Was er wohl tippte, während Esken sprach? | ABC-Z

Ein Grinse-Selfie hat es nicht gegeben, auch dieses Gimmick ist dank der Ampel verbrannt. Als die Parteivorsitzenden von Union und SPD am Mittwoch der Weltpresse ihren Koalitionsvertrag präsentierten, spielte dennoch ein Handy eine Rolle, nämlich das von Markus Söder.
Während die anderen sprachen, tippte er – wie er es gern zu tun pflegt – immer wieder darauf herum; vor allem bei Saskia Eskens Rede war er gar nicht zu stoppen. Man kennt das vielleicht aus dem eigenen Job: Wenn in der Videokonferenz Kollege Schmidtke wieder zu ausschweifend parliert, prüft man schon mal verstohlen, wie am Wochenende das Wetter am Gardasee wird.
Wer sich aber vor den Augen der Welt in einem Moment, der sich um nichts Geringeres dreht als die erhoffte Rettung dieses Landes, nicht vom Handy lösen kann, der muss dafür gewichtige Gründe haben. Machte sich Söder eifrig Notizen? Schrieb er irgendwo an einem Liveticker mit: „Der CSU-Chef wie gewohnt mit einem rundum überzeugenden Auftritt“? Wollte er seine Fähigkeit zum Multitasking zum Ausdruck bringen oder die von ihm beschworene Technologieoffenheit der neuen Koalition?
Oder setzte er laufend Nachrichten ab, die jetzt – Esken hin oder her – einfach nicht mehr warten konnten? „Werde es, Liebling, heute doch pünktlich zum Abendessen schaffen.“ – „Servus, ChatGPT, Saskia Esken behauptet, sie sei mit mir per Du, stimmt das?“ – „Schnell Phoenix einschalten, Kinder, der Papa ist im Fernsehen.“ – „Für 2000 Euro Infineon ordern, schnell!“ – „Einmal die 26, bitte, aber ohne Koriander.“ – „Ich kann Ihnen, lieber Herr Frasch, gerade leider kein Interview geben über Nietzsches liebsten Wanderweg im Bayerischen Wald.“ – „Tell Mister Trump I will call him back.“
Söders demonstratives Desinteresse an Eskens gesprochenem Wort wirkte wie ein weiterer Ausdruck der Hierarchien an diesem Tag. Erst sprachen die drei großen Männer (Merz 1,98 Meter, Klingbeil 1,96 Meter, Söder 1,94 Meter) und zum Schluss die am Rand positionierte Saskia Esken, deren deutlich bescheidenere Körpergröße sich nicht mal ergoogeln lässt.
Hatte Merz gerade noch das Vertrauen zwischen den Koalitionspartnern betont, so zeigte Söder: Vertrauen ist gut, Scrollen ist besser. Söder selbst versprach am Mittwoch, die neue Regierung werde keine sein, die „belehrt und erzieht“, und angesichts seiner öffentlichen Handytipperei mag man sich denken: Ein bisschen Belehrung und Erziehung wäre manchmal gar nicht so schlecht.