Sport

WM 2026 und Italiens Playoff-Trauma: Ex-Stars schlagen Alarm | ABC-Z

Stand: 11.11.2025 13:56 Uhr

Wieder droht der Squadra Azzurra der gefährliche Gang in die WM-Playoffs, die zuletzt zwei Mal zum Albtraum wurden. Zwei frühere Nationalspieler schlagen im Gespräch mit der Sportschau Alarm.

Wenn die italienische Nationalmannschaft am Donnerstag um 20.45 Uhr in Chisinau zu ihrem vorletzten WM-Qualifikationsspiel gegen die Republik Moldau antritt, dürfte ihr Schicksal schon so gut wie besiegelt sein. Norwegen wird sein Heimspiel gegen Estland (Do., 18.00 Uhr) dann schon absolviert und mit den fest eingeplanten drei Punkten den Weg zum Gruppensieg wohl geebnet haben.

Drei Punkte und 16 Treffer trennen Italien derzeit von der Mannschaft um Erling Haaland – eine zu große Hypothek, als dass die Azzurri drei Tage später im direkten Duell den nordischen Rivalen noch abfangen könnten. Dadurch wird Italien aller Voraussicht nach als Gruppenzweiter den Umweg über die Playoffs nehmen müssen. Ein Wunder, das weiß auch Giuseppe Bergomi, wird es kaum noch geben.

Italiens Trauma: Erst Schweden, dann Nordmazedonien

Wir haben uns in diese Situation gebracht, weil wir das Spiel verloren haben, das wir auf keinen Fall hätten verlieren dürfen – in Norwegen“, bedauert der Weltmeister von 1982. Das 0:3 Anfang Juni in Oslo, damals noch unter dem mittlerweile geschassten Trainer Luciano Spalletti, hängt der Mannschaft bis heute nach.

Hat 81 Länderspiele für Italien absolviert: Giuseppe Bergomi

Eigentlich ist unsere Qualifikationsgruppe recht einfach, und unser Anspruch müsste sein, alle Spiele zu gewinnen“, sagt Bergomi, als Sky-Experte immer noch einer der bekanntesten Gesichter im italienischen TV. “Aber da die Tordifferenz zählt, wird es für uns schwierig, denn traditionell war Italien nie eine Mannschaft, die viele Tore schießt.” Mit seinen 35 Treffern, zwischen 1965 und 1974 erzielt, ist Gigi Riva noch immer Italiens Rekordtorschütze. “Bis heute hat ihn keiner übertroffen“, beklagt der frühere Inter-Star. “Das sagt einiges aus.

Nicht zuletzt wegen dieser Torflaute hat sich in der einst so stolzen Fußballnation mittlerweile ein Trauma festgesetzt, nachdem man die beiden letzten WM-Turniere jeweils in den Playoffs verspielte: 2018 gegen Schweden, 2022 gegen Nordmazedonien. Die Tifosi haben sich daran gewöhnt, im November nicht über große Träume, sondern über Rechenspiele zu diskutieren. Und mit den Playoffs am Horizont kriecht die Angst wieder hoch, die inzwischen ein lästiger Bekannter geworden ist.

Vor allem im Sturm drückt der Schuh

Wir befinden uns in einer nie dagewesenen Situation“, sagt Aldo Serena, der zwischen 1984 und 1990 als Stürmer für Italien im Einsatz war. “Nach zwei verpassten Turnieren droht nun das dritte WM-Aus in Folge.” Fast eine ganze Fußballgeneration ist gekommen und gegangen, ohne dass die Hymne der ‚Fratelli d’Italia‘ (Brüder Italiens) bei einer WM gespielt worden wäre. Was früher undenkbar war, ein Turnier ohne Italien, ist zur erschreckenden Normalität geworden.

Die Stimmung im Land ist widersprüchlich und schwankt zwischen Stolz auf den EM-Triumph 2021, diesen kurzen Sommer des Glücks, und Scham über das, was davor und danach kam. In den Bars von Mailand bis Palermo wird weniger über Gegner als über Identität gesprochen: Was ist die Squadra Azzurra noch, wenn sie beim größten Turnier immer nur Zuschauerin ist?

Dabei ist die Qualität da, zumindest in Fragmenten. Keeper Gianluigi Donnarumma verkörpert internationale Klasse. Verteidiger Riccardo Calafiori hat sich beim FC Arsenal prächtig weiterentwickelt und auch das Mittelfeld kann sich mit Nicolò Barella und Marco Tonali sehen lassen. Doch im Sturm muss der eingebürgerte Mateo Retegui, der mittlerweile sein Geld in Saudi-Arabien verdient, allzu oft den Alleinunterhalter spielen – womit wir wieder beim größten Dilemma wären.

Erzielte in der WM-Quali bisher fünf Treffer: Mateo Retegui

Bergomi: Die Angst wird zurückkehren

Wir haben Qualität im Mittelfeld, solide Ansätze in der Defensive, aber im Angriff suchen wir immer noch einen Führungsspieler, einen echten Referenzpunkt“, bedauert Serena. “Immerhin haben wir die Basis, um wieder nach vorn zu kommen.” Mehr als eine vage Hoffnung spricht jedoch nicht aus den Worten des 65-Jährigen, denn die Elf des neuen Trainers Gennaro Gattuso steckt in einer Endlosschleife: ein Land mit unendlicher Fußballkultur, aber ohne klaren Weg.

Das Spielsystem schwankt zwischen Moderne und Tradition, zwischen Ballbesitz und Pragmatismus. Der Nachwuchs zeigt Talent, doch der Mut, ihm zu vertrauen, fehlt oft. Immerhin sei Gattuso gut darin, “jedem Spieler das Gefühl zu geben, wichtig zu sein, und den Kreis der Nationalspieler zu erweitern“, sagt Bergomi. “Aber nach der Auslosung für die Playoffs (20. November, Anm. d. Red.) wird wieder diese Angst ins Spiel kommen. Selbst wenn du auf dem Papier stärker bist, hindert sie dich manchmal daran, befreit zu spielen.

Gefangen im Glanz der Vergangenheit?

Befreit, wie in jenen Tagen des deutschen Sommermärchens, als Italien zum bisher letzten Mal Weltmeister wurde. Irgendwo in Coverciano, dem Trainingszentrum der Nationalmannschaft, hängen noch die Fotos von 2006, als sich Fabio Cannavaro, Andrea Pirlo und die anderen Nationalhelden unsterblich machten.
Vielleicht ist genau das das Problem: Der Mythos ist zu groß für die heutige Fußballgeneration, jeder neue Versuch wird zum Vergleich mit der goldenen Vergangenheit. Am Ende bleibt ein Land, das den Fußball zu sehr liebt, um aufzugeben. Italien wird wieder zu einer Weltmeisterschaft fahren. Irgendwann. Bis dahin bleibt der November ein Monat der Rechenspiele, immer mit der Angst im Nacken.

Back to top button