Landgericht Hamburg verurteilt Redakteur wegen wörtlichen Zitaten | ABC-Z

Für zwei zitierte Sätze aus einem zehnseitigen Beschluss gibt es 2600 Euro Strafe: Ein Redakteur von „T-Online“ wurde nun auch in zweiter Instanz vom Landgericht Hamburg verurteilt (Az. 705 NBs 116/24). Grund ist eine umstrittene Norm des Strafgesetzbuches. Nach Paragraph 353d wird bestraft, wer amtliche Dokumente eines Strafverfahrens im Wortlaut öffentlich mitteilt, bevor sie in öffentlicher Verhandlung erörtert worden sind oder das Verfahren abgeschlossen ist. Das gilt auch, wenn nur auszugsweise Wesentliches zitiert wird. Solche Mitteilungen können eine Geldstrafe oder eine Gefängnisstrafe bis zu einem Jahr Haft auslösen.
Beschluss war noch nicht veröffentlicht
Im Dezember 2023 hatte der Investigativjournalist einen Beitrag zu möglichen Ermittlungen gegen ein Mitglied eines Waffen-Prüfungsausschusses veröffentlicht. Als seine Quellen gab er den unveröffentlichten Beschluss des Landgerichts und eigene Recherchen an. Der Gerichtsbeschluss stammte vom Dezember 2023, das Verfahren endete im Februar 2024 durch Einstellung. Erst von diesem Zeitpunkt an wäre das wörtliche Zitieren des Beschlusses straffrei gewesen.
Der Journalist war im Verfahren geständig. Er äußerte sich auch zu seinem Motiv: Es sei ihm wichtig gewesen, einer möglichen Vorverurteilung der betroffenen Person etwas entgegenzusetzen. Der Journalist räumte ein, keinerlei Kontakt mit der Pressestelle der Generalstaatsanwaltschaft aufgenommen zu haben. Das war seiner Meinung nach nicht nötig, da er habe berichten wollen. Er verwies auf die Wichtigkeit des wörtlichen Zitats für seine journalistische Arbeit. Nach Ansicht des Gericht vermochte er jedoch nicht zu erklären, warum in dem Artikel ein wörtliches Zitat notwendig gewesen sei oder welcher Informationsgewinn aus diesem erwuchs.
Eingriff in die Pressefreiheit nur gering?
Zur Verbotsnorm des Paragraphen 353d Strafgesetzbuch betont das Bundesverfassungsgericht, dass sie der Unschuldsvermutung, dem Persönlichkeitsrecht und dem Schutz der Unbefangenheit der Verfahrensbeteiligten, vor allem der Laienrichter und Zeugen, diene. Der Eingriff in die Pressefreiheit sei gering, da nur eine wörtliche Wiedergabe verboten sei. In der Tat sind Umschreibungen und Interpretationen der Dokumente erlaubt. Zuletzt hatten der Journalist Arne Semsrott und die Gesellschaft für Freiheitsrechte argumentiert, der Straftatbestand verstoße gegen das Grundgesetz.
Bei der nun bestätigten Strafhöhe von 40 Tagessätzen zu 65 Euro gegen den T-Online-Redakteur berücksichtigte das Gericht verschiedene Aspekte. Für den Journalisten sprach, dass er geständig und nicht vorbestraft war. Zudem habe sich die Gefahr, welcher die Norm begegnen will, nicht materialisiert, da das Verfahren seitens der Staatsanwaltschaft eingestellt wurde. Das Gericht berücksichtigte zugunsten des Journalisten auch, dass er ein generell legitimes Interesse verfolgte, nämlich die Justiz und die Arbeit von Behörden zu kritisieren. Schließlich stand die Berichterstattung im Kontext einer Amoktat vom 9. März 2023, ein Ereignis von hohem öffentlichen Interesse. Das Gericht berücksichtigte auch, dass der Artikel im Interesse des Betroffenen war und dessen Unschuldsvermutung untermauerte. Einschränkend sei jedoch zu sehen, dass die Berichterstattung eher einseitig war und der Staatsanwaltschaft keine Möglichkeit gegeben wurde, Stellung zu nehmen.
Das Gericht erwartet zudem, dass der Journalist erneut gegen die Strafnorm verstoßen könnte. „Zwar ließ sich der Angeklagte geständig ein, jedoch zeigte er kein Unrechtsbewusstsein, sondern sah sich durch seine Tätigkeit als Investigativjournalist befugt, gegen das Verbot der wörtlichen Wiedergabe aus öffentlichen Dokumenten zu verstoßen“, heißt es im Urteil. Das Urteil stammt zwar vom Februar 2025, wurde aber erst jetzt veröffentlicht und ist von der Rechtsprechungsdatenbank openjur frei zugänglich dokumentiert.
Bewertend lässt sich feststellen, dass die Verurteilung beunruhigend ist. Die beiden wörtlich zitierten Teilsätze erscheinen bei einem am Schutzgut orientierten Verständnis der Norm nicht als „wesentliche Teile“ des Dokuments. Wenn die Norm die Laienrichter schützen will, dann können „wesentliche Teile“ nur solche sein, die geeignet sind, sachfremd zu beeinflussen. Wenn der Journalist ein Zitat wählt, das nichts anderes enthält, als was auch die umschreibende Inhaltsangabe des Dokuments enthalten würde, ist der Umstand, dass es sich um eine Wiedergabe im Wortlaut handelt, nicht wesentlich. Es sollte daran nicht der Vorwurf kriminellen Unrechts geknüpft werden.





















