Städtetag empfiehlt Anhebung der Bargeldobergrenze für Flüchtlinge | ABC-Z

Ingo von Seemen, der Kandidat der Linken für das Amt des Wiesbadener Oberbürgermeisters, hat einen Triumph gefeiert. Es sei eine „Klatsche für das Sozialministerium“, dass der hessische Städtetag empfehle, die Bargeldobergrenze für Flüchtlinge auf 150 Euro anzuheben, sagte er am Dienstag. Seine Fraktion sah er „in ihrem bisherigen Vorgehen innerhalb der Wiesbadener Regierungskooperation bestätigt“.
Im Februar hatte die Koalition aus SPD, Grünen, Linken und Volt im Sozialausschuss beschlossen, in der Stadt eine unbegrenzte Bargeldabhebung für Flüchtlinge zu ermöglichen und damit die von der Landesregierung angewiesene Obergrenze von 50 Euro im Monat zu ignorieren.
Die hessische Sozialministerin Heike Hofmann (SPD) reagierte rasch und entschieden. Die Stadt müsse sich an die Weisung der Landesregierung halten, teilte sie mit. „Für Alleingänge ist hier kein Platz.“ Die Voraussetzungen für ein Abweichen vom vorgesehenen verfügbaren Barbetrag von 50 Euro seien nicht gegeben. Schon gar nicht komme es in Frage, gänzlich auf eine Beschränkung zu verzichten. Gerade im Rhein-Main-Gebiet seien ausreichend Stellen vorhanden, an denen ohne Weiteres mit der Karte gezahlt werden könne. Daher bestehe kein Bedarf, den Bargeldbetrag pauschal anzuheben.
Sozialministerin Hofmann wird Erlass nicht korrigieren
Damit schien das Thema erledigt. Doch in der vergangenen Woche befasste sich im hessischen Städtetag der Ausschuss für Soziales und Integration noch einmal damit. Ein Schulausflug diente als Aufhänger der Debatte. Wenn er 80 Euro koste, seien die Eltern des Schülers nicht in der Lage, für den Betrag mit der Bezahlkarte aufzukommen.
In diesem Beispiel müssten sie bei der Kommune den Antrag stellen, dass eine Ausnahme gemacht werde. Weil so etwas immer wieder vorkomme, werde dies einen enormen bürokratischen Aufwand und damit erhöhte Personalkosten auslösen, so die Argumentation einiger Kommunalpolitiker.
Die Schlussfolgerung daraus war die „Empfehlung“ an das Land Hessen, die Obergrenze auf 150 Euro zu erhöhen. Der entsprechende Beschluss wurde allerdings nur mit einer knappen Mehrheit gefasst. Von elf Anwesenden stimmten sechs dafür und vier dagegen. Es gab eine Enthaltung.
Wie die Sprecher des Städtetages und des Ministeriums übereinstimmend berichten, fiel das Votum nicht nur knapp aus, es war auch von vornherein klar, dass es die Landesregierung nicht beeindrucken würde. Denn die in der Sitzung anwesende Vertreterin des Sozialministeriums ließ erkennen, dass die von den Kommunalpolitikern geäußerte Einschätzung zutraf, nach der die verantwortliche Ministerin ihren Erlass in der Sache sicher nicht ändern werde.
Wiesbadener OB-Kandidat von Seemen macht Wahlkampf mit Bezahlkarte
Vor diesem Hintergrund wurde die Forderung an das Land adressiert, dass es den Kommunen die ihnen durch die Bezahlkarte entstehenden Kosten ersetze. Der Sprecher der Sozialministerin bestätigte am Dienstag gegenüber der F.A.Z., dass Hofmann ihren einschlägigen Erlass nicht korrigieren werde.
Im Hinblick auf das ins Feld geführte Beispiel des Schulausflugs wies er darauf hin, dass solche Bedürfnisse in den Regelungen für die Bezahlkarte berücksichtigt seien und kein aufwendiges individuelles Genehmigungsverfahren erforderlich machten.
Im Übrigen bezweifelte er, dass eine Anhebung der Bargeldobergrenze auf 150 Euro den bürokratischen Aufwand vermindere. Denn auch dann kämen Überschreitungen vor, über die im Einzelfall entschieden werden müsse. Darum hätten Kommunen und Land verabredet, dass sie über die Personalkosten reden wollten, wenn die Kommunen genügend Erfahrungen mit dem System gesammelt hätten. Bislang wird die Bezahlkarte fast ausschließlich in der Gießener Erstaufnahmeeinrichtung ausgegeben. Die Kommunen beginnen gerade damit, sie einzuführen.
Nur der Wiesbadener OB-Kandidat von Seemen macht von der Karte jetzt schon Gebrauch – in seiner Wahlkampagne. Dabei täuscht der Eindruck einer Übereinstimmung mit dem Städtetag. Der Spitzenverband stört sich mehrheitlich an den vermeintlichen Personalkosten. Der Politiker der Linken hingegen lehnt die Bezahlkarte prinzipiell ab, weil er in ihr „ein Mittel der Kontrolle und Bevormundung“ sieht, mit dem Menschen diskriminiert würden.