“Auf Brüssels Befehl”: Orban poltert wegen Pride – und macht EU verantwortlich | ABC-Z

“Auf Brüssels Befehl”
Orban poltert wegen Pride – und macht EU verantwortlich
29.06.2025, 02:03 Uhr
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Ungarns Ministerpräsident Orban steht innenpolitisch unter Druck und verschärft seinen homophoben Kurs. Die Pride-Parade zieht trotz Verbots so machtvoll wie nie durch die Hauptstadt. Orban hat den Verantwortlichen dafür bereits gefunden.
Nach der großen Beteiligung an der Pride-Parade in Budapest trotz eines polizeilichen Verbots hat die ungarische Regierung von einer Kundgebung “auf Brüssels Befehl” gesprochen. “Mit der Pride hat die Opposition gegen Gesetze aufgewiegelt, die ihr nicht gefallen, Ungarns Souveränität verhöhnt und – mit ausländischer Unterstützung – versucht, uns die woke Kultur aufzuzwingen”, erklärte Regierungssprecher Zoltan Kovacs mit Blick auf die EU.
An dem Umzug in der ungarischen Hauptstadt für die Rechte von Schwulen, Lesben und anderen sexuellen Minderheiten hatte am Samstag nach Angaben der Veranstalter eine Rekordzahl von bis zu 200.000 Menschen teilgenommen. Damit war es eine der eindrücklichsten Kundgebungen in der modernen ungarischen Geschichte. Auch rund 70 Mitglieder des EU-Parlaments reisten an, um ihre Solidarität zu zeigen. Während des Umzugs wurden außer Regenbogenfahnen vielfach auch EU-Flaggen geschwenkt.
Angesichts der restriktiven Politik im EU-Land Ungarn gegenüber sexuellen Minderheiten hatte die Pride-Parade in diesem Jahr eine besondere politische Bedeutung. Die Regierung des rechtsnationalen ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban schränkt seit Jahren die Rechte von LGBTQ-Menschen ein.
Mitte März verabschiedete das ungarische Parlament eine Gesetzesänderung, die auf ein Verbot der jährlichen Pride-Parade abzielt: Damit werden alle Versammlungen untersagt, die gegen das ungarische LGBTQ-Gesetz verstoßen. Dieses Gesetz aus dem Jahr 2021 verbietet Darstellungen von Homosexualität vor Minderjährigen.
Die ungarische Polizei verbot die Pride-Parade in Budapest schließlich vor einigen Tagen. Budapests grüner Bürgermeister Gergely Karacsony erklärte jedoch, es brauche für die Pride-Parade keine offizielle Erlaubnis, weil es sich um eine “städtische Veranstaltung” handele. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte die ungarischen Behörden in der Nacht zu Freitag erneut aufgefordert, das Verbot der Demonstration aufzuheben, damit die Organisatoren keine Angst vor Bestrafung haben müssten.
Orban machte am Freitag zwar deutlich, dass die Polizei nicht hart gegen die Pride-Parade durchgreifen werde. Den Teilnehmern droht aber eine Geldstrafe von bis zu 500 Euro. Dafür dürfen die Behörden auch Technologie zur Gesichtserkennung nutzen. Nach allem, was bislang bekannt ist, hat sich die Befürchtung, dass die Polizei Kundgebungsteilnehmer anhalten und anzeigen würde, aber nicht bewahrheitet.
Orban fürchtet politische Konkurrenz
Orban steht innenpolitisch unter großem Druck. Mit dem ehemaligen Regierungs-Insider Peter Magyar ist ihm ein wortgewaltiger und mehr als ebenbürtiger konservativer Herausforderer erwachsen, der ihn bei der nächsten Parlamentswahl im Frühjahr 2026 schlagen könnte. Mit der Verschärfung seines homophoben Kurses dürfte sich der Rechtspopulist einen Zugewinn an Popularität in einer breiteren, eher traditionalistisch eingestellten Bevölkerung erhofft haben.
Noch im Februar hatte Orban vollmundig verkündet, die Pride-Organisatoren könnten sich in diesem Jahr “Geld und Energie sparen”, es werde keine Pride geben. Dass der Umzug nun trotz polizeilichen Verbots mit einer Rekordbeteiligung anstandslos über die Bühne ging, ist für ihn ein herber Gesichtsverlust.
Herausforderer Magyar, der darauf schielt, Orban möglichst viele auch konservativ gestimmte Wähler abspenstig zu machen, hielt sich in der Pride-Frage bislang bedeckt. Als Reaktion auf den gelungenen Umzug hielt er jedoch mit Hohn und Spott für Orban nicht zurück: “Mit dem versuchten Verbot der heutigen Veranstaltung hat er kein Tor, sondern sich selbst ein mächtiges Eigentor geschossen”, schrieb er auf seiner Facebook-Seite.