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Die international erfolgreiche Künstlerin Claudia Wieser stellt in Ebersberg aus – Ebersberg | ABC-Z

Claudia Wieser ist ganz ohne Übertreibung international erfolgreich. Sie hat an der Akademie der Bildenden Künste in München Malerei studiert, ihre Vita umfasst diverse renommierte Stipendien, Preise und Galerien. Sie hat ausgestellt im Museé Yves Saint Laurent in Paris, in der Nationalgalerie der Gegenwart in Berlin oder im Drawing Center in New York. Auch Kunst im öffentlichen Raum gehört zu ihrem Portfolio: 2021 waren ihre Skulpturen im Brooklyn Bridge Park zu sehen. Man kann also sagen: Sie hat es aufs ganz große Kunstparkett geschafft. Aber wie ist ihr gelungen, was nur so wenige schaffen?

„Es ist sehr schön, hier auszustellen“: Claudia Wieser in der Galerie des Ebersberger Kunstvereins, an ihrer Seite Hund Coco. (Foto: Anja Blum)

Aufgewachsen ist Claudia Wieser, Jahrgang 1973, in Pöring, einem Ortsteil von Zorneding. Ihr Abitur macht sie am Gymnasium Grafing. „Mir war schon als Jugendliche klar, dass ich einen kreativen Beruf ergreifen würde. Ich wollte mich irgendwie ausdrücken – auch wenn ich damals noch überhaupt keine Ahnung hatte vom Kunstmarkt“, sagt Wieser und lacht. Die Münchner Akademie sei also ihr Ziel gewesen, allerdings habe ihr jemand erzählt, dass diese Bewerber mit Erfahrungen in anderen Bereichen bevorzuge. „Und ich selbst hatte auch das Gefühl, ich sei noch nicht so weit.“

Also wurde die junge Wieser vorstellig bei der Kunstschmiede Bergmeister in Ebersberg, aber da hieß es, dass man keine Frauen ausbilde, schließlich sei der Beruf physisch durchaus anstrengend. „Das war dann schon eine gewisse Provokation, die mich herausgefordert hat“, sagt die Künstlerin heute. Deswegen habe sie erstmal ein Praktikum in der Schmiede absolviert – offenbar erfolgreich. Denn „danach haben sie mich gefragt, ob ich eine Lehre machen mag“.

Auch Tapisserien, also gewebte Wandteppiche, gehören zu Claudia Wiesers Portfolio.
Auch Tapisserien, also gewebte Wandteppiche, gehören zu Claudia Wiesers Portfolio. (Foto: Andrea Stappert/oh)

In den renommierten Ebersberger Werkstätten sei sie dann als Frau allein gewesen unter „40 Männern, aber nach dem ersten Schock war das alles extrem nett“, sagt Wieser und lacht. Bis heute stehe sie mit dem Chef in Kontakt, in der Ausstellung nun kann man sogar eine Bronzearbeit sehen, die 2004 in der Ebersberger Schmiede entstanden ist. Außerdem hat die erste Auszubildende dort offenbar etwas angestoßen: Laut Wieser sind weibliche Lehrlinge nun ganz selbstverständlich.

Aber auch sie selbst habe die Lehrzeit stark geprägt, sagt die Künstlerin. „Was ich dadurch verinnerlicht habe: Wenn man etwas wirklich will, kann man es auch schaffen.“ Zudem habe sie in der Schmiede ein starkes Gespür für Material entwickelt und gelernt, sehr diszipliniert und genau zu arbeiten. „Wer immer wieder auf den Millimeter genau feilen muss, kann wahrscheinlich nie wieder schlampig sein“, sagt sie und grinst. Anschließend sei sie an der Akademie sofort genommen worden. Im Nebenjob habe sie Filmsets kreiert.

Und dann? Ging es gleich los mit einer ersten Galerie. Ein Ateliernachbar aus der Akademie habe eine solche in München eröffnet, befreundete Künstler hätten in das Projekt Arbeit und Geld investiert, erzählt Wieser. „Man darf nicht immer nur auf Impulse von außen warten, manchmal muss man etwas auch einfach selber in die Hand nehmen.“ Denn dank dieser ersten Galerie habe sich vieles Weitere ergeben.

Das klingt selbstbewusst – doch Wieser ist sich ihrer glücklichen Ausnahmestellung durchaus bewusst: Nur fünf Prozent eines Akademiejahrgangs könnten später irgendwie von der Kunst leben, sagt sie. Natürlich gebe es Kriterien der Qualität, die man erfüllen müsse, um erfolgreich zu sein, zum Beispiel eine eigene Handschrift und künstlerische Authentizität. Doch letztlich entscheide oft auch einfach der Zufall. „Es gibt sehr viele sehr gute Kollegen, die leider nie entdeckt werden.“

Apropos Glück: Wieser zum Beispiel ging vor 20 Jahren nicht der Karriere, sondern der Liebe wegen nach Berlin. „Wäre ich in München geblieben, wäre aber vermutlich vieles anders gekommen“, sagt sie. Denn in der Bundeshauptstadt habe es günstige Ateliers und Wohnungen gegeben, ein internationaleres Flair und deutlich mehr Galerien.

