Fehlende Anerkennung für Familie Stahl | ABC-Z

Der Streit um den Tänzerinnen-Brunnen des Bildhauers Georg Kolbe aus dem Jahr 1922 geht weiter. Das Werk, das im Garten des Berliner Georg Kolbe Museums steht, hat sich vor einem Jahr als NS-Raubkunst herausgestellt.
Das große Wasserspiel gehörte ursprünglich Heinrich und Jenny Stahl, die 1942 von den Nationalsozialisten vollständig enteignet und entrechtet wurden. Heinrich Stahl war der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Mit seiner Frau wurde er ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert, wo er die Haft nicht überlebte.
Veranstaltung abrupt beendet
Der Museumsdirektorin Kathleen Reinhardt wird nun vorgeworfen, dass sie der historischen Verantwortung im Umgang mit dem antisemitischen Verbrechen nicht gerecht werde, da sie den Begriff „NS-Raubkunst“ öffentlich bisher vermieden habe und somit das Unrecht verharmlose.
Am Samstag ging Reinhardt in die Offensive und führte im Museum eine PR-Veranstaltung über ihre Arbeit durch. Auf dem Podium saßen neben ihr nur die Kuratorin Elisa Tamaschke und die Provenienzforscherin Lynn Rother. Der Rechtsanwalt der Familie Stahl, Lothar Fremy, wollte ebenfalls mit aufs Podium, was ihm jedoch verwehrt wurde.
Die Museumsdirektorin betonte vor dem Publikum, dass juristische Fragen an dem Tag grundsätzlich kein Thema sein sollten. Nach den Vorträgen und dem Gespräch wurde die Veranstaltung abrupt beendet, womit eine kontroverse Diskussion in großer Runde ebenfalls unterbunden wurde.
Entwurf der Gedenkplakette sei „fehlerhaft“
Aus dem fernen Colorado/USA waren die betagten Nachfahren des Ehepaars Stahl angereist, da sie deutlich machen wollten, dass sie auf eine faire und gerechte Lösung hoffen. Im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sagte die fünfundsiebzigjährige Urenkelin Susan Gunstream, sie wünsche sich, dass an das Leid ihrer jüdischen Urgroßeltern erinnert werde.
Mit der Gedenkplakette, die Reinhardt am Brunnen anbringen will, sei sie jedoch unzufrieden, zumal der am Samstag an die Familie übergebene Entwurf nach ihren Worten „fehlerhaft“ sei. Vor allem fällt auf, dass nicht nur in Reinhardts Buch über den Brunnen, sondern ebenso in ihrem Text für die Plakette der Begriff „NS-Raubkunst“ weiterhin nicht vorkommt.
Zwar gab sie am Anfang der Veranstaltung erstmals öffentlich zu, dass es sich bei dem Objekt tatsächlich um NS-Raubkunst handelt. Doch Kathleen Reinhardt unterlässt es, dies auf der Plakette ausdrücklich auch so zu benennen. Außerdem machte sie ihre Äußerung auf der durchgehend in Englisch abgehaltenen Veranstaltung auf Deutsch, sodass die amerikanischen Nachkommen von Heinrich und Jenny Stahl sie gar nicht verstehen konnten.
Hat Reinhardt den Ernst der Lage immer noch nicht begriffen? Der Senat des Landes Berlin, der das Museum finanziert, muss sich die Frage gefallen lassen, wie lange er noch tatenlos diesem Treiben der Direktorin zusehen will.