Klimafreundlicher Umbau der Industrie: Schweden will den grünen Stahl | ABC-Z

Das Vorhaben „Grüner Stahl“ sei nicht risikofrei, aber notwendig, sagte dagegen SSAB-Vorstandschef Johnny Sjöström erst kürzlich. SSAB hatte 2016 zusammen mit dem staatlichen Grubenkonzern LKAB und dem ebenfalls staatlichen Energiekonzern Vattenfall das Projekt „Hybrit“ gestartet, um klimaschädliche Kohle aus der Stahlproduktion zu vertreiben.
Der Schlüssel dafür soll aus Nordschweden kommen: billiger Strom aus Wasser- und Windkraft. Auf den setzt SSAB nicht nur für klimafreundliches Recycling von Stahlschrott, sondern auch für die Herstellung von grünem Wasserstoff. Mit dessen Hilfe wiederum wird aus Eisenerz das Stahl-Vorprodukt Eisenschwamm gewonnen.
Nach der Pilotanlage, in der 2021 erstmals Eisenschwamm mit dieser Technik hergestellt wurde, bereitet SSAB am Standort Luleå den Bau eines neuen Stahlwerks für 4,5 Milliarden Euro vor. Allein durch die Umstellung der Stahlproduktion auf dieses Werk sollen die schwedischen CO2-Emissionen um sieben Prozent sinken.
3.000 Menschen arbeiten bei Stegra an grünem Stahl
Allerdings läuft es nicht ohne Hindernisse: der Produktionsstart wurde gerade erst um ein Jahr auf Ende 2029 verschoben. Der Grund: Vattenfall meldete Verzögerungen bei der nötigen Verstärkung des Stromübertragungsnetzes. SSAB will bis 2045 ganz fossilfrei sein, der erste grüne Stahl soll ab 2026 aus dem Werk in Oxelösund kommen. Kokerei und Hochöfen werden dafür ersetzt mit Techniken für die Stahlproduktion aus Stahlschrott und Eisenschwamm.
Green-Steel-Konkurrent Stegra hat keine alte Infrastruktur zum Umrüsten – er baut in Boden, nicht weit von Luleå, eine gigantische Anlage aus dem Nichts. Seit der Northvolt-Pleite steht Stegra allerdings unter Beobachtung: Gründer, Investoren und Finanzierungsmodell sind teilweise dieselben wie beim gescheiterten Batteriehersteller. Stegra-Chef Henrik Henriksson setzt nun betont auf Vernunft statt Großspurigkeit: Expansionspläne, unter anderem nach Portugal, Brasilien und Kanada, liegen erstmal auf Eis. Der Fokus liege nun einzig auf Boden.
Dort arbeiten derzeit 3.000 Menschen rund um die Uhr, ab Herbst sollen es 5.000 sein. Stegra baut alles an einem Ort, neben dem Stahlwerk eine riesige Elektrolyse-Anlage zur Herstellung von Wasserstoff. Im Herbst 2026 soll hier die industrielle Produktion losgehen. Auch in Boden wurde der Startzeitpunkt mehrfach verschoben.
75 Milliarden Kronen, rund 6,7 Milliarden Euro, hatte Stegra eingesammelt – unter anderem mit dem Verkauf noch nicht existierender Ware, wie es auch Northvolt getan hatte. Kunden sind unter anderem deutsche Autohersteller. An öffentlicher Förderung gab es für Stegra bisher 360 Millionen Euro von EU und Schweden.
In der ersten Phase will das Unternehmen 2,5 Tonnen Stahl pro Jahr produzieren. Zum Vergleich: Arcelormittal, weltweit Nummer 2 der Branche, produzierte im vergangenen Jahr 65 Millionen Tonnen Rohstahl.
Grünen Stahl rechnet sich nicht?
Ob der Strom vor Ort in Schweden reicht, um die Produktion in einer geplanten zweiten Phase zu verdoppeln, ist noch unklar. Selbst in Schwedens Norden bleibt der enorme Strombedarf des grünen Stahls eine zentrale Herausforderung.
Kritisch beäugt werden die Investitionen etwa vom wirtschaftsnahen schwedischen Forschungsinstitut IFN. Dort kamen Ökonomen zu dem Ergebnis, dass der in der Herstellung teurere grüne Stahl ökonomisch nicht tragfähig sein werde. Dessen langfristige Wirtschaftlichkeit setze unter anderem voraus, dass Strompreise niedrig bleiben und CO2-Preise hoch, was beides nicht gesichert sei.
Außerdem müsse Stahlgiganten weltweit scheitern bei ihren Versuchen, billigere Möglichkeiten zur Verminderung ihrer Emissionen zu entwickeln. Die Ökonomen warnen vor gigantischer Versenkung von Geldern in eine Technik ohne Zukunft.
Die schwedischen Pioniere winken ab. Man habe die Entwicklung der Technik weltweit im Blick, hieß es unter anderem. Und für das schwedische Eisenerz passe die Wasserstoff-Technik hervorragend.