Diese Zeichnung, Blattgold und Buntstift auf Tonpapier, ist 2015 entstanden.
Diese Zeichnung, Blattgold und Buntstift auf Tonpapier, ist 2015 entstanden. (Foto: Jens Ziehe/oh)

Heute ist Claudia Wieser international bekannt für ihre von der Moderne, von Künstlern wie Wassily Kandinsky und Paul Klee oder dem Bauhaus inspirierten geometrisch-reduzierte Formensprache. Dabei mischt sie munter Gattungen, Techniken und Materialien. Zu ihrem Œuvre gehören Zeichnung und Malerei genauso wie skulpturale Objekte, Tapisserien oder bühnenhafte Rauminstallationen. Neben Farbe verwendet sie spiegelndes Glas, poliertes Kupfer, gedrechseltes Holz, glasierte Keramik und großformatige Fotoprints. Eingeordnet werden ihre Werke oftmals zwischen Kunst und Interieur Design.

Auf große Installationen müssen die Besucher der Ebersberger Ausstellung leider verzichten, der Transport wäre zu aufwendig gewesen. Dafür aber dürfen sie sich freuen auf einen einmaligen, sehr persönlichen Einblick in das Schaffen Wiesers: Bei ihrem Heimspiel zeigt die Künstlerin neben diversen Werken auch „Blätter, die bisher nie ausgespielt wurden“. Entwurfsskizzen aus den vergangenen zwei Jahrzehnten, die gar nicht für die Öffentlichkeit gedacht waren. Der Titel der Ausstellung lautet denn auch: „Jedes Mal, wenn man ein Blatt anders spielt, als man es gespielt hätte, wenn man die Karten der Gegner sehen könnte, gewinnen diese.“

Diese Skizze ging einer „Bühne“ voller Keramikfliesen für einen Park in Athen voraus. Sie soll auch als Sitzmöglichkeit dienen, denn Wieser schätzt es, wenn ihre Kunst auch „benutzt“ wird.
Diese Skizze ging einer „Bühne“ voller Keramikfliesen für einen Park in Athen voraus. Sie soll auch als Sitzmöglichkeit dienen, denn Wieser schätzt es, wenn ihre Kunst auch „benutzt“ wird. (Foto: Claudia Wieser/oh)
Erst zeichnen, dann konstruieren: Diese Objekte wirken wie Gebrauchsgegenstände, sind aber eigentlich keine, denn Wiesers Vasen haben keine Löcher.
Erst zeichnen, dann konstruieren: Diese Objekte wirken wie Gebrauchsgegenstände, sind aber eigentlich keine, denn Wiesers Vasen haben keine Löcher. (Foto: Claudia Wieser/oh)

Dieses Zitat aus „The Theory of Poker“ von David Sklansky soll auf das Moment des Unwissens verweisen, das jedem Gestaltungsprozess innewohnt: ein permanentes Entscheiden, ein Navigieren durch die Möglichkeiten, bei dem jeder Schritt zählt. „Wie im Spiel ist auch in der Kunst nicht die bloße Auswahl entscheidend, sondern das präzise Setzen – das Ziehen der einen richtigen Karte im entscheidenden Moment“, so Wieser. Denn obwohl sie auf einen reichen Fundus an Formen und Materialien zurückgreifen könne, führe nicht jede Kombination zum Ziel. „Es geht um ein ständiges Abwägen, Ausprobieren und Ringen.“

Dass Wieser mit den Entwürfen Einblick gibt in ihren Schaffensprozess, hat für Kunstliebhaber übrigens einen ganz praktischen Vorteil: erschwinglichere Preise. Weil sie die Originale nicht hergeben will, hat die Künstlerin Drucke von den Blättern anfertigen lassen, in einer Auflage von jeweils 20 Stück. Diese sind erhältlich für 450 Euro, Wieser nennt das einen demokratischen Preis. Nicht ganz zu Unrecht. Die anderen Zeichnungen nämlich liegen bei 8000 Euro, für einen Wandteppich wären 35 000 Euro fällig. „Der Kunstmarkt ist verrückt geworden, vor allem in den USA“, sagt Wieser. „Da versuche ich schon immer, die Galerie zu bremsen“, denn solche Preise könnten sich oft nicht einmal Museen leisten. Also, wie gesagt: eigentlich ein paar Nummern zu groß …

Claudia Wieser, Ausstellung beim Kunstverein Ebersberg, Eröffnung am Freitag, 27. Juni, um 19 Uhr inklusive Konzert der Band „Alte Menschen“; Finissage mit Künstlergespräch am Sonntag, 27. Juli, um 15 Uhr. Geöffnet freitags von 18 bis 20 Uhr, samstags von 16 bis 20 Uhr und sonntags von 15 bis 18 Uhr.

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