Kindermedizin in München: Neues Zentrum für chronische Erkrankungen – München | ABC-Z

Einst war es ein Bankgebäude. Doch nach einer einjährigen Umbauphase ist daraus ein weiterer Standort für das integrierte Sozialpädiatrische Zentrum (iSPZ) Hauner Muc am LMU Klinikum geworden. Wo einst Kunden an Schaltern standen, kümmern sich jetzt auf 800 Quadratmetern Teams aus Ärzten, Psychologen, Therapeuten und Pflegefachkräften mit modernsten Versorgungsprogrammen um schwere chronische Erkrankungen bei Kindern.
Überall sieht man Tiere aus Afrika. Nashörner, Giraffen, Antilopen, als Spielzeug, als Zeichnungen auf Türschildern der Behandlungsräume, als helle Silhouetten auf den Gangwänden oder in Bilderrahmen. Kinder, die im offenen Wartezimmer mit Nilpferd sitzen, wird die Zeit nicht lang. Denn in einem vom iSPZ extra gestalteten Leseheft für die Kinder warten auch die Tiere auf den Arzt: Die Antilope hat einen dicken Huf, das Nashorn einen Schnupfen und die Ohren des Nilpferds müssen dringend gereinigt werden.
Die Krankheiten der Tiere im Leseheft sind harmlos. Bei den Kindern, die in das Zentrum am Goetheplatz kommen, ist das anders. Sie haben Epilepsie, schwere neuromuskuläre oder dermatologische Erkrankungen.
„Deswegen haben wir bei dem Umbau der Räume darauf geachtet, dass es hier schön ist“, sagt Florian Heinen. Vor allem auch die Eltern sollen hier „Wertschätzung“ erfahren, betont der ärztliche Direktor des iSPZ. „Denn die Eltern kommen doch alle in Ausnahmesituationen hierher. In großer Sorge um ihre Kinder“, sagt auch Konstanze Riedmüller, Vorsitzende des Landesverbandes Bayern für körper- und mehrfachbehinderte Menschen (LVKM). Der Verband ist Träger des iSPZ.
Ida spielt mit ihren Eltern in einem der schönen Räume (Architekturbüro Kandler und Mack). Sieben Monate ist das kleine Mädchen alt. Sie turnt auf den Beinen ihrer Mama Franziska herum. Anzumerken ist dem Mädchen nichts. Dabei ging es kurz nach ihrer Geburt um Leben oder Tod. Denn das Neugeborenen-Screening, bei dem ein Tropfen Fersenblut auf angeborene Erkrankungen getestet wird, war bei Ida positiv. Eine Spinale Muskelatrophie (SMA) mit schwerer Verlaufsform wurde diagnostiziert.
Das erste Babyglück daheim. Ida ist sechs Tage alt. Doch dann bekommt der Vater den Anruf der Ärzte. Als er beim Einkaufen ist, wie er erzählt. „Wie sage ich es nur meiner Frau, dass unsere Tochter eine schwere Erkrankung hat? Das war mein erster Gedanke“, sagt Papa Christoph. Später weinen sie zu Hause gemeinsam.
SMA heißt: Muskelschwäche und ein rasanter Muskelschwund. Ida hätte nicht sitzen, nicht krabbeln können, erklärt Oberärztin Astrid Blaschek. Eines Tages wäre bei Ida auch die Atemmuskulatur betroffen gewesen. Atemnot sei dann die Folge. „Ohne eine gentherapeutische Behandlung sterben die Kinder sehr früh“, sagt Blaschek.
Eine solche Behandlung hat Ida bekommen. Und zwar sehr schnell. „Denn es zählt nach Diagnosestellung jeder Tag für die Weiterentwicklung des Kindes“, sagt Florian Heinen. Dank des Neugeborenen-Screenings und der Gentherapie sei die Erkrankung „behandelbar“. In nur einer Stunde läuft eine Infusion durch Idas Körper, die es ermöglicht, das bei dieser Erkrankung fehlende und so wichtige SMN-Protein zu ersetzen. Heute sieht es so aus, als ob Ida aktiv ihr Leben leben kann.

In einem anderen Behandlungszimmer sitzt der 17-jährige Abhay im Rollstuhl. Er hat seit seiner Geburt eine Muskeldystrophie und weiß, dass seine Krankheit „mit den Jahren schlechter wird“, sagt er. Im iSPZ wird er medizinisch und therapeutisch etwa mit Ergotherapien begleitet. Solange es geht, fährt er mit seinen Freunden mit den öffentlichen Verkehrsmitteln durch München. „Mein Hobby“, sagt er und lacht.
Das iSPZ hat nun in der Innenstadt vier Standorte. Das „Haus Haydn“ in der Haydnstraße, das „Haus Herzog“ in der Herzog-Heinrich-Straße und im Dr. von Haunerschen Kinderspital. Im erweiterten, neuen „Haus Goethe“ am Goetheplatz sind in drei Stockwerken die Ambulanzen des Muskel- und Epilepsiezentrums und der Kinderdermatologie untergebracht. 55 000 Patientenkontakte gibt es laut Heinen jährlich.

Der lange Flur im Erdgeschoss ist gleichzeitig auch eine Laufstrecke. Sie ist auf den Boden aufgezeichnet. 25 Meter ist sie lang, rote Streifen markieren einen Meter. Hier wird getestet, wie viele Meter die Kinder in sechs Minuten zurücklegen können. Ein gesunder Mensch lege laut Astrid Blaschek in dieser Zeit 600 bis 700 Meter zurück. Kranke Kinder schafften vielleicht 50 bis 100. An diesem Test könne man ermessen, wie stark die Motorik der Kinder beeinträchtigt sei, aber auch, wie die Therapien anschlagen.
Im Erdgeschoss hat Florian Heinen ein bisschen Afrika in die Räume gebracht. Afrika, das er jedes Jahr bereist, wie er sagt. Im ersten Stock bei der Kinderdermatologie ist der hohe Norden und das Meer Thema. Hier watscheln Pinguine auf Wänden und ein symbolisierter Schiffskörper dient als Deckenbeleuchtung.
„Eine blaue Insel“, über die sich Hagen Ott sehr freut und die in dieser Form der Betreuung einmalig sei in Deutschland. Der Leiter der integrierten Kinderdermatologie behandelt etwa starke Neurodermitis und die seltene Schmetterlingskrankheit. Die Haut der Kinder ist so empfindlich, dass sogar der Flügelschlag eines Schmetterlings Schmerzen verursacht. 4000 Menschen leiden in Deutschland an dieser Erkrankung. Davon viele Kinder. Auch hier helfe laut Ott eine Genersatztherapie. „Es hat sich also auch in der Dermatologie viel getan.“





















