Geopolitik

Tag der Befreiung: Sie stehen längst auf der anderen Seite | ABC-Z

In der kleinen sächsischen Stadt Torgau trafen im April 1945 sowjetische und amerikanische Truppen aufeinander, aber ganz friedlich. Damals, vor 80 Jahren, reichten sich amerikanische und sowjetische Soldaten auf den Ruinen einer Elbbrücke die Hände, um Deutschland und Europa vom Nationalsozialismus zu befreien. Seither hat sich die Geschichte auf bizarr-bedrohliche Weise gedreht. Heute kollaborieren Amerikaner und Russen, um in Europa die Rechtsextremisten an die Macht zu bringen. 

Der autoritär-nationalistischen Regierung in Washington, D. C. und dem zunehmend totalitären Regime in Moskau reicht es nicht, ihre eigenen Länder politisch gleichzuschalten. Donald Trump führt (noch?) keinen Eroberungskrieg wie Wladimir Putin. Aber ein Isolationist ist er bestimmt nicht. Trump und Putin teilen ein imperiales Sendungsbewusstsein. Sie fördern weltweit Typen ihrer Art, sie wollen befreundete Regime in Europa an der Macht sehen, sie wollen, dass ihre Baukastenideologie aus Nationalismus, Konservatismus und Cäsarenwahn mehr Anhänger findet. Und dafür tun sie viel, vor allem in Europa. Für die Existenz und den Frieden in der EU ist das eine wachsende Gefahr. 

Wladimir Putins schon jahrelang erprobte Taktik ist es, sich in der EU Brückenköpfe für Moskauer Einflussoperationen zu schaffen. Viktor Orbán, der ungarische Premier, ist Putins engster Verbündeter, der versucht, ihn in der EU hoffähig zu machen. Nebenan in der Slowakei macht es Premier Robert Fico ähnlich, er kopiert Putins Agentengesetze und will am 9. Mai zum Siegestag nach Moskau reisen. Putin fördert sie und viele andere Rechtspopulisten und Extremisten in der EU. 

Diese Methode imitiert nun die US-Regierung, die in Orbán und rechtsextremen Parteien in der EU ihre Verbündeten findet. Auch nebenan in Großbritannien. Dort dient Nigel Farage als Brückenkopf der Amerikaner. In den USA fördern die national conservatives und mittlerweile auch der Conservative Political Action Congress rechtsextreme Netzwerke und veranstalten Kongresse, zu denen sie europäische Rechtsausleger einladen. Der amerikanische Vizepräsident JD Vance ist eine der führenden Figuren dieser Bewegung, verstärkt durch rechtsextremistische Medien und Talker wie Tucker Carlson. Diese Einflussagenten und Medien vernetzen sich mit russischen Rechtsextremisten wie Alexander Dugin, übrigens ein sehr gern gesehener Talkshowgast in den USA. Russen und Amerikaner arbeiten zusammen, um ihre Ideologien und Interessen in der EU durchzusetzen.

Ein idealer Kampfplatz war die manipulierte rumänische Präsidentschaftswahl, in der 2024 ein bis dato unbekannter rechtsextremer Kandidat in der ersten Runde siegte. Mittlerweile ist es nachgewiesen, dass er seine Kampagne auf Zehntausende gefälschte TikTok-Accounts mit Millionen Schein-Likes, auf obskure ausländische Geldgeber und prorussische Netzwerke stützte. Als die Wahl annulliert wurde, regten sich die mutmaßlichen Unterstützer in Russland mächtig auf. Ihren treuen Alliierten fanden sie in JD Vance, der nicht die Manipulation, sondern die Annullierung der von außen manipulierten rumänischen Wahl mehrfach scharf angriff. Das darf niemanden wundern, denn die Methode des russisch-amerikanischen Wunschkandidaten hatte diesmal keinen Erfolg. 

Le Pen als Aufreger

Derlei Präferenzen gibt es auch in Deutschland. Russische Dienste griffen umfassend in den Wahlkampf ein durch Kampagnen in den sozialen Medien, nachgemachte Piraten-Webseiten angesehener deutscher Medien, Ostalgiekampagnen, Einschüchterung und Drohungen – zugunsten von AfD und BSW. Die Amerikaner traten ganz ohne digitales Versteckspiel auf. Der amerikanische Vizepräsident JD Vance setzte sich ungeniert offen für die AfD ein, die US-Regierung trat auf AfD-Parteitagen auf. Der Trump-Vertraute Elon Musk rief die Deutschen zur Wahl der AfD auf, befeuerte deren Kampagne auf seinem Netzwerk X. Dort heizte Musk auch die Stimmung in Deutschland während der Terrorattacken vor der Bundestagswahl an, eine im Rückblick bemerkenswerte Serie von “Wahlkampf-Anschlägen”, die nach der Wahl prompt endete. Sowohl das Trump-Lager wie Putins Medien ziehen seit Jahren über die Deutschen her, die “unkontrolliert Flüchtlinge ins Land” lassen würden. 

Der jüngste gemeinsame Aufreger von Russen und Amerikanern war die Verurteilung der französischen Rechtsnationalistin Marine Le Pen wegen Millionenbetrugs und der Scheinbeschäftigung von Mitarbeitern im EU-Parlament. Le Pen wurde zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung in Form einer elektronischen Fußfessel und zu einer Geldstrafe verurteilt. Außerdem darf sie sich fünf Jahre lang nicht wählen lassen. Ein Berufungsverfahren läuft. Die russischen Medien und Putins Sprecher hetzen seither gegen das französische Justizsystem, das unliebsame Gegner liquidieren würde. In den USA schimpfte Donald Trump über die “Hexenjagd”, rief “Free Le Pen!”, als säße sie in Haft, und behauptete, die europäische “Linke zensiert politische Gegner und wirft sie ins Gefängnis”. Hier spricht ein US-Präsident wie die russischen Medien. 

Besser keine Illusionen

Längst teilen die amerikanische und die russische Regierung ihren Hass auf Europa und seine Institutionen. Donald Trump behauptet, die EU sei gegründet worden, um “die USA über den Tisch zu ziehen”, ebendas sei “der Zweck der EU”. Durch ein Leck im sogenannten Signal-Gate wurde bekannt, wie groß der Hass in der US-Regierung auf Europa ist. Auch da ist man sich mit Moskau ganz einig. In Russland läuft seit langer Zeit eine Hasskampagne gegen die EU und alles Europäische schlechthin, die im Staats-TV regelmäßig in nuklearen Vernichtungsfantasien von London, Paris und Berlin eskaliert. “Besser, die Europäische Union würde sterben wie einst die Sowjetunion”, sagte der Putin-Vertraute und orthodoxe Influencer Konstantin Malofejew ganz offen vor Kurzem der ZEIT

Es ist besser, sich keine Illusionen darüber zu machen, wie die Herrschenden in Russland und in den USA über die europäische Freiheit und den europäischen Lebensstil denken. Wenn wir in diesen Tagen in Torgau und anderswo in Europa der Befreiung vom Faschismus gedenken, sollten alle Europäer wissen, wer im Kampf gegen solche und ähnliche Ideologien noch ein Verbündeter ist und wer längst auf der anderen Seite steht. 

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