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Tinnitus: Rauschen im Ohr – Ursachen, Symptome und Behandlung | ABC-Z

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Tinnitus und Schwindel: Wenn der Nacken zum Störenfried wird (7 Min)

Stand: 08.10.2025 16:44 Uhr
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Tinnitus betrifft viele Menschen und kann sie stark belasten. Bei chronischem Tinnitus ist eine vollständige Heilung zwar selten, doch mit den richtigen Therapien lässt sich der Leidensdruck deutlich verringern.

von Tina Roth

Vorübergehende und nur kurzzeitig anhaltende Ohrgeräusche kennt und erlebt fast jeder Mensch einmal – etwa nach einem zu lauten Konzert. Von einem Tinnitus spricht man jedoch erst dann, wenn Ohrgeräusche länger anhalten. Bestehen sie länger als drei Monate, spricht man von einem chronischen Tinnitus.

Unterschieden wird grob zwischen zwei Formen: Der objektive Tinnitus ist sehr selten. Es werden dabei tatsächliche körpereigene Geräusche wahrgenommen, wie etwa das Pulsieren des Gefäßsystems oder Muskelzuckungen. Wesentlich häufiger ist der subjektive Tinnitus, dem keine äußere oder innere Geräuschquelle für den wahrgenommenen Ton zugrunde liegt.

Symptome: Wie erkennt man Tinnitus?

Manche Betroffene beschreiben “ihren” Ton als Pfeifen, andere als Zischen, Brummen, Rauschen oder Ohrensausen. Die wahrgenommenen Geräusche können dabei auf einem Ohr, auf beiden Ohren oder diffuser “im Kopf” lokalisiert werden. Auch in der Lautstärke schwanken sie, häufig in Abhängigkeit von vorhandenen Umgebungsgeräuschen: In ruhiger Umgebung werden die Beschwerden meist intensiver wahrgenommen. Bei einigen Menschen lässt sich das Ohrgeräusch durch Kieferbewegungen oder bestimmte Haltungen der Halswirbelsäule beeinflussen.

Viele Betroffene berichten zusätzlich von Begleitsymptomen wie Schlafstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten, innerer Unruhe oder Stimmungsschwankungen. Nicht selten führt ein Tinnitus zu Stress, Angst oder depressiven Verstimmungen. Manche Patienten entwickeln eine gesteigerte Geräuschempfindlichkeit, die Fachleute als Hyperakusis bezeichnen.

Diagnose: Wie wird ein Tinnitus abgeklärt?

Die Diagnose beginnt mit einer ausführlichen Anamnese. Ärztinnen und Ärzte fragen nach Dauer und Veränderung der Ohrgeräusche sowie nach möglichen Auslösern wie Lärm, Stress oder Medikamenteneinnahme. Begleitbeschwerden wie Schwindel, Hörverlust oder Schmerzen im Kiefer- und Nackenbereich werden ebenso erfasst wie die seelische Belastung. Um die Beeinträchtigung zu messen, kommen standardisierte Fragebögen zum Einsatz.

Es folgt eine körperliche Untersuchung. Dazu zählen die Spiegelung von Gehörgang und Trommelfell, Hör- und Sprachtests sowie spezielle Messungen, die die Funktion des Innenohrs und der Hörbahn überprüfen. Ergänzend wird die Lautstärke und Frequenz des Tinnitus bestimmt.

Je nach Befund können weitere Untersuchungen notwendig sein, etwa Gleichgewichtstests oder eine genaue Überprüfung der Halswirbelsäule und der Kieferfunktion. Gerade bei einseitigem oder pulsierendem Tinnitus ist eine erweiterte Abklärung besonders wichtig. Ein pulssynchroner Tinnitus ist ein möglicher Hinweis auf eine vaskuläre Erkrankung. In seltenen Fällen wird bei Verdacht auf Veränderungen im Innenohr oder Gehirn eine Magnetresonanztomografie durchgeführt.

Ursachen: Wie entsteht Tinnitus?

Tinnitus ist keine eigenständige Krankheit, sondern ein Symptom mit vielen verschiedenen Ursachen. Häufig steht er in Zusammenhang mit Hörstörungen, etwa nach Lärmbelastung oder durch altersbedingten Hörverlust. Schäden an den Haarzellen im Innenohr können dazu führen, dass das Gehirn fehlende akustische Informationen durch eigene Signale ersetzt, die dann als Tinnitus wahrgenommen werden.

Daneben können Stress, psychische Belastungen und Schlafstörungen die Wahrnehmung eines Tinnitus verstärken oder auslösen. Auch Durchblutungsstörungen, Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, bestimmte Medikamente oder seltene Gefäßveränderungen kommen als Ursache infrage.

