„Verlust bringt Gewinn“ | Dein Lese-Letter zur Wochenmitte von Medieninsider | ABC-Z

Schön, dass du dabei bist! Was dich in dieser Woche unter anderem im Lese-Letter erwartet:
► Das Focus Magazin soll eine eigene digitale Perspektive bekommen. Dabei ist es sinnvoll, das Projekt nicht mit Focus Online zu vermengen (Editorial)
► Das neue Bezahlangebot von Burdas Nachrichtenmagazin steht kurz vor dem Start – wie es aussieht, wer es verantworten wird und welche zentrale Figur nicht mehr dabei ist (direkt zum Artikel)
► Der RBB will 22 Millionen Euro einsparen, Intendantin Ulrike Demmer will öffentlich keine Details diskutieren. Wir veröffentlichen den internen Maßnahmenkatalog (direkt zum Artikel)
► Druck von allen Seiten: Mentale Gesundheit ist weiter ein Tabu in der Branche – Alexandra Borchardt fordert in ihrer Kolumne mehr Offenheit von Chefs (direkt zum Artikel)
► Ausgebrannt: Eine Studie der LMU München zeigt auf, wie stark belastet Journalisten psychisch sind – im Q&A spricht Prof. Dr. Thomas Hanitzsch über die Ergebnisse (direkt zu den Events)
► Von Print zu Digital: Markus Schöberl zeigt in seinem Vortrag Strategien auf, wie Zeitungen und Magazine eine der für sie größten Fragen beantworten können (zu den Events)
► „Verlust bringt Gewinn“: Aus Bilds Zeitungskästen wird Kunst für den guten Zweck (am Ende des Newsletters)
Darum ist es sinnvoll, Focus Plus separat von Focus Online aufzubauen
„Manchmal meint es der Herr im Himmel gut und es öffnen sich Spielräume.“
Mit diesen Worten kündigte Burda-Vorstand Philipp Welte vergangenes Jahr eine „neue Ära“ für das Focus Magazin an. Kurz vor der Sommerfeier informierte er die Belegschaft über die Pläne für Focus Plus – eine digitale Perspektive für die bisher vom Onlinegeschäft abgekoppelte Redaktion des Focus Magazins.
Nun, neun Monate nach dieser Ankündigung, steht das digitale Paid-Content-Angebot von Burdas Nachrichtenmagazin vor dem Start. Zwar haben sich in der Zwischenzeit einige Details geändert, die Grundidee bleibt jedoch bestehen: Focus Plus startet separat von Focus Online – mit eigener Redaktion, eigenem Geschäftsmodell und eigenem Produkt.
Gemessen an Burdas bisheriger Markenstrategie ist diese Entscheidung nicht überraschend. Print-Focus und Focus Online waren schon immer weitgehend getrennte Einheiten – eine Strategie, die von außen betrachtet nicht immer nachvollziehbar erscheint und für Nutzer gelegentlich verwirrend ist. Trotzdem könnte genau dieser Weg derzeit der richtige sein. Denn nur weil sich intern Spielräume geöffnet haben, muss es nicht sinnvoll sein, sie vollständig zu nutzen. Mit Blick auf Focus Online könnte es mehr zu verlieren geben als zu gewinnen.
Mit Focus Plus stößt Burda in einen bereits stark besetzten Markt vor, dessen Wachstumsdynamik zunehmend nachlässt. Viele Verlage fokussieren sich aktuell eher darauf, Umsätze von Bestandskunden zu optimieren, anstatt im großen Stil neue zu gewinnen. Zwar sind die Grenzen des digitalen Abogeschäfts noch nicht erreicht, die Wachstumskurven flachen jedoch spürbar ab.
Während sich das gedruckte Magazin im Zeitschriftenhandel vor allem mit Spiegel und Stern misst, treffen im digitalen Raum unterschiedlichste Medienmarken aufeinander. Konservative Alternativen wie Bild, Welt, FAZ oder NZZ haben bereits gut positionierte Bezahlangebote etabliert. Auch die Kernkompetenzen des Focus – Wirtschaft, Wissenschaft und Gesundheit – sind im digitalen Abo-Markt weit verbreitet und stark umkämpft.
Mit anderen Worten: Das Risiko, dass Focus Plus scheitern könnte, ist groß. Dennoch könnte genau deshalb die Entscheidung richtig sein, das neue Angebot losgelöst von bestehenden Strukturen zu etablieren. Erfahrungen anderer Medienhäuser zeigen deutlich, dass die Einführung eines Paid-Content-Angebots tiefgreifende Auswirkungen auf interne Strukturen und Workflows haben kann. Angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen könnte es für Focus Online langfristig mehr Schaden als Nutzen bringen, wenn man dort nun radikale strukturelle Eingriffe vornimmt.
In diesem Seminar am 29.04. geben wir dir das Wissen an die Hand, damit du KI-Agenten für alltägliche Dinge bauen kannst, aber auch Prototypen und andere hilfreiche Dinge – und das alles ohne große Kosten.



