Wirtschaft

Thermal Drones: Der Bambikopter | DIE ZEIT | ABC-Z

Rehkitze schützen: klingt nicht gerade nach einem guten Geschäftsmodell.

43-jähriger Forscher ohne Erfahrung in der Wirtschaft: klingt nicht wie ein Typ, der erfolgreich eine Firma gründet.

Drohnen: klingt nach den Flugrobotern, die nur zerstören können.

Martin Israel widerlegt das alles – mit einer Idee, die sein Leben prägt.

Die Geschichte geht los, als der Elektro- und Informationstechniker 2008 als Forscher beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen anfängt. Er ist ein großer Tierfreund und findet eine besondere Forschungsnische: Rehkitze. Die verstecken sich im hohen Gras, sind mit ihrem gepunkteten Fell schwer auszumachen, stellen sich gern tot und geben keinerlei Geruch ab. Was sie vor Fressfeinden schützt, aber auch dafür sorgt, dass jedes Jahr mehr als 100.000 von ihnen bei der Wiesenmahd übersehen und verletzt oder getötet werden.

Martin Israel © Jelena Moro

Das wollen Israel und seine Forscherkollegen verhindern: “Wir haben eineinhalb Jahre lang herumprobiert, auch Patente angemeldet”, sagt Israel, “aber es blieb unbefriedigend.” Dann kommt er darauf, die Rehe mit Drohnen zu orten, das allein sei damals “etwas ganz Neues und Spektakuläres” gewesen. Dazu rüsten sie die Flugroboter mit Wärmebildkameras aus. Denn einzig die Wärmestrahlung der Tiere macht sie sichtbar. Im Jahr 2010 bauen die Forscher um Israel für 30.000 Euro ihr erstes System auf – und retten das erste Kitz.

Das gefällt auch anderen. Das Bundesforschungsministerium finanziert das Projekt, Landmaschinenhersteller und Hochschulen unterstützen Israel ebenfalls. Der entwickelt die Idee weiter: Inzwischen liefern die Drohnen die GPS-Koordinaten der Rehe, so lassen sich mehr von ihnen in kürzerer Zeit retten. “Wir fliegen mit einer Drohne einen Hektar pro Minute, schaffen effektiv 20 bis 30 Hektar pro Stunde, bei größeren Feldern geht’s noch schneller”, rechnet Israel vor. Bis 2015 promoviert er zum Thema “fliegende Wildretter”.

Und Israel ist als Forscher ganz zufrieden. Doch dann kommt ihm das Wissenschaftszeitvertragsgesetz in die Quere. Das DLR kann seine Stelle nicht entfristen, und so steht er plötzlich ohne Job da. Also gründet Israel zusammen mit seinem Partner Tobias Dahms in Greifswald das Unternehmen Thermal Drones, das DLR unterstützt ihn. Allerdings: “Am Anfang war es eine totale Katastrophe”, erinnert sich Israel. Nicht nur unternehmerisch. Ende 2020 erhält er eine Krebsdiagnose. Ein 14 Zentimeter großer Tumor in seiner Lunge. 30 Prozent Überlebenschance.

Über die Zeit seiner Erkrankung erzählt Israel nicht viel. Entscheidend ist: Er überlebt. Genau wie seine Firma. Auch weil Israel seine eigenen Kosten anfangs durch Krankengeld, Erwerbsminderungsrente und Arbeitslosengeld decken kann.

2021 zieht das Geschäft an. Dieses Jahr dürfte Thermal Drones nach eigenen Angaben um die 250 Drohnen verkaufen, zwölf Mitarbeiter beschäftigt die Firma inzwischen. Die Drohnen fertigen sie nicht mehr selbst, sondern nutzen die günstigeren Produkte des chinesischen Herstellers DJI. Der wichtigste Service ihrer Software seien das Echtzeit-Geo-Tracking und der Datenaustausch zwischen allen beteiligten Personen, erklärt Israel. “Seit 17 Jahren bin ich da inzwischen dran”, sagt der heute 49-Jährige. Immer noch kriege er so viel zurück: “Wenn man ein zwei Wochen altes Rehkitz rettet und aus der Wiese trägt, schreit es manchmal wie ein Menschenbaby nach seiner Mutter.” Da merke man dann, wie verletzlich und hilflos es sei.

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