Besondere Aufmerksamkeit gilt Funktionsstörungen im Bereich des Kiefers und der Halswirbelsäule. Studien zeigen, dass Muskeln und Nerven in diesen Regionen direkten Einfluss auf das Hörsystem nehmen können. Beschwerden im Kiefergelenk oder muskuläre Verspannungen im Nacken können das Ohrgeräusch verändern oder sogar auslösen. In klinischen Studien konnte gezeigt werden, dass gezielte manuelle Therapie, physiotherapeutische Übungen und in manchen Fällen auch zahnärztliche Maßnahmen wie Schienenanpassungen zur Linderung beitragen können. Dieser sogenannte somatosensorische Tinnitus verdeutlicht, wie wichtig eine interdisziplinäre Zusammenarbeit von HNO-Ärztinnen, Zahnärzten und Physiotherapeutinnen ist.

Behandlung: Was hilft wirklich?

Die aktuelle S3-Leitlinie zum chronischen Tinnitus betont, dass es in der Regel nicht darum geht, das Ohrgeräusch vollständig zum Verschwinden zu bringen. Vielmehr steht die Reduktion des Leidensdrucks im Mittelpunkt. Ziel der Behandlung ist, den Tinnitus so weit in den Hintergrund der Wahrnehmung treten zu lassen, dass er im Alltag nicht mehr als belastend empfunden wird.

Eine der wirksamsten Methoden ist darum eine kognitive Verhaltenstherapie. Sie hilft, die Bewertung und den Umgang mit dem Ohrgeräusch zu verändern, sodass er als weniger störend empfunden wird. Auch psychoedukative Gespräche, in denen Betroffene umfassend aufgeklärt und begleitet werden, sind wichtiger Baustein einer Tinnitus-Therapie. Ergänzend können Entspannungstechniken, Achtsamkeitstraining und Stressmanagement sinnvoll sein.

Wenn zusätzlich eine Hörstörung vorliegt, können Hörgeräte oder gegebenenfalls ein Cochlea-Implantat den Tinnitus lindern, da die fehlenden akustischen Reize ausgeglichen werden. Bei nachgewiesenen Funktionsstörungen im Kiefer- und Nackenbereich empfiehlt sich eine physiotherapeutische Behandlung, die gezielt an den muskulären Ursachen ansetzt.

Viele Therapieansätze: Wissenschaftliche Wirkung nicht belegt

Viele der teilweise angebotenen Therapieverfahren werden in den Leitlinien nicht empfohlen. Dies betrifft insbesondere Verfahren wie die sogenannte transkranielle Magnetstimulation, die bestimmte Hirnregionen stimulieren oder durch direkte Stromeinwirkungen die Hörrinde beeinflussen soll. Auch für die Wirkung sogenannter Geräusch- oder Soundtherapien, die über Klänge und Verwendung bestimmter Töne den Tinnitus auslöschen oder vermindern sollen, gibt es keinen gesicherten Wirksamkeitsnachweis. Akupunktur oder Elektroakupunktur haben ebenfalls keine nachgewiesene Wirksamkeit bei Tinnitus, können jedoch Schmerz- und Verspannungsreaktionen lindern.

Bisher gibt es keine Medikamente, die einen chronischen Tinnitus verringern oder gar beenden können. Studien zeigen, dass Medikamente nicht besser wirken als eine Placebo-Behandlung. Dies gilt zum Beispiel für Präparate mit Ginkgo Biloba und Betahistin. Eine Behandlung mit Kortison wird nur in der Akutphase empfohlen, nicht aber bei chronischem Tinnitus. Wenn dagegen andere Erkrankungen zu einem Tinnitus führen, kann deren medikamentöse Behandlung indirekt auch zu einer Verbesserung der Tinnitus-Symptomatik führen. Bei Depressionen und Angsterkrankungen haben bestimmte Psychopharmaka eine belegte Wirkung. Die durch die Medikation verminderte Stressbelastung führt dann oft in der Folge zu einer Verringerung der wahrgenommenen Hörgeräusche.

Risiken: Wann wird ein Tinnitus gefährlich?

In den meisten Fällen ist ein Tinnitus zwar belastend, aber nicht gefährlich. Es gibt jedoch bestimmte Warnzeichen, die immer ärztlich abgeklärt werden sollten. Dazu gehören ein plötzlich auftretender Hörverlust, starker Schwindel, einseitige neurologische Ausfälle oder ein pulsierendes Ohrgeräusch, das mit dem Herzschlag synchronisiert ist. Auch eine rasche Verschlechterung des Tinnitus erfordert eine sofortige Abklärung.

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