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Havel-Wasser für den Groß Glienicker See: Rettung oder “Klientel-Politik”? | ABC-Z

Debatte um Wasserzufuhr

Havel-Wasser für den Groß Glienicker See: Rettung oder “Klientel-Politik”?


Mo 13.10.25 | 06:08 Uhr | Von Susanne Hakenjos

Bild: rbb/Susanne Hakenjos

Der Groß Glienicker See im Potsdamer Norden schrumpft dramatisch. Für eine Wasserzufuhr aus der nahen Havel macht sich eine Initiative stark – doch Kritiker fürchten Steuerverschwendung und zweifeln am Erfolg. Von Susanne Hakenjos

Hoch über dem Wasser schwebt die Steg-Anlage des Angelvereins am Glienicker See, daran befestigt ein alter Pegelmesser. Für Helmut Kleebank ein Ort, an dem der dramatische Wasserverlust der letzten 20 Jahre für jeden deutlich sichtbar wird: “Sie sehen hier, dass die Angler schon jetzt ihre Boote nur erreichen, indem sie Leitern an ihre Stege gebastelt haben und so fast zwei Meter herunterklettern müssen,” beschreibt er vor Ort die Situation.

Ein Stück weiter nördlich an der Badewiese endet ein Holzsteg der DLRG-Wasserwacht schon längst auf dem Trockenen. Auch die sandige Badestelle Am Anger auf der Groß Glienicker Seite zeigt: Der See ist geschrumpft.

Die Seenkette im Berliner Grunewald, mit Krummer Lanke und Schlachtensee, die existiert überhaupt nur noch deshalb.

Helmut Kleebank, “Task Force Glienicker See”

Rohrleitung soll Wasser aus der Havel überleiten

Für Kleebank und seine Mitstreiter der Initiative “Task Force Glienicker See” ist die Lösung klar: Eine Rohrleitung könnte Wasser aus der nahen Havel überleiten. Ausschließlich in den Wintermonaten, wenn die Havel Hochwasser führt, und so den See wieder auffüllen, erklärt Kleebank die Idee: “Es braucht eine Druckleitung aus der Havel in den Groß Glienicker See – und die Überleitung müsste mit einer Reinigungsstufe verbunden sein, die die Phosphate, die Nährstoffe, entfernt.”

Im Boden verlegt habe eine solche Rohrleitung einen Durchmesser von vielleicht 20 Zentimetern und eine Länge von einigen hundert bis tausend Metern, je nachdem von wo aus der nahen Havel das Wasser kommen würde. Die Initiative will in den zuständigen Behörden und bei den Wasserbetrieben darauf hinwirken, dass die Möglichkeiten frühzeitig geprüft würden.

Vorbild: Seenkette im Berliner Grunewald

Das Vorbild für das Vorhaben existiere bereits, betont Helmut Kleebank. Der SPD-Politiker ist Mitglied des Bundestages und war zehn Jahre lang Bezirksbürgermeister von Berlin-Spandau. Der 60-Jährige wohnt selbst im Ortsteil Kladow auf der Berliner Seite des einst geteilten Sees.

“Die Seenkette im Berliner Grunewald – mit Krummer Lanke und Schlachtensee, die existieren überhaupt nur noch deshalb, und die haben, seit es diese Überleitung mit Reinigungsstufe gibt, auch eine ausgezeichnete Wasserqualität.” Damit will Kleebank Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen, die darauf hinweisen, dass Havelwasser viel nährstoffreicher ist als das Wasser im klaren grundwassergespeisten Groß Glienicker See.

Ich sehe als Hauptmotiv, dass die ehemaligen Badestege, alle illegal, über 90 Stück, jetzt Terrassen sind.

Andreas Menzel, BVB/Freie Wähler

Steuermittelverschwendung?

Andreas Menzel, Stadtverordneter für BVB/Freie Wähler in Potsdam, warnt dennoch vor Steuermittelverschwendung und Klientelpolitik: Ökologische Gründe hält er für vorgeschoben. Befürwortern gehe es vor allem um die vielen privaten Badestege privilegierter See-Anlieger, die aufgrund sinkender Wasserstände mittlerweile auf dem Trockenen stehen. “Ich sehe als Hauptmotiv, dass die ehemaligen Badestege, alle illegal, über 90 Stück, jetzt Terrassen sind. Bau und Betrieb einer solcher Rohrleitungsanlage würde Millionen kosten – finanziert aus Steuermitteln – und insofern ist das für mich dann Klientel-Politik”, sagt der 61-Jährige, der selbst im Potsdamer Ortsteil Groß Glienicke nahe dem See wohnt.

“Task Force Glienicker See”-Initiator Helmut Kleebank weist das zurück. Es gebe vielmehr drei objektive Gründe dem See zu helfen: “Für die Allgemeinheit, für die Natur und für die Trinkwasser-versorgung. Wenn Wasser in den See kommt, dann stützt das den Grundwasserspeicher. Wir brauchen Wasserspeicher für die Trockenzeiten, und da sind eben solche natürlichen Reservoire wie der Groß Glienicker See optimal geeignet, und deswegen müssen wir alles tun, um sie zu erhalten.”

