der obligatorischen Messe versammelten sich manchmal bis zu 30 Leuten zu fünf oder sechs Gängen plus Dessert: „Wir waren nicht gerade wohlhabend, aber in der Küche blieben wir bei der italienischen Tradition.“
Eckpfeiler. Seine Großmutter Rosa nahm den kleinen Jorge oft zu sich, gerade weil seine Mutter noch weitere vier Kinder bekam, und wurde so „zu einem Eckpfeiler meines Daseins“. Nach dem Erstgeborenen Mario war sie noch sechs weitere Male schwanger geworden, hatte das Kind aber wegen eines Gendefekts, von dem man noch nichts wusste, jedes Mal verloren. „Sie nahm alles an, was das Leben so mit sich brachte, auch wenn es schmerzhafte Ereignisse waren.“ Jorge liebte sie sehr: „Sie hat mir als Erste die christliche Botschaft nahegebracht.“
Franziskus war kein guter Fußballspieler
Kicker. Eine der frühen Leidenschaften des zukünftigen Pontifex war der Fußball. Um die Ecke vom Haus seiner Eltern gab es einen kleinen Platz, auf dem er mit Bruder und Freunden nach der Schule kickte, mit einem aus Lumpen geschnürten Ball. Ein guter Spieler war er nicht: „Häufig stand ich im Tor.“
Beruf. Mit Oma und Mama ging der junge Jorge gerne auf die Straßenmärkte – wo ihn am meisten der Metzger beeindruckte: die weiße Schürze, das große Messer, das vorne in einer Tasche steckte, „das Schauspiel, wie der Mann mit präzisen, schnellen Schnitten das Fleisch zerteilte“. Zu verdienen schien dieser auch nicht schlecht, und so antwortete der künftige Papst auf die übliche Frage, was er später werden wolle, mit: „Metzger“.

Herz Jesu. Seine Eltern hatten eine Haushaltshilfe, Concetta, ursprünglich aus Sizilien, deren Mann im Zweiten Weltkrieg gefallen war und die nun mit großer Energie und vielen Opfern ihre beiden Kinder durchbrachte. Später, nach einem Umzug, verlor die Familie sie aus den Augen. 20 Jahre später, der spätere Franziskus wirkte in Córdoba, kam sie ihn besuchen. Doch der Vielbeschäftigte ließ ihr „mit einer Leichtfertigkeit, die ich mir lange nicht verziehen habe“, ausrichten, er sei nicht da. Aber: „Als mir klar wurde, was ich angerichtet hatte, habe ich geweint.“ Er betete jahrelang, dass er sie wiederfinden möge, und Jahre später, er war schon Kardinal, geschah das auch, aus reinem Zufall. Sie telefonierten und hielten Kontakt, erzählt er; wenige Tage vor ihrem Tod schenkte sie ihm ein Herz-Jesu-Medaillon, das er jeden Tag unter der Soutane trägt. Gestorben sei Concetta mit 92 mit einem Lächeln auf den Lippen, „würdig eines Menschen, der sein Leben lang gearbeitet hat“.
Ein Schweizergardist versorgt ihn mit Fußballergebnissen
Melancholie. Seit seiner Jugend hat Franziskus Anflüge einer Wehmut, die er nicht recht erklären kann: „Sie hat mich mein Leben lang begleitet, diese Melancholie. Nicht dauernd, aber sie ist ein Teil meiner Seele, ein Gefühl, das zu erkennen ich gelernt habe.“

Trost. Franziskus sagt selbst, dass Streit ihn sehr verstört. Als Junge weinte er oft, wenn es Zwist in der Familie gab, heimlich. Eines Tages stritten seine Eltern sich, was nicht oft vorkam. Die Mutter lief aus dem Haus, „vermutlich zum Einkaufen, aber ich war fest davon überzeugt, dass sie uns verlassen hatte“. Und: „Ich war untröstlich.“ Eine zwanzigjährige Nachbarstochter beschwichtigte ihn.
„Tatsache ist, dass ich aus dem Beichtstuhl heraustrat und nicht mehr derselbe Mensch war wie vorher.“
Erotik. Einer frühen Liebe, einer gewissen Amalia Damonte, die in die gleiche Klasse ging wie er, schrieb er als Junge einen Brief, dass er sie unbedingt heiraten wollte: „Dich oder keine!“ Später, während Franziskus im Priesterseminar war, gab es eine Phase, in der er „in Gedanken dem intellektuellen Licht und der Schönheit eines Mädchens nachhing, das ich bei der Hochzeit eines meiner Onkel kennengelernt hatte“. Eine Zeit lang sei sein „Kopf so ein wenig verdreht“ gewesen; er „konnte nicht mal beten, ohne ihr Bild vor Augen zu haben“.
Berufung. Franziskus datiert seine erste Herzensregung fürs Priesteramt auf den 21. September 1953, da war er 16. Auf einem Botengang musste er an der Kirche vorbei, in die seine Familie ging, „und da hatte ich plötzlich das Gefühl, jemand habe mich gerufen“. Im Gebäude fand er einen ihm unbekannten Priester vor, der seinen drängenden Wunsch zu beichten erfüllte. „Tatsache ist, dass ich aus dem Beichtstuhl heraustrat und nicht mehr derselbe Mensch war wie vorher. Und plötzlich wusste ich, dass ich Priester werden würde.“
Konklave. Dass Geistliche sich sträuben, zum Bischof oder in noch höhere Ämter gewählt zu werden, ist ein Topos, der schon aus den Heiligenviten des Mittelalters bekannt ist. Auch Franziskus betont, mit seiner Papstwahl nicht gerechnet zu haben; das Rückflugticket nach Buenos Aires habe er schon in der Tasche gehabt. Und sein Papstname? – Eine Eingebung des Augenblicks. Als klar wurde, dass er die Mehrheit erreicht hatte, umarmte ihn ein Kardinalskollege und sagte: „Vergiss die Armen nicht!“ Der Satz habe ihn „ins Mark“ getroffen, „und in diesem Moment kam mir der Name ‚Franziskus‘ in den Sinn“.
Vorkehrungen. Die Zeremonie für seine Beerdigung hat er – „ich habe dazu eine recht pragmatische Einstellung“ – schon stark vereinfacht: „Man hat mir versichert, dass alles vorbereitet ist“, schreibt er. Und schließt das Kapitel: „Auch wenn ich sie schon unendlich oft erfahren habe, habe ich den Herrn doch ein weiteres Mal um seine Gnade gebeten: Es geschehe, wann immer Du willst. Aber Du weißt ja, dass ich einigermaßen zimperlich bin, was körperliche Schmerzen angeht. Also bitte, mach, dass es nicht allzu wehtut.“