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Familien Porsche und Piëch: VW-Großaktionäre ringen um Generationswechsel | ABC-Z

Das Örtchen Gstaig nördlich von Salzburg ist der Inbegriff von oberösterreichischem Naturidyll. Ein paar gepflegte Höfe breiten sich um die Wallfahrtskirche der heiligen Maria vom Guten Rat aus. Ringsherum liegen Felder und mittendrin ein kleines, aber feines Restaurant. Der Gourmettempel gehört Hans Michel Piëch. Der schwerreiche Erbe aus der Porsche-Piëch-Dynastie ist in der Gegend beliebt, er leistet sich neben der Hauptbeteiligung an der Familienholding Porsche SE in Deutschland eine ganze Reihe privater Investments in ganz Österreich. Als kürzlich im Gstaig das Lokal schließen musste, war schnell eine Nachfolgelösung für den Pächter zur Hand. Ein junges, ambitioniertes Gastronomenpaar ist eingestiegen, und das Restaurant Forthuber serviert wieder die gewohnte Bandbreite, vom erschwinglichen Mittagstisch bis zum Sechs-Gänge-Menü am Abend auf dem Niveau prämierter Spitzenköche.

Bezahlbare Kost für jedermann und gleichzeitig Luxus – es wirkt beinahe wie eine Analogie zum größten Autokonzern Europas. Schließlich will auch Volkswagen mit seinen Marken das ganze Geschäft vom Kleinwagen bis zum Luxusboliden abdecken. Doch während es in Oberösterreich für Piëch geschmeidig zu laufen scheint, haben die Schwierigkeiten in den Automobilbeteiligungen der Familie eine ganz andere Dimension.

Seit Jahren wird über die Nachfolge spekuliert

Im VW-Konzern zieht sich die Nachfolgeregelung hin, und zwar in beiden Stämmen der Eigentümerfamilien Porsche und Piëch. Die Nachkommen des legendären Käfer-Konstrukteurs Ferdinand Porsche kontrollieren über ihre Holding Porsche SE die Mehrheit der Stimmrechte im Konzern. Außerdem halten sie eine direkte Sperrminorität an dessen börsennotierter Tochtergesellschaft, dem Stuttgarter Sportwagenhersteller Porsche.

Seit Jahren wird spekuliert, welche Nachfolger Hans Michel Piëch und sein Cousin Wolfgang Porsche als Vertreter ihrer Familienzweige benennen werden. Piëch ist 83 Jahre alt, Porsche nur ein Jahr jünger. Und im Stamm der Piëchs, das zeigen Recherchen der F.A.Z., stellt sich die Sache besonders kompliziert dar.

Sechs Kinder hat Hans Michel Piëch. Spätestens seit der turbulenten Zeit mit Beginn des Dieselskandals im Jahr 2015 stehen einige von ihnen intern unter Beobachtung. Ob sie die nötige Härte und Kompetenz mitbringen für die komplexen Aufsichtsposten im Beteiligungsgeflecht der Familie, daran gibt es Zweifel. Schon wird spekuliert, dass die Piëchs womöglich familienfremde Vertreter berufen werden. Es wäre eine Zäsur für die Dynastie, die mit ihrer Beteiligung erheblichen Einfluss auf den Autokonzern VW mit seinen 670.000 Mitarbeitern rund um die Welt ausübt.

Das Unternehmen ist in schwerstem Fahrwasser, auch deshalb ist die Frage relevant, wer zukünftig im Eignerkreis das Sagen hat. Am Freitag legt VW seine Zahlen für das abgelaufene Halbjahr vor.

F.A.Z.

Zu Zeiten eines Ferdinand Piëch wäre wohl vieles anders gelaufen. Der Enkel des Käfer-Konstrukteurs und langjährige VW-Patriarch hatte den Konzern mit eiserner Hand geführt. Kurz vor dem Dieselskandal zerstritt er sich dann mit dem Management. In einer großen, bitteren Generalabrechnung schlug er all seine Anteile an die Familie los – und beendete damit die Verbindung. Den größten Teil seines Aktienpakets übernahm sein jüngerer Bruder, Hans Michel Piëch. Dessen Bedeutung wuchs damit stark. Er gilt heute als die entscheidende Figur seines Familienzweigs und vertritt den Stamm der Piëchs als Sprecher.

Die Geschichte Ferdinand Piëchs endete dagegen tragisch. Er verstarb vor sechs Jahren überraschend, nachdem er in einem Gourmetrestaurant in Südbayern zusammengebrochen war. Seine zweite Frau Ursula, genannt „Uschi“, die eine Zeit lang im Aufsichtsrat des VW-Konzerns saß, spielt heute im Unternehmen keine Rolle mehr. Das Gleiche gilt für Ferdinand Piëchs 13 Kinder aus verschiedenen Ehen und Beziehungen. Auch der Einfluss anderer Nachkommen aus dem Familienzweig gilt als begrenzt.

Anders als Ferdinand hat Hans Michel Piëch nie die Öffentlichkeit gesucht. Es soll auch nur wenige Menschen geben, die zu dem scheuen Milliardär freundschaftlich „Michi“ sagen. Während sein älterer Bruder Ferdinand mit Gattin Uschi das Bad in der Menge suchte, sich rühmte, den Rekord im Feuern von Managern zu halten, und Samuraischwerter sammelte, meidet Hans Michel Piëch den Jetset. Nicht nur in den Regionen um Salzburg und den Stammsitz der Familie, Zell am See, wird er als charmant und großzügig beschrieben.

