Ein Demenzerkrankter sollte immer ernst genommen werden – Fürstenfeldbruck | ABC-Z

An Demenz zu erkranken, „weg vom Geist“ zu sein, wie eine wörtliche und treffliche Übersetzung aus dem Lateinischen heißt, macht den Menschen Angst. Außerdem stellt der Umgang mit Erkrankten höchste Anforderungen an Mitmenschen und insbesondere an die nächsten Angehörigen. „Ein Hauptgrund dafür ist die Unsicherheit, wie mit an Demenz erkrankten Menschen umgegangen werden soll“, sagt Martin Proske. Der bekannte Humor- und Demenzberater sprach launig, interaktiv und mit vielen Beispielen aus der Praxis im Linsenmannsaal in Türkenfeld zum Thema „Demenz – verstehen, begreifen, integrieren“ und gab hilfreiche Tipps und Hinweise zum Umgang mit Erkrankten.
Eingeladen hatte die Nachbarschaftshilfe anlässlich ihrer Gründung vor zehn Jahren. „Mit so viel Zuspruch haben wir nicht gerechnet“, sagte Vorsitzende Gabriele Klöckler mit Blick auf das notwendige Stühleholen. Die Kosten übernahm laut Bürgermeister Emanuel Staffler aus dem gemeindlichen Fonds „Türkenfeld hilft & gestaltet“.
Wie Proske erläuterte, verläuft die Krankheit wellenartig in Schüben, sodass Angehörige oder das Pflegepersonal immer wieder ihr Verhalten und ihren Umgang entsprechend anpassen müssten. Ganz wesentlich dabei sei, Ruhe auszustrahlen, Gelassenheit und Einfühlungsvermögen zu zeigen, ganz egal wie verrückt einem das Verhalten des Gegenüber vorkommt. Widersprechen, Korrigieren oder gar Reglementieren sei unangebracht, weil beim Erkrankten dadurch der Eindruck entstehen könne, nicht ernst genommen zu werden „und das wäre fatal für die Beziehung“. Der Spruch: „Wie man in den Wald hineinruft, so hallt es wider“, gelte auch hier. Wenn sich Demente, egal in welcher Phase, nicht ernst genommen fühlen, werden sie traurig, ängstlich, depressiv, ziehen sich zurück, entfalten Wut und sogar Aggressionen“, weiß der Berater.
Vergesslichkeit sei noch kein Anzeichen, wenn aber Verunsicherung im Verhalten erkennbar werde, die sich in verrückt bis entrückt steigern könne, sollte man handeln und sich nicht scheuen, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Zunächst sollte aber geklärt werden, ob eine primäre Demenz vorliegt, die nicht umkehrbar ist, oder eine sekundäre, die zumindest teilweise heilbar ist. Dies könne durch ein Ausschlussverfahren festgestellt werden, bei dem mögliche Ursachen für die Erkrankung wie Folge einer Narkose, Sucht (Drogen, Tabletten, Alkohol). Depressionen, schlechtes Sehen und Hören oder Mangelernährung, falsche Medikation oder Erkrankungen abgeklopft werden. „Prüfen sie den Arzt, ob er eine Differentialdiagnose durchführen kann, alles anders bringt nichts“, riet Proske. Man müsse dem Patienten ja nicht sagen, dass er hinsichtlich Demenz untersucht wird, „schicken Sie ihn zum Totalcheck oder zum Gesundheits-TÜV“.
Das Kennen der Biografie erleichtert den Umgang
Proske hält „Selbstfürsorge“ für genauso wichtig wie die Sorge um den Erkrankten. Damit meint er unter anderem, dass die eigene Einstellung zur Krankheit und zum Erkrankten wesentlich und durch Wissensaneignung korrigierbar sei. Auf keinen Fall dürften Demente wie Kleinkinder betüdelt, gehätschelt und umsorgt werden. „Sie wollen ernst genommen werden, ihnen ist nämlich nicht bewusst, dass sie verwirrt sind und mit ihren Äußerungen und Handlungen ihre Mitmenschen an den Rand der Verzweiflung bringen“, so der Demenzberater.
Angehörige und Pfleger sollten die Biographie Dementer kennen und in Erfahrung bringen, was den Betroffenen in seinem Leben geprägt hat, wünscht sich Proske. Das erleichtere das Verständnis für das manchmal unverständliche Handeln Erkrankter. „Wenn ein Dementer sagt, das Bild hängt schief, warum widersprechen, es macht doch nichts , ihm beizupflichten, statt einen Streit zu entfachen oder ein Chaos zu provozieren, es legt sich sicher wieder“, riet der Referent beispielhaft, nachdem er eine entsprechende Filmsequenz von Loriot gezeigt hatte.