Ex-Chef der Commerzbank: Martin Blessing wird Investitionsbeauftragter von Friedrich Merz | ABC-Z

In Unternehmen heißen sie Chief Investment Officer. Ihre Aufgabe ist es, den Kontakt zu Investoren zu pflegen und so die Wachstumsaussichten des eigenen Unternehmens zu verbessern. Auf den englischen Titel wollte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) zwar nicht zurückgreifen, aber das Prinzip will Merz auch im Kanzleramt verankern: Ein „persönlicher Beauftragter des Bundeskanzlers für Investitionen in Deutschland“ soll künftig Unternehmen für das Investieren in Deutschland begeistern. Für das Amt hat Merz den früheren Commerzbank-Chef Martin Blessing engagiert.
„Nur Investitionen schaffen Arbeitsplätze“, sagte Merz am Montag im Kanzleramt. Blessing solle „Brücken bauen, Türen öffnen, Vertrauen in unseren Standort schaffen“. Blessing sagte: „Es gibt ganz viele Faktoren, die für Deutschland sprechen.“ Er werde eine große Investorenkonferenz machen und viel reisen. „Das Ziel für uns alle muss mehr Wachstum sein.“
Die Berufung des 62 Jahre alte Bankmanagers ist gewissermaßen die Fortsetzung der Initiative „Made for Germany“, innerhalb derer im Juli rund 50 Unternehmensvertreter aus dem Inland in Berlin mit Merz gemeinsam für den Standort Deutschland warben. Blessing wird ohne einen eigenen Mitarbeiterstab im Kanzleramt arbeiten, von einem „Ein-Euro-Job“ ist die Rede. Merz bezeichnete Blessing in der Pressekonferenz als „Ein-Euro-Mann“. Blessing soll vor allem auf die Strukturen der „Germany Trade and Invest“ (GTAI) zurückgreifen, der schon existierenden staatlichen Gesellschaft für Standortmarketing mit rund 400 Mitarbeitern. Er übernimmt deren Aufsichtsratsvorsitz.
Große Investorenkonferenz im Frühjahr 2026
Im Kanzleramt wird betont, dass der Schritt sowohl mit dem für die GTAI zuständigen Wirtschaftsministerium als auch dem Finanzministerium abgesprochen sei. Es ist aber offensichtlich, dass Merz die Initiativen für mehr Wirtschaftswachstum stärker in das Kanzleramt ziehen will. Das Vorbild für die geplante Investorenkonferenz – Zieldatum erstes Halbjahr 2026 – ist die Veranstaltung „Choose France“, die der französische Präsident Emmanuel Macron seit einigen Jahren erfolgreich abhält.
Klar ist: Blessings Aufgabe ist keine einfache. Hohe Steuern, hohe Lohnnebenkosten, hohe Energiepreise und viel Bürokratie – die vielen Standortnachteile sind hinlänglich bekannt. Frühere Bundesregierungen versuchten, sie mit hohen Subventionen zu kompensieren. Die zehn Milliarden Euro für die (inzwischen abgesagte) Intel-Fabrik in Magdeburg waren das prominenteste Beispiel.
Eigentlich wollte insbesondere die CDU die bisherige Subventionspraxis beenden. Ob Blessing ganz ohne die Zuschüsse als Lockmittel auskommt, darf bezweifelt werden. Der im Koalitionsvertrag vereinbarte Deutschlandfonds, mit dem der Bund wachstumsstarken Unternehmen zehn Milliarden Startkapital bereitstellen will, gehört nicht zum Aufgabengebiet von Blessing – allenfalls in der Form. dass er ausländische Investoren auf den Fonds hinweisen soll.
UBS und Danske Bank
Martin Blessing gilt als begnadeter Netzwerker. Schon mit Anfang 30 war er Partner der Unternehmensberatung McKinsey, in den Jahren 2000 und 2001 Vorstandsvorsitzender der Advance Bank, einer Direktbank im Allianz-Konzern. Im Alter von 38 Jahren wechselte er in den Vorstand der Commerzbank, wurde im Jahr 2009 dann deren Vorstandsvorsitzender, eine Rolle, die sich der Mann mit dem großen Selbstbewusstsein zutraute, die aber schwierig werden sollte.
Die globale Finanzkrise traf die Commerzbank hart. Unter Blessings Führung hatte die Bank im Jahr 2009 die Dresdner Bank erworben, eine Übernahme, die als strategisch notwendig, aber auch als äußerst herausfordernd galt. Um das Finanzinstitut zu stabilisieren, musste Blessing später staatliche Hilfen in Anspruch nehmen. Er musste umfangreiche Restrukturierungsmaßnahmen einleiten, darunter Stellenabbau und die Fokussierung auf das Kerngeschäft, um die Bank wieder profitabel zu machen. Auf späteren Hauptversammlungen musste er sich als „Kapitalvernichter“ beschimpfen lassen.
Im Jahr 2016 trat er von seinem Posten als Vorstandsvorsitzender zurück. Nach seinem Abschied von der Commerzbank wechselte Blessing zur Schweizer Großbank UBS, wo er als Co-Leiter des Wealth Managements tätig war. Dort blieb er aber nur drei Jahre. Fortan tauchte er immer wieder in Kontrollgremien wie bei der Danske Bank auf, oder auch in Beiräten wie dem des Zahlungsdienstleisters Unzer. Später gab er sich durchaus selbstkritisch, räumte ein, manche Risiken im Zuge der Dresdner-Bank-Übernahme unterschätzt zu haben.
Eine Schlüsselfigur in der Ernennung spielt Levin Holle, der wirtschaftspolitische Berater des Kanzlers. Holle war von 2012 bis 2020 im Finanzministerium tätig, als Blessing Commerzbankchef war. Die beiden kennen sich aus dieser Zeit. Rund 90 Prozent der Investitionen in Deutschland kommen nicht vom Staat, sondern aus der Privatwirtschaft. Diese liegen aktuell noch immer unter dem Niveau aus der Vor-Corona-Zeit. Seit 2021 hat sich der Umfang neuer ausländischer Direktinvestitionen in Deutschland mehr als halbiert.