Ein Steg endet auf dem Trockenen: Ein von der DLRG-Wasserwacht aufgegebener Holzsteg an der öffentlichen Badestelle Groß Glienicker See auf Kladower Seite endet weit entfernt vom Wasser (Quelle: rbb/Susanne Hakenjos)Dieser Steg endet auf dem Trockenen. Ein von der DLRG-Wasserwacht aufgegebener Holzsteg an der öffentlichen Badestelle auf Kladower Seite.

Initiative setzt auf Fördergelder

Die Kosten für den Unterhalt der Anlage sieht Kleebank pro Jahr im sechsstelligen Bereich, Investitionen für den Bau der Anlage im siebenstelligen Bereich, doch dafür könnten Fördermittel des “Aktionsprogramms Natürlicher Klimaschutz” genutzt werden: “Ein milliardenschweres Förderprogramm des Bundes, eben auch unter anderem für wasserwirtschaftliche Maßnahmen und hier geht es ja auch um die Sicherung des Trinkwassers, sprich des Grundwasserleiters”, sagt Kleebank.

Widerlegt sei durch das Forschungsprojekt “Cliwac – Climate and Water under Change” [cliwac.de] (Klima und Wasser im Wandel) seit 2024 auch die Annahme, dass die Wasserwerke Kladow und Beelitzhof im Berliner Südwesten durch ihre Entnahmen Einfluss auf die sinkenden Grundwasserstände in der Region hätten.

Kritiker zweifelt an höherem Wasserstand durch Zuleitung

Kritiker Andreas Menzel, langjährig auch im Ortsbeirat Groß Glienicke aktiv und bis heute in der Bürgerinitiative für einen freien Uferweg, weist darauf hin, dass am Groß Glienicker See im Unterschied zu den Berliner Grunewaldseen überhaupt kein Trinkwasser gewonnen werde, was die dortige Investition vielleicht rechtfertige.

Er bezweifelt auch, dass das Zuführen von Havelwasser überhaupt den erhofften Effekt erzielen kann: Übergeleitetes Wasser werde einfach nur im riesigen unterirdischen Grundwasserleiter versickern. “Das ist ein kommunizierendes Röhrensystem, Wasser, das ich in den See erhöht einbringe, also höher als der Grundwasserhorizont ist, versickert einfach im Untergrund und führt nicht zu dem erwünschten Ziel, also dass wir hier wieder zwei Meter höheren Wasserstand haben.”

“Der See wird ja nicht austrocknen”

Vor dem gänzlichen Verschwinden des Sees zu warnen, hält Andreas Menzel ebenfalls für falsch: “Zusätzlich ist zu sagen, dass der See ja nicht austrocknen wird. Der hat noch fünf Meter Wassertiefe und liegt zurzeit dreißig Zentimeter über der Havel. Und wenn er noch weiter sinkt, dann nur bis zum Höhenkoordinaten der Havel, aber mehr kann er nicht sinken.” Menzels Gegenvorschlag lautet: Stärkung regionaler Wasserkreisläufe, um die Grundwasserneubildung zu erhöhen.

Durch eine weitere, dann höchste Reinigungsstufe in den Klärwerken sei es möglich Abwässer in großem Maßstab auf neuen Flächen so wie in früheren Zeiten zu verrieseln. Frühere Rieselfeldflächen seien wegen der dort vorhandenen Belastungen mit Schwermetallen und anderen Schadstoffen dazu aber nicht nutzbar. Gleichzeitig gelte es, Flächen wieder zu entsiegeln sowie Wälder umzubauen. Folge wäre ein wieder steigender Grundwasserspiegel und mittelfristig auch ein steigender Wasserstand in den Seen. So argumentiert auch der Umweltverband BUND.

Boote an der Steganlage des Angelvereins am Groß Glienicker See liegen im flachen Wasser, die Angler haben lange Leitern an den Steg angebracht, auch der alte Pegelmesser zeigt hier, dass das Wasser im Groß Glienicker See einst viel höher stand. (Quelle: rbb/Susanne Hakenjos)Boote an der Steganlage des Angelvereins am Groß Glienicker See. Die Boote liegen im flachen Wasser, die Angler haben lange Leitern an den Steg angebracht, auch der alte Pegelmesser zeigt hier, dass das Wasser im Groß Glienicker See einst viel höher stand.

Land führt Machbarkeitsstudie durch

Bis 2027 wird jetzt zunächst eine vom Land Brandenburg finanzierte neue Studie ergebnisoffen verschiedene Möglichkeiten des Ausgleichs des Wasserdefizits im Groß Glienicker und Sacrower See untersuchen. Die Machbarkeitsstudie wird vom Land mit 345.000 Euro gefördert.

Helmut Kleebank will jetzt schon mit seinen Mitstreitern weiter aktiv auf schnelle Vorplanungen für den Bau einer Rohrüberleitung drängen. “Vielleicht kann man sogar vorhandene Rohrleitungen nutzen. Am liebsten wäre es uns natürlich, wenn die Wasserbetriebe schon mit einem Vorschlag auf der Matte stehen würden, wie sich das konkret realisieren ließe, sodass man sich um Fördermittel bemühen könnte und die Sache angehen kann. Die Zeit drängt.”

Sendung: Antenne Brandenburg, 13.10.2025, 14:00 Uhr

Beitrag von Susanne Hakenjos


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