Der Gang vor Gericht hat sich für Jens Lehmann gelohnt – 72.000 Euro muss er nicht mehr zahlen | ABC-Z

München – Der ehemalige Fußballnationalspieler Jens Lehmann (55) macht es den Ermittlungsbehörden im Freistaat nicht leicht. Wenn er nicht als Sportmoderator für TV-Sender am Spielfeldrand kommentiert, stehen die Chancen nicht schlecht, dass er gerade irgendwo rund um München vor Gericht steht.
Kettensägen-Ausraster, unerlaubt mit dem Handy am Steuer, Beihilfe zur Unfallflucht, Streit auf der Autobahn: Die Akte Lehmann ist lang und bekommt jetzt mit einer Trunkenheitsfahrt ein neues Kapitel.
Wegen 0,7 Promille: Lehmann-Fall landet wegen Einspruch vor Gericht
Als die Sportikone den Verhandlungssaal am Donnerstagmittag betritt, wirkt Lehmann fast genervt, dass er sich schon wieder an den vielen Fotografen und Journalisten vorbeischlängeln muss. Doch er wollte es so. Er legte Einspruch gegen einen Strafbefehl der Staatsanwaltschaft ein, deshalb kommt es überhaupt zur öffentlichen Verhandlung.
Konkret geht es um eine Autofahrt von 2024 nach einem süffigen Abend im Schützenzelt auf der Wiesn. Damals wurde Lehmann laut Polizei mit 0,72 Promille im Blut erwischt.
“Ich hatte einen Fehler gemacht, den ich auch bereue”, sagt der Sportmoderator und gesteht die Tat. Doch an den Ermittlungsbehörden lassen Lehmann und sein Verteidiger Jörg Rüsing kein gutes Haar.
Strafbefehl: Jens Lehmann kritisiert Verhalten der Behörden
Ihr Vorwurf: Die Fußballikone sei medial vorverurteilt worden. Mehrmals seien seine Persönlichkeitsrechte verletzt, Informationen aus den Akten an Journalisten weitergegeben worden. “Der Angeklagte hat das Recht auf einen fairen Prozess – auch wenn er Jens Lehmann heißt.”
Ein Bußgeld knapp über 500Euro, zwei Punkte in Flensburg und auch ein einmonatiges Fahrverbot hätte Lehmann akzeptiert. Doch eben keinen Strafbefehl, der laut seinem Verteidiger eine Strafe von 72.000 Euro vorsieht.
“Ich bin ins Auto gestiegen, weil ich dachte, dass ich nicht unter Alkohol stehe”
Lehmann geht vor Gericht in die Tiefe, erklärt in aller Ruhe, was sich im vergangenen September bei und nach seinem Wiesnbesuch abspielte. “Ich bin ins Auto gestiegen, weil ich dachte, dass ich nicht mehr unter Alkohol stehe”, sagt der Fußballprofi. Zuvor sei er bereits mittags auf dem größten Volksfest der Welt unterwegs gewesen, habe etwas gegessen und eine saure Maß getrunken.
Abends sei Lehmann dann mit einigen Freunden ins Schützenzelt weitergezogen. Zwei Maß habe er noch bestellt – “vielleicht noch ein Saures”.
Das ist in der vermeintlichen Partynacht passiert
Kurz vor Zeltschluss sei der ehemalige Torhüter dann bis zur Isar gelaufen, in sein Auto gestiegen und dann aber wieder zurück zur Theresienwiese gefahren, um Freunde aus der Käferschenke abzuholen.
Es sollte nämlich noch zu einer Party im Westend gehen – wohin genau, weiß Lehmann aber nicht mehr. Letztlich hat ihn dann die Polizei um halb zwei in der Nacht aus dem Verkehr gezogen – auch, weil Lehmann laut den Ermittlern seine Spur nicht hielt. Der Sportler begründet das mit seinem “Harndrang”. Er habe dringend ein Gebüsch gesucht, um sich zu erleichtern.
Husten oder verwaschene Sprache?
Verwaschen gesprochen, so haben es die Polizisten wahrgenommen, habe er aber nicht. Genauso wenig habe er würgen müssen. “Ich würge nicht. Erst recht nicht nach zwei Maß. Ich hatte Husten”, sagt Lehmann und räuspert sich auch nochmal im Gericht.
Schließlich scheiterte der Fußballstar bei der Kontrolle am Pusttest. Er schaffte es nicht, kräftig genug ins Röhrchen zu blasen. Deshalb fuhren ihn die Beamten für die Blutentnahme ins Institut der Rechtsmedizin. Dort habe der Ex-Torwart von der Ärztin einen Ausweis sehen wollen. “Doch sie wies sich nicht aus”, so der Fußballer.
Erheiterung im Publikum
Lehmann zweifelte auch daran, dass die Kanülen sauber sind. Außerdem hätten ihm die Beamten zuvor erzählt, dass er in ein Krankenhaus gefahren wird. “Doch ich war in keinem”, so Lehmann. “Gegenüber war eine Klinik. Dort war ich nicht.”
Im Publikum können sich einige Zuhörer das Lachen inzwischen nicht mehr verkneifen. Auch, weil Lehmann immer wieder nicht ins Mikrofon spricht und später für eine Trinkpause die Verhandlung unterbrechen lässt.
Wirklich überzeugt scheint nur die Fußballikone selbst: “Was ich sage, stimmt. Ich schwöre es auf meine Kinder”, so Lehmann. Er schätzt sich sogar glaubwürdiger als die Polizisten ein: “Die haben nämlich keine Kinder”.
Am Ende entscheidet sich die Richterin allerdings dafür, ein Bußgeld in Höhe von 1000 Euro statt des Strafbefehls zu verhängen. Hinzu kommt ein Monat Führerscheinentzug – doch so lange hat Lehmann bereits auf seinen Führerschein verzichtet. Deshalb bekommt er ihn jetzt bereits zurück.
Nach der stundenlangen Verhandlung stellt die Richterin fest: “Sie hätten sich auch im nüchternen Zustand ähnlich verhalten.” Dass Lehmann nach der Wiesn mit über 0,7 Promille Alkohol im Blut erwischt wurde, wertet das Gericht also auch wegen seines im nüchternen Zustand ebenfalls auffälligen Verhaltens als Ordnungswidrigkeit.