Kultur

Freiburger Chorstreit: Böhmanns Neubeginn | ABC-Z

Nun ist Boris Böhmann, der langjährige Leiter der Domsingschule in Freiburg, voll rehabilitiert. Zum 28. Februar dieses Jahres hatte der sechzigjährige Musiker ohne Angabe von Gründen seine Kündigung erhalten. Die Tatsache an sich und der Umgang der Freiburger Diözese mit den Protesten im Münster sowie den Reaktionen der Chorvorstände und Eltern der Domsingknaben wurde in den Medien bundesweit aufgegriffen: „Die Gläubigen sind nicht dumme Schafe, und das Hirtenamt ist kein Vorgesetzten-Verhältnis“, so ein ehemaliger Chorsänger.

Noch am 26. Februar waren die pausierenden und mittlerweile ausgetretenen Mitglieder des Domchors zum Gespräch mit Vertretern der Diözesanleitung eingeladen. Kurz danach erfuhren sie, wie die gesamte Freiburger Öffentlichkeit, durch ein Anzeigenblatt, dass Böhmann im Januar noch zwei weitere, fristlose Kündigungen erhalten hatte. Dies ist jetzt alles vom Tisch.

Schlichtung durch Vergleich

Der Rechtsstreit zwischen Böhmann und katholischer Kirche endete in einem Vergleich, im „besten gegenseitigen Einvernehmen.“ Seine Rückkehr ans Münster ist zwar ausgeschlossen, aber Böhmann wird wenigstens eine Abfindung bekommen, und er darf seine Dienstwohnung bis Ende Oktober behalten. Aufatmen kann er auch künstlerisch: Die im „Einvernehmen“ integrierte Wohlverhaltensklausel lässt eine „wechselseitige Behinderung“ bei Konzerten nicht zu.

Mittlerweile sind der Erwachsenenchor, das Kammerensemble für A-Cappella-Musik und der Knabenchor, die einstigen Fundamente der Kirchenmusik am Münster dort ausgezogen (die Schola für Gregorianik hatte sich schon früher selbst aufgelöst). Ihre Vertreter waren der Vertrauensbrüche, Unwahrheiten und Bevormundung überdrüssig und gründeten am 1. Februar einen Verein, die Chorakademie Freiburg e.V. Böhmann wurde zum Leiter berufen. Dahinter stecken der unbeirrbare Glaube an Qualität und Kompetenz Böhmanns, ein außerordentliches Gerechtigkeitsgefühl, das sich durch Anschuldigungen gegen den Chordirigenten nicht korrumpieren ließ, und das Engagement der Freiburger Stadtgesellschaft: „aus der Bürgerschaft für die Bürger“, sagt Christine Mertzlufft, die Pressesprecherin der Chorakademie.

130 Sänger und Sängerinnen waren es bei Vereinsgründung, Zuwachs ist willkommen. Der Anspruch dieses Chors für „alle Altersgruppen, Hintergründe und Bildungswege“ ist in erster Linie der vokalen Kirchenmusik verpflichtet. Ob deren Erhalt auch außerhalb des liturgisch-kirchlichen Rahmens möglich bleibt, muss die Zukunft erweisen. Als Schirmherr der Chorakademie wurde Frieder Bernius gewonnen, Gründer und Leiter des Stuttgarter Kammerchors, mittlerweile eine Eminenz der Chorszene. Der Knabenchor wird unmittelbar nach Ostern mit Böhmann auf Tournee durch Nordrhein-Westfalen gehen, nach Wegberg, Neuss, Kevelaer und Dorsten.

Und was passiert am Freiburger Münster? Alle vier Chorformationen seien „singfähig“, versichert der Pressesprecher der Erzdiözese, Marc Mudrak, „wenn auch mit einer erstmal kleineren Zahl an Sängerinnen und Sängern“. Für Mozarts „Spatzenmesse“ zu Ostern reichen sie wohl aus.

Es wird lange dauern, bis die Verwerfungen in der Freiburger Münstermusik behoben und neue Chorformationen aufgebaut sein werden. Auch ein adäquater Nachfolger Böhmanns will erst einmal gefunden sein. Bis auch der Klerus begriffen hat, welche Tradition er durch diese Personalie beschädigt, wie er die Heimat- und Zugehörigkeitsgefühle vieler Gemeindemitglieder mit Füßen getreten hat: Sie fühlen sich vertrieben.

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