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Wie wir uns verlieben – SZ.de | ABC-Z

Ist das schon Liebe auf den ersten Blick? Wenn sich zwei Menschen zum ersten Mal begegnen und merken: Da könnte etwas sein?

In den ersten Sekunden, in denen wir jemanden kennenlernen, bilden wir uns unterbewusst ein erstes Urteil über die Person, sagt die israelische Molekulargenetikerin Liat Yakir. Das passiert fast ausschließlich im limbischen System – dem Teil unseres Gehirns, das besonders für Emotionen und Triebverhalten verantwortlich sein soll. Es reagiert schneller als der präfrontale Kortex, dem das bewusste Denken zugeschrieben wird. Innerhalb weniger Sekunden verarbeitet es unzählige Informationen über die Person, die uns gegenübersteht.

Auch die Anthropologin Anna Machin sagt: „Liebe auf den ersten Blick gibt es nicht. Erste Anziehung ist unbewusst.“ Machin nennt das, was wir in diesem ersten Moment überprüfen, sehr nüchtern den „biologischen Marktwert“. Wir suchen nach Anzeichen, dass dieser Mensch mit uns kompatibel ist: welchen sozialen Status die Person haben könnte, wie vital sie ist, wie selbstbewusst und wie fruchtbar. Merkmale, die unser Unterbewusstsein als Hinweise auf Fruchtbarkeit einordnet, können etwa eine bestimmte Relation von Taille zu Hüfte sein bei Frauen, eine gewisse Körpergröße und eine tiefe Stimme bei Männern, erklärt Yakir. Studien zu Attraktivität stützen diese Annahme.

Gleichzeitig suchen wir – auch das unbewusst – nach Vertrautem, sagt Yakir. Erinnert dieser Mensch mich an einen Cousin, den ich mag, oder an eine gute Freundin? Alles soll darauf einzahlen, sich mit der richtigen Person fortzupflanzen, mit der man auch das Überleben der Nachkommen sichern kann. Man kann also sagen: Verlieben ist nicht nur, aber zunächst vor allem eine Fortpflanzungsstrategie. Das gilt auch für Menschen, die keine Kinder haben wollen oder auf natürlichem Wege mit ihrem Partner oder ihrer Partnerin keine bekommen können, etwa bei homosexuellen Paaren. Dabei seien, so Yakir, Frauen prinzipiell wählerischer als Männer. „Weil sie ja mehr investieren, sollte es zur Fortpflanzung kommen.“ Es gibt auch Studien, die nahelegen, dass Männer sich häufiger verlieben als Frauen.

Ist Verlieben also nur „reproduktive Programmierung“? Nein, sagt Yakir und weist darauf hin, dass emotionale Verbundenheit, Kompatibilität und individuelle Präferenzen eine Rolle spielen.

Der Biopsychologe Peter Walschburger von der Freien Universität Berlin weist darauf hin, dass auch unsere Lebensumstände beeinflussen, wie empfänglich wir für solche Signale sind. Oder wie er es ausdrückt: „Es gibt Phasen im Leben, in denen sind wir verliebt, aber wir wissen noch nicht, in wen.“

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