► Die NOZ will mit LokalPlus gezielt Fragen von Lesern aus der Region nachgehen (mehr erfahren).
► Jochen Wegner und Giovanni di Lorenzo sollen nach Fusion von Zeit und Zeit Online gemeinsam Chefredakteure sein, di Lorenzo wird aber Vorsitzender der Chefredaktion (mehr erfahren).
► „Hatte keine Chance, wirklich tiefer tätig zu werden“: Kathrin Röggla spricht in der FAZ über ihre Zeit im RBB-Rundfunkrat (mehr erfahren).
► MDR übernimmt alleinige Verantwortung für Titel, Thesen, Temperamente (mehr erfahren).
► Die ARD erkennt in ihrer Akzeptanzstudie eine Bestätigung ihrer Digitalstrategie (mehr erfahren), Journalisten arbeiten heraus: Nicht einmal jeder zweite Bürger fühlt sich repräsentiert (mehr erfahren).
► „Erkennbar soll dieses Format dem wachsenden Unmut im Land ein Forum geben – ohne ins Rechtspopulistische abzugleiten.“ Bela Anda, Ex-Regierungssprecher und ehemaliger Bild-Mann, verteidigt das neue NDR/BR-Format Klar! (mehr erfahren)
► BDZV und Gewerkschaften streiten weiter über einen neuen Tarifvertrag (mehr erfahren), Streiks treffen derweil die Süddeutsche Zeitung (mehr erfahren)
► Gannet, der größte Tageszeitungsverlag der USA, knickt vor Donald Trump ein und schraubt Diversity-Aktivitäten zurück (mehr erfahren)
► Die New York Times beschreibt, wie schwierig die Suche nach einem neuen Chefredakteur für die Vanity Fair geworden ist (mehr erfahren)
„Verlust bringt Gewinn“: Aus Bilds Zeitungskästen wird Kunst für den guten Zweck
Neulich in der Mittagspause in Berlin-Mitte: Auf dem Weg an die Salatbar im örtlichen Supermarkt springt mir etwas ins Auge, das man aus dem Berliner Stadtbild gar nicht mehr kennt. Zwischen handsignierten Kunstdrucken von Gerhard Richter (16.000 Euro) und überdimensionierten Ottifanten-Gemälden in einem Verkaufsraum stechen Dutzende knallrote „stumme Verkäufer“ hervor – und mit ihnen ebenfalls Dutzende Male das Logo von Bild. Das ist der Medienjournalist natürlich angefixt.

Stumme Verkäufer sind Zeitungskästen, über die allen voran Boulevardzeitungen jahrzehntelang ihre täglichen Ausgaben vertrieben haben. Sie standen praktisch an jeder Straßenecke und manchmal auch einfach im Weg – zumindest in der Stadt, aus der diese Exemplare kommen: aus Köln. Bis man sie vor ein paar Jahren eben nicht mehr gebraucht hat.
Warum sie jetzt hier, im Untergeschoss des Quartier 205 in der Friedrichstraße, zwischen Werken von Richter, Sigmar Polke und dem 12-jährigen Shootingstar Mikail Akar stehen? Weil sie Kunst geworden sind, gemacht von HA Schult.

150 der ehemals 1000 Kästen hat der Aktionskünstler besprüht. Aus ihren Fenstern schreit nicht mehr der Boulevard, vielmehr blickt man durch sie in (künstlerische) Stadtbilder, aus denen die Kästen verschwunden sind. Eines der Werke steht im Haus der Geschichte in Bonn. Die restlichen werden unter dem Motto „Verlust bringt Gewinn“ verkauft. 50 davon sind noch übrig.
Das Relikt aus alten Zeiten soll als neue Kunst dem guten Zweck dienen. Die Hälfte der Erlöse soll Initiativen für Obdachlose zugutekommen, wie ich vor Ort von Dirk Kästel erfahren habe. Kästel hat vor 35 Jahren selbst im Boulevard gearbeitet (Express), wollte danach Polizeireporter bei Bild werden, sagt er.. Es kam dann – wie sooft – anders. Auch deshalb gibt es seinen Verein Kunst hilft geben.
Vor Ort habe ich von Kästel auch direkt erfahren, wie die Aktionskunst im Alltag eingesetzt werden kann. Im Innenraum der „Bild Box“ ist genug Platz für eine Minibar. Das dürfte nicht nur dem Medienjournalisten gefallen.

Details zur Ausstellung:
Gallery Ehren Art
Quartier 205 (Untergeschoss)
Friedrichstraße 71
10117 Berlin
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