Wirtschaft

Bulgarien und der Euro: Bald kommt der Euro auf Kyrillisch | ABC-Z

Die Motive für die Münzen sind längst ausgewählt. Auf dem Zwei-Euro-Stück wird das Porträt des bulgarischen Mönchs Païssi von Hilandar zu sehen sein, des ersten Geschichtsschreibers des Landes. Auf der Ein-Euro-Münze das des Heiligen Iwan von Rila, eines weiteren Geistlichen und Gründers des größten bulgarischen Klosters. Bei der Gestaltung der neuen Euromünzen legt Bulgarien viel Wert auf seine tausendjährige Geschichte und die christliche
Tradition. Ab 2026 werden dann erstmals Geldstücke in der Eurozone in Umlauf kommen, die mit kyrillischen Buchstaben versehen sind – und die Aufschrift Bulgarien tragen.

Bald soll auch die Prägung der Münzen beginnen. Schließlich will Bulgarien am 1. Januar des kommenden Jahres der
Eurozone beitreten. Die Voraussetzung dafür wurde an diesem Mittwoch in Brüssel geschaffen. In ihrem
Konvergenzbericht stellte die Europäische Kommission
fest, dass Bulgarien die Anforderungen für eine Euroeinführung erfüllt.

Der Weg bis dahin war kein einfacher. Nach dem Kollaps der sozialistischen Planwirtschaft zu Beginn der Neunziger Jahre folgten schwere Finanzkrisen. Zwischen 1992 und 1997 betrug das Pro-Kopf-Einkommen gemessen in Kaufkraftstandards nicht einmal 30 Prozent des Niveaus in Westeuropa. Junge Eltern standen um fünf Uhr morgens in Schlangen an, um Milch für Babys kaufen zu können. Ganze Jahrgänge wanderten gleich nach dem Abitur ab ins Ausland. “Diese Zeit prägte jedoch einen nüchternen Umgang mit den Staatsfinanzen”, erklärt Latschesar Bogdanow vom Institut für Marktwirtschaft in Sofia. Für seinen Sparkurs erhielt Bulgarien selbst von der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel nur Lob.

Die bulgarische Wirtschaft wächst

Heute steht Bulgarien stabil da mit 25 Prozent Staatsverschuldung gemessen an der Wirtschaftsleistung des Landes. Es ist der
zweitniedrigste Wert in der EU. Das Defizit liegt unter drei Prozent und die Inflation bei 2,7 Prozent. Die
Konjunkturprognose der EU für ein Wachstum von zwei Prozent dieses Jahr ist
auch positiv. “Das
ist Wachstum, das sich nicht auf Krediten gründet, sondern auf
Produktivitätssteigerung im Privatsektor”, meint der
Experte Bogdanow.

Der Beitritt zur Währungsunion dürfte das Wachstum in dem Land aus Sicht von Ökonomen weiter anschieben. “Als Euroland wird Bulgarien an Finanzstabilität und somit an Attraktivität
gewinnen”, sagt auch Sterju Noscharow, Professor an der Wirtschaftsuniversität Sofia. Ratingagenturеn haben
bereits angekündigt, die Bonität des Landes anzuheben, sobald der Euro
eingeführt wird. Momentan wird Bulgarien noch mit BBB/A als Land im
Übergang eingestuft
.
“Die Bonität ist ein wichtiges Signal an die Investoren. Darüber
hinaus wird die Staatsverschuldung leichter zu bedienen sein”, erklärt der
Ökonom.

Das ist die eine Perspektive – die Erfolgsstory. Doch von Nationalstolz ist derzeit keine
Rede in Bulgarien. An der Schwelle zur Eurozone steht eine gespaltene Gesellschaft, die neue Währung polarisiert. “Das Land ist in Euroanhänger und Eurogegner geteilt”,
sagt Genoveva Petrova vom Meinungsforschungsinstitut Alpha Research.

Für die gut gebildete urbane Bevölkerung, die an Feiertagen im benachbarten Griechenland verweilt und die Kinder zum Studium nach
Westeuropa schickt, ist der Weg zum Euro selbstverständlich. Doch den Älteren und den Menschen aus dem
ländlichen Teil und besonders Niedrigverdienern, die sich jetzt schon Grundnahrungsmittel wie Butter nicht leisten können, macht der Währungswechsel Angst. Erst mit dem Euro würde es richtig teuer
werden, so lautet die Befürchtung.

“Bloß Schadensbegrenzung”

Wessela Tschernewa,
stellvertretende Direktorin des European
Council on Foreign Relations (ECFR), wirft der Regierung Versagen vor. “Die Informationskampagne kommt erst
jetzt. Das ist bloß Schadensbegrenzung”, sagt sie.

Die bunte Koalition der konservativen
GERB-Partei, der Sozialisten von BSP und der populistischen ITN-Partei, die nach
langer politischer Instabilität Anfang des Jahres ins Amt getreten ist,
erklärt den Euro zur Priorität. Doch aufklärende Filme werden in den Medien erst seit Kurzem ausgespielt.

Preisschwankungen soll es nach der
Euroeinführung nicht geben, lautet die Botschaft, schließlich ist die bulgarische Währung schon lange gebunden. Seit 1997 wurde der
Wechselkurs des Lews infolge der Finanzkrise und Hyperinflation zunächst an die
D-Mark und ab 2002 an den Euro gekoppelt und ist entsprechend stabil. Bulgarien, das seit 2020 am Europäischen
Wechselkursmechanismus (ERM) teilnimmt
und unter der Aufsicht der Europäischen Zentralbank steht, befindet sich daher praktisch schon mit einem Fuß in der Eurozone.

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