Für die Nachkommen scheint es nicht voranzugehen

Auch Stefan Piëch, der älteste Sohn von Hans Michel, ist äußerst höflich. Auch er verfügt über ein beträchtliches Vermögen, pflegt aber wie der Vater das Understatement. Der 54 Jahre alte Spross des Porsche-Piëch-Clans saß einige Zeit im Aufsichtsrat der Porsche SE. Aber seit seinem Rückzug zweifeln Beobachter, dass Stefan ernsthaft die Nachfolge seines Vaters als Sprecher des Familienzweigs antreten kann. Statt einer Karriere in der Autoindustrie hatte er sich für das Unterhaltungsgeschäft entschieden, seit zwei Jahrzehnten führt er die Münchner Your Family Entertainment AG – mit überschaubarem Erfolg. Das Unternehmen verfügt über eine Bibliothek mit 3500 Halbstundenfilmen wie Fix und Foxi, Urmel aus dem Eis oder Enid Blyton. Für viele Kinder sind das „Evergreens“, wie Stefan Piëch es ausdrückt. Aber in der Welt machtbewusster Autogranden, so heißt es, nehmen viele sein Engagement nicht richtig ernst.

Seine jüngere Schwester Julia wiederum war in den Wirren des Streits um Ferdinand Piëch kurz vor dem Dieselskandal in den VW-Aufsichtsrat aufgerückt. Ein kurzes Intermezzo: Noch im gleichen Jahr verließ sie das Gremium wieder. Heute sitzt sie für die Familie unter anderem in den Aufsichtsräten der Nutzfahrzeugholding Traton und deren Lastwagenmarke MAN. Dort sind auch weitere jüngere Familienmitglieder vertreten. Besonders bissige Manager sprechen gar von einer „Spielwiese“, auf der sich ganz offensichtlich die nächste Erbengeneration ausprobieren soll. Julia Kuhn-Piëch gilt als fachkundig. In Sitzungen trete sie immer gut vorbereitet auf, heißt es. Doch richtig vorwärts scheint es für sie nicht zu gehen. Auch der Weg der jüngsten Tochter von Hans Michel Piëch, Sophie Piëch, scheint noch ungewiss zu sein. Sie ist erst 31 Jahre alt und gerade erst in den Aufsichtsrat der Porsche SE eingezogen.

Der Porsche-Zweig scheint besser vorbereitet zu sein

Der Familienstamm der Porsches wirkt dagegen beinahe professionell aufgestellt. Ferdinand Oliver Porsche, 64 Jahre alt und Neffe von Wolfgang Porsche, sitzt seit Jahren in den Aufsichtsräten wichtiger Marken und Beteiligungen. In den Augen mancher Beobachter gleicht er damit fast schon dem britischen König Charles III., der als Thronfolger Jahrzehnte auf sein Amt warten musste. Wolfgang Porsche selbst hat seinem Neffen Ferdinand Oliver schon die volle Eignung bescheinigt. „Ihm würde ich diese Rolle voll und ganz zutrauen“, hatte der Patriarch vor ein paar Jahren gesagt. Auch andere Nachkommen seines Zweigs wie Peter Daniell Porsche könnten eine Rolle spielen, wobei Details offenbleiben. Zu Nachfolgeregelungen äußern sich weder die Piëchs noch die Porsches. Kein Kommentar, lautet die Antwort auf eine Anfrage der F.A.Z. bei der Holding Porsche SE. Es gebe keinen neuen Stand. Neue Nachfragen seien so unnötig wie unverständlich, heißt es etwas unwirsch im Umfeld der Familien.

Wolfgang Porsche hat schon deutlich gemacht, dass die aktuelle Amtszeit im Aufsichtsrat des VW-Konzerns seine letzte sein soll. Offiziell läuft sie bis zum Jahr 2028, die seines Cousins Hans Michel Piëch noch ein Jahr länger. Ob beide früher abtreten und, wenn ja, wann, ist ungewiss. Als wahrscheinlich gilt, dass sie sich gleichzeitig zurückziehen wollen. Auch deshalb dürfte die Nachfolgelösung der Piëchs sehr wichtig sein.

Trotz aller Unsicherheit liegt in den Schwierigkeiten eine Chance, zumindest aus Sicht des Kapitalmarkts. Der fordert schon lange, dass mehr externe Fachleute in die Aufsichtsräte der börsennotierten Beteiligungen des Clans einziehen. Und wie gut so etwas laufen kann, zeigt ein Beispiel aus der Historie. Anfang der Neunzigerjahre saß der Industriedesigner Ferdinand Alexander Porsche, ein weiterer Enkel des Käfer-Konstrukteurs Ferdinand Porsche, dem Aufsichtsrat des Sportwagenherstellers Porsche vor. Das Unternehmen stand damals am Abgrund, und die Familie beschloss, einen externen Vorsitzenden hereinzuholen. Es wurde eine Erfolgsgeschichte. Helmut Sihler, einst Chef des Konsumgüterkonzerns Henkel, behielt den Posten für mehr als ein Jahrzehnt. In seiner Amtszeit wurde Porsche saniert und zu neuen Rekorden angetrieben. Auch die Familie profitierte. Ihr Reichtum wuchs weiter an – und schuf neuen Spielraum für alles, was sich die weitverzweigte Sippe heute leistet, auch kleine Freuden wie das Gourmetrestaurant im Gstaig.

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