Israel und Deutschland: Antisemitismusbeauftragter fordert Debatte über deutsche Staatsräson | ABC-Z

Die deutsche Staatsräson in Bezug auf Israel kann nach
Worten des Beauftragten der Bundesregierung gegen Antisemitismus “keine
Rechtfertigung für alles” sein. “Ich plädiere sehr dafür, ehrlicher
über den Begriff Staatsräson zu diskutieren, genauso wie über das Wort
Existenzrecht”, sagte Felix Klein im Interview der Frankfurter
Allgemeinen Sonntagszeitung. Beide Begriffe seien für das deutsche
Staatsverständnis und das Verhältnis zu Israel existenziell, aber sie seien
auch unscharf und erschwerten dadurch die Debatte.
“Wir müssen uns mit aller Kraft dafür einsetzen, die
Sicherheit Israels und der Juden weltweit zu bewahren. Aber wir müssen auch
klar sagen, dass das keine Rechtfertigung für alles ist”, sagte Klein.
“Die Palästinenser auszuhungern und die humanitäre Lage vorsätzlich
dramatisch zu verschlimmern, hat nichts mit der Sicherung des Existenzrechts
Israels zu tun. Und es kann auch nicht deutsche Staatsräson sein.”
“Genozidaler Hass” der Hamas
Zugleich betonte Klein, dass sich Israel gegen den
“genozidalen Hass” der Hamas verteidigen dürfe. “Die
Verhältnismäßigkeit darf dabei durchaus infrage gestellt werden. Trotzdem
müssen wir, nicht nur aus historischer Verantwortung, sondern auch aus reiner
Menschlichkeit, an Israels Seite stehen. Dazu gehört, ein mögliches
Fehlverhalten klar anzusprechen.”
Die humanitäre Situation im Gazastreifen sei
“katastrophal”, sagte der Beauftragte. “Ein Land, das ein Gebiet
besetzt, muss dafür sorgen, dass die Bevölkerung ausreichend ernährt wird, dass
Hilfsgüter durchkommen, dass medizinische Versorgung stattfinden kann. Es ist
inakzeptabel, dass Mitglieder der israelischen Regierung das infrage stellen.
Israel ist eine Demokratie und dem Völkerrecht verpflichtet. Daran darf und
muss auch Deutschland es erinnern.”
Bekämpfung von Hamas, nicht der Zivilbevölkerung
Das Vorgehen der israelischen Regierung dürfe hart
kritisiert werden und man dürfe fragen, ob es mit dem Völkerrecht vereinbar
sei, sagte Klein. “Das ist nicht antisemitisch. Aber der Begriff Genozid
ist höchst problematisch. Dafür müsste Israel nachgewiesen werden können, dass
die Palästinenser im Gazastreifen vorsätzlich aus ethnischen Gründen getötet
werden, also weil sie Palästinenser sind. Das ist nicht der Fall.”
Ziel der israelischen Armee sei die Bekämpfung von
Terroristen der Hamas, die die eigene Zivilbevölkerung als Schutzschilde
missbrauche. Hinzu komme das Bemühen um die Befreiung der israelischen Geiseln,
die die Hamas im Zuge des Überfalls auf Israel am 7. Oktober 2023 in den
Gazastreifen verschleppt hatte. “Von Genozid zu sprechen, ist
antisemitisch, weil es Israel als Ganzes dämonisiert und zur Entgrenzung führt:
Ein Land, das so etwas Schlimmes macht wie einen Genozid, darf man nach dieser
Logik auch bekämpfen. Und schon werden damit Angriffe auf Israel oder auf
jüdische Menschen weltweit gerechtfertigt. Das führt auf eine fatale Bahn und
muss daher verhindert werden.”
Gegenüber der Rheinischen Post forderte Klein, Aufrufe zur
Vernichtung von Staaten unter Strafe zu stellen. Zudem sei eine konsequente
Ahndung antisemitischer Straftaten unverzichtbar: “Das setzt voraus, dass
sowohl die Strafverfolgungsbehörden als auch die Gerichte antisemitische
Beweggründe und Motive als solche erkennen und diese im Rahmen der
Strafzumessung Beachtung finden”, sagte Klein.