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Langzeitpraktikum: In der ersten Stunde Mathe, in der letzten Stunde Tagespflege | ABC-Z

Langzeitpraktikum

Erst Mathe, dann Tagespflege


Bild: rbb

Die Pflege benötigt dringend Fachkräfte – vor allem in einem der ältesten Landkreise bundesweit: Elbe-Elster. Eine Tagespflege in Finsterwalde setzt beim Nachwuchs nun auf langfristige Bindung. Das scheint zu funktionieren. Von I. Schilka und F. Ludwig

An dem langen Tisch im Gemeinschaftsraum ist kein Platz mehr frei. Auf der einen Seite wird gerade Mensch-ärgere-dich-nicht gespielt – auf der anderen Seite liegen neben dem bunten Krepppapier Scheren, Kleber und Stifte. Passend zum Frühlingsbeginn werden heute Blumen gebastelt. Und mittendrin sitzt Esra Schneider.

Eigentlich besucht sie die 10. Klasse der Oscar-Kjellberg-Oberschule in Finsterwalde (Elbe-Elster). Zwei Mal pro Woche geht es für die Schülerin aber ein paar Straßen weiter zur Tagespflege “Am Schloss”.

Für jeweils eine Stunde geht Esra dann mit den Senioren, die dort ihren Tag verbringen, spazieren, ließt ihnen vor und hilft auch bei Toilettengängen. “Das macht mir sehr viel Spaß”, erzählt die 17-Jährige, die mittlerweile seit zwei Jahren in der Tagespflege mithilft.

Ezra Schneider, Schülerin der Oscar-Kjellberg-Oberschule in Finsterwalde. (Quelle: rbb)
Esra Schneider | Bild: rbb

“Ich habe keine Berührungsängste”

Esra kommt regelmäßig in die Tagespflege, weil ihre Schule hier ein festes Praktikum anbietet. Auch eine Förderschule und ein Oberstufenzentrum nutzen diese Möglichkeit. Sie alle wollen den Schülern berufliche Perspektiven aufzuzeigen. “Die sind dann erstaunt, dass es in der Tagespflege körperlich anstrengend werden kann”, so die Pflegedienstleiterin Kathrin Jannaschk. “Dass es auch eine psychische Belastung ist.”

Jannaschk arbeitet seit 35 Jahren in der Tagespflege. Auch ihre Tochter wollte den Beruf der Pflegefachkraft lernen. In der Ausbildung habe sie aber schnell gemerkt, dass ihr die körperliche Nähe im Beruf nicht so gut liegt – und ihre Ausbildung abgebrochen. So etwas könne durch das feste Praktikum vermieden werden, sagt die Pflegedienstleiterin.

Mit der körperlichen Nähe kann Esra gut umgehen. “Ich habe generell keine Berührungsängste, auch im Privaten”, versichert sie mit einem Grinsen. Und auch die Gespräche mit den Gästen der Tagespflege empfindet die 17-Jährige als eine Bereicherung.

“Die Geschichten und Erfahrungen der älteren Menschen zu hören, ist schon sehr spannend”, sagt die Schülerin. Viele könnten noch aus der Nachkriegszeit erzählen oder Erfahrungen ihrer Eltern aus dem Zweiten Weltkrieg weitergeben. Das helfe Esra auch, die heutige Zeit besser einzuordnen.

Pflegenachwuchs besonders in Elbe-Elster gebraucht

Nachwuchs wie Esra wird in der Pflege dringend benötigt. Laut Gesundheitsministerium fehlen bis 2030 knapp 10.000 Pflegekräfte im Land. Das liegt vor allem am demographischen Wandel. Und davon ist der Elbe-Elster-Kreis besonders betroffen. 2023 zählte der Landkreis zu denen mit der ältesten Bevölkerung in Deutschland, durchschnittlich 49,9 Jahre alt sind die Menschen dort. Bundesweit liegt der Schnitt bei 44,6 Jahren.

In der Finsterwalder Tagespflege herrscht zwar gerade kein akuter Personalmangel. Doch bei der angebundenen stationären Pflege sind immer Stellen offen, sagt Pflegedienstleiterin Kathrin Jannaschk. Sie hofft auf Entlastung durch begeisterte Praktikanten. Zwei von ihnen haben in den vergangenen Jahren tatsächlich eine Ausbildung im Haus begonnen. Wird Esra die nächste sein?

Noch ist sich die Schülerin nicht ganz sicher, wohin ihre Reise gehen soll. Fest steht, dass sie im Sommer ihren Abschluss machen wird. Nach dem Praktikum in der Tagespflege hat sie in jedem Fall eine Option mehr: “Ich könnte mir schon vorstellen in der Pflege zu arbeiten, auf jeden Fall”, bilanziert die 17-Jährige ihr zweijähriges Praktikum.

Mit Informationen von Phillipp Manske.

Sendung: Antenne Brandenburg, 09.04.2025, 16:40 Uhr


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