Gift in Wasser & Luft machte die alten Römer dümmer – Stoff noch heute verbreitet | ABC-Z

Berlin. Schon die alten Römer litten unter Giften in der Atmosphäre. Eine neue Untersuchung zeigt, welche Auswirkungen ein Stoff auf den IQ hatte.
Blei ist ein besonders giftiges Schwermetall mit gravierenden Auswirkungen auf den Körper. Kein Wunder, dass der Vertrieb von bleihaltigem Benzin weltweit seit 2021 verboten ist, in Deutschland sogar schon seit 1988. Blei, lateinisch Plumbum, kann unter anderem zu Unfruchtbarkeit und Anämie führen und das zentrale sowie das periphere Nervensystem schädigen. Ein schwere Bleivergiftung (Saturnismus) führt zum Koma und zum Tod durch Kreislaufversagen.
All dies war in der Antike nicht oder wenigstens kaum bekannt. Lediglich der römische Architekt Vitruv warnte bereits im ersten Jahrhundert vor Christus: „Wasser aus Tonröhren ist gesünder als das durch Bleiröhren geleitete, denn das Blei scheint gesundheitsgefährdend zu sein.“ Den römischen Baumeistern war dieser Ratschlag herzlich egal. Alte Wasserleitungen aus Holz, Mauerwerk oder Ton wurden nach und nach durch solche aus Blei abgelöst. Diese sogenannten „Fistulae“ vergifteten langsam, aber sicher eine große Anzahl Menschen, wie Untersuchungen des französischen Nationalen Zentrums für wissenschaftliche Forschung (CNRS) in Lyon bereits 2017 nachweisen konnten.
Bleib fiel vor allem bei der Silbergewinnung an
Wenig bekannt war bisher dagegen die Auswirkungen der Silberverhüttung im Römischen Reich. Eine Untersuchung des Desert Research Institute (DRI) in Nevada kommt zu erschütternden Ergebnissen. Die Wissenschaftler um Joseph McConnell nahmen dafür sogenannte Eisbohrkerne aus der Arktis genauer unter die Lupe. In diesen bis zu Hunderte Meter langen Kernen ist das Klima vergangener Jahrhunderte archiviert, laut der Wissenschaftler fungieren sie wie „Postkarten aus der Vergangenheit“. Die Forscher schmolzen das Eis kontrolliert im Labor und ermittelten dann die darin enthaltene Konzentration von Blei und anderen Luftschadstoffen. Mithilfe von Computermodellen ließ sich dann eine Karte der Bleibelastung in Europa über einen Zeitraum von 500 bis etwa 600 nach Christus erstellen.
Verursacher der Luftverschmutzung waren vor allem die zahlreichen Bergbau- und Verhüttungsbetriebe im Römischen Reich. Diese gab es an vielen Orten – vom heutigen Spanien bis nach England. Im Silberbergbau fand wiederum das bleihaltige Mineral Galenit (Bleiglanz) Verwendung, das eingeschmolzen wurde, um an das Silber zu kommen. Laut der Forscher wurden für jede Unze Silber Tausende Unzen Blei freigesetzt. Silber war im antiken Rom extrem wichtig und galt laut Archäologen und Historikern als eine essenzielle Säule der damaligen Wirtschaft. Verwendung fand es beispielsweise in Münzen, Waffen, aber auch in Schmuck und Haushaltsgeräten.
Dass Blei jedoch in großen Mengen in die Atmosphäre gelangte – mit erheblichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit – war den Römern nicht bewusst. Die Wissenschaftler fanden in ihrer Studie auch heraus, dass die Bleibelastung im Laufe der Jahrhunderte erheblichen Schwankungen ausgesetzt war. So begann sie bereits in der Eisenzeit und stieg bis ins zweite Jahrhundert vor Christus stark an, um während der Krise der Römischen Republik im ersten Jahrhundert vor Christus erneut zu fallen.
Hohe Bleikonzentration ließ IQ sinken
Ein rasanter Anstieg ist dann wieder um das Jahr 15 vor Christus zu verzeichnen, als Kaiser Augustus seine Macht konsolidiert hatte und die Wirtschaft florierte. Die Bleibelastung blieb bis zu Beginn der sogenannten „Antoninischen Pest“ um 165 nach Christus konstant hoch. Durch diese Seuche, vermutlich eine Pockenepidemie, wurde die Bevölkerung des Römischen Reichs um etwa zehn Prozent dezimiert. Nach Untersuchungen der Wissenschaftler übertraf die Bleibelastung in Europa erst im Hochmittelalter die Werte aus der Blütezeit des Römischen Reiches.
Die Wissenschaftler untersuchten auch den Zusammenhang von Bleiexposition und menschlicher Intelligenz. Demnach stieg der durchschnittliche Bleigehalt im Blut von Kindern unter fünf Jahren auf dem Höhepunkt des Römischen Reiches auf etwa 3,4 Mikrogramm pro Deziliter an. Als Folge habe sich der IQ-Wert der Bevölkerung in Europa um mindestens zwei bis drei Punkte verringert. „Das hört sich nicht nach viel an, aber wenn man das auf die gesamte europäische Bevölkerung anwendet, ist es eine ziemlich große Sache“, erklärt Studienmitautor Nathan Chellman vom Desert Research Institute. Laut Joseph McConnell zeigten die Ergebnisse der Studie, „wie „der Mensch seine Gesundheit seit Tausenden von Jahren durch industrielle Aktivitäten beeinflusst“ habe.