Wer noch russisches Gas bezieht | ABC-Z

Unterhändler der drei Institutionen hatten sich am frühen Mittwochmorgen endgültig darauf geeinigt, dass der Abschluss neuer Verträge sowohl für Pipeline- als auch für Flüssiggas (LNG) schnellstmöglich – sechs Wochen nach Inkrafttreten der geplanten neuen Regeln – verboten werden soll.
Bestehende, vor Mitte Juni dieses Jahres abgeschlossene Verträge sollen bis Ende April (LNG) beziehungsweise Mitte Juni (Pipelinegas) beendet werden. Auch langfristige Verträge sollen schrittweise auslaufen: Bis spätestens Januar 2027 soll kein Flüssiggas aus Russland mehr in die EU strömen; so ist es auch im 19. Sanktionspaket vereinbart. Mit Gas, welches per Pipeline nach Europa gelangt, soll bis spätestens November 2027 Schluss sein.
Noch zu Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine stammten 45 Prozent der europäischen Gasimporte aus Russland. Seitdem hat die Union es immerhin geschafft, ihren Anteil auf 13 Prozent im ersten Halbjahr dieses Jahres zu drücken – auch, weil immer mehr Flüssiggas aus den USA, aber auch aus Kanada, Australien und Qatar nach Europa strömt, wie der Direktor der Internationalen Energieagentur (IEA), Fatih Birol, am Mittwoch in Brüssel deutlich machte. „Viele haben geglaubt, dass europäische Energieunabhängigkeit von Russland unmöglich ist“, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach den Verhandlungen. Sie sprach von einem „historischen Tag“ sowie dem „Anbruch einer neuen Ära“.
Im vergangenen Jahr sind nach Angaben der Kommission jedoch immer noch 35 Milliarden Kubikmeter russisches Gas in die EU gelangt. Insbesondere Ungarn und die Slowakei, aber auch Frankreich, Spanien, Italien, Belgien und Griechenland beziehen weiter Gas aus Russland.
Der ungarische Außenminister Péter Szijjártó sagte am Mittwoch, für sein Land sei es unmöglich, die Vorlage umzusetzen, da sie die Energiesicherheit Ungarns gefährde. Seine Regierung sowie die Slowakei würden Klage beim Europäischen Gerichtshof einreichen, sobald der Beschluss finalisiert sei.
Mit ihren Energieimporten füllen insbesondere die genannten Länder jedoch weiter die Kriegskasse von Machthaber Wladimir Putin. Zwölf Milliarden Euro seien vor dem Krieg jeden Monat für russische Energielieferungen ausgegeben worden, sagte von der Leyen am Mittwoch. Derzeit seien es noch 1,5 Milliarden Euro im Monat: „Immer noch zu viel, aber wir werden den Betrag auf null bringen.“
An den Energiemärkten ist der Ausstieg aus der russischen Energie schon seit Längerem eingepreist. Der Gaspreis ist im Großhandel seit Mitte Februar von 52 auf derzeit 28 Euro je Megawattstunde gefallen. Viele Fachleute erwarten, dass die Preise sich im kommenden Jahr auf diesem Niveau einpendeln könnten.
Das liegt auch daran, dass im kommenden Jahr insbesondere in Nordamerika und Qatar weitere LNG-Kapazitäten auf den Markt kommen werden. Die auf Energiemärkte spezialisierte Denkfabrik ICIS geht in einer der F.A.Z. vorliegenden Analyse davon aus, dass Europa im kommenden Jahr insgesamt 134 Millionen Tonnen Flüssiggas (plus fünf Prozent) importieren wird – ein neuer Rekord. Mehr als 60 Prozent davon könnten aus den USA stammen.
Doch auch aus Asien wird eine starke Nachfrage nach Flüssiggas erwartet, sodass ICIS zumindest nicht mit weiter fallenden Preisen rechnet. Verbraucher können trotzdem nicht vollends aufatmen, weil mit weiter steigenden CO₂-Preisen im europäischen Emissionshandel gerechnet wird. Pläne zum Ausstieg aus russischem Öl und auch Nuklearprodukten sind nicht Teil des nun beschlossenen „RePowerEU“-Paketes. Energiekommissar Dan Jørgensen versprach jedoch am Mittwoch auf Druck des Europäischen Parlaments, Anfang kommenden Jahres einen Gesetzesvorschlag zum Verbot von russischen Ölimporten vorzulegen, der bis Ende 2027 in Kraft treten soll.
Der russische Anteil an den Ölimporten in die Europäische Union ist seit Anfang 2022 von 27 auf zwei Prozent zurückgegangen. Rohöl in nennenswertem Umfang beziehen vor allem Ungarn, die Slowakei und Tschechien noch aus Russland. Auch zu einem möglichen Importverbot von russischem Uran will die Kommission demnächst einen gesonderten Gesetzesvorschlag vorlegen.
Vor allem der französische Staatskonzern Électricité de France (EDF) unterhält mit seiner Tochtergesellschaft Framatome nach wie vor Geschäftsbeziehungen mit dem russischen Staatskonzern Rosatom. So lässt er wiederaufbereitetes Uran in Russland recyceln und hält an seinen Plänen fest, im emsländischen Lingen Brennelemente zu produzieren. Rat und Parlament müssen die am Mittwoch erzielte Einigung offiziell noch billigen, das gilt aber nur als Formsache.





















