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Die Zweites Deutsches Fernsehen-Serie „Rembetis – Die Geisterjäger“ ist eine wilde Odyssee | ABC-Z

„Sei, wer du willst“, das ist das Motto von Paris Rembetis (Jasin Challah). Jetzt ist sein Vater Marcos (Pavlos Kourtidis) gestorben, ohne letzte Aussprache, was bedauerlich, aber wohl unvermeidlich war. Manchmal sind Familienbande eben wie Krakenarme. Kommt man in ihre Nähe, ist es geschehen um die erkämpfte Selbstbestimmung. Besonders authentisch sieht Paris’ neuerfundenes Ich nicht aus. Siebziger-Jahre-Schlagerfuzzi-Anzug, Brusthaartoupet, falsche Kauleiste, schwülstiger Charme. Als Paris seiner Familie, seiner Geschichte, seiner Bestimmung und den Traditionen entfloh, um ein mittelmäßiger Schlagersänger zu werden, hat er eine Rolle gegen die andere getauscht. Jetzt wird sein Leben nicht mehr vom Familienbetrieb bestimmt, sondern von der Managerin Irene (Tanja Schleiff).

Sie lockt mit dem Auftritt in der TV-Show von Schlagertitan Florian Goldesel (Michael Kessler). Der Trauerruf aus der Heimat passt Irene nicht ins Konzept. Dass ihre Absichten finstere, tödliche gar sind und auch Goldesel mitnichten bloß ein Trällertalent-Förderer ist; dass es hier um nicht weniger als um die Rettung der Welt geht, ist Paris, dem Helden in spe, nicht klar. Genauso wenig wie die Tatsache, dass nur seine Besinnung auf die griechische Mythologie, auf die Musiktradition des Rembetiko und sein eigener Listenreichtum in Kombination mit Improvisationstalent die Öffnung des Hades verhindern kann.

Deutsche und griechische Spießigkeit

Werde, der du bist – darum geht es unter anderem in der achtteiligen ZDF-Serie „Rembetis – Die Geisterjäger“ von und mit Jasin Challah. Was sich auf den ersten Blick etwas seltsam und wild anhört, ist die erste gelungene der vielen Comedyserien, mit denen uns das ZDF in diesem Jahr eben eher nicht verwöhnt hat. Das liegt daran, dass die Mischung aus Mystery, griechischer Mythologie, Familienserie, Bruderzwist, Außenseitertragik, Musikstilen, Tanzchoreographien, Traditionsamalgamierung, deutsche und griechische Spießigkeit, gewitzte Frauen und dämliche Männer so authentisch und hintergründig wirkt wie nichts, was uns jüngst im TV als Humor verkauft wurde.

„Rembetis“ beginnt verhalten und steigert sich von Folge zu Folge, in denen die Charaktere und ihre vorzüglichen Darsteller mehr und mehr Wahrhaftigkeit vermitteln. Die Familie Rembetis, der Name lehnt sich an die Tradition der Rembetiko-Sänger an, die ihre Weltschmerzweisen als Außenseiter der Gesellschaft leben, mag eine einst stolze Geisterjäger-Familie gewesen sein, nun führt sie bloß den „Olympia Grill“ im Dorf Gosse, weint der verschwundenen Mutter nach, wehrt sich gegen neumodisches Zeug wie veganes Gyros und versucht einfach, den Kopf über Wasser zu halten und mit der Zeit zu gehen.

Was bedeutend einfacher wäre, wenn Paris nicht bei der (gefakten) Totenwache des Vaters dermaßen hinters Licht geführt worden wäre, dass er aus Frust die goldene Bouzouki zerstört, aus der nun jeder der über Jahrzehnte dort eingefangenen Geister, Götter und Dämonen aus dem Schallloch entfleucht. Eris verteilt ihre Zankäpfel im Schützenverein, die Sirene versucht, mithilfe des Damenchors das Patriarchat ein für allemal zu beenden, in Hausfrau Marie (Johanna Gastdorf) fährt der Dämon des Hackfleisches und rächt sich blutig für menschlichen Fleischverzehr, die Lotosesser lassen jugendliche Smartphonebesessene altern und Pan verführt die Bewohner in der „Sportwoche“ zu tödlich endendem Poweryoga. Paris, sein ewig zurückgesetzter Bruder Hektor (Samy Challah), Paris’ Zwillingsschwester und Wahrheitsfinderin Alitheia (Fevronia Topalidou), deren Tochter Hekate (Sofia Koliofotos) sowie der unverblichene Marcos müssen nicht nur alle Geister und mythologischen Figuren fangen, sondern die bevorstehende Öffnung des Hades verhindern.

Nur gemeinsam wird die Welt sich retten lassen. Dazu müssen Hektor und Paris ihren Bruderzwist beenden, müssen die Überlieferungen angeeignet werden und produktiv gemacht. Stellenweise wird „Rembetis“ dabei zum mitreißenden Musical, spielen Bouzouki und Sirtaki die Hauptrolle neben deutschem Schlager und Achtziger-Casio-Synthesizersounds. Pan wird im wahnwitzigen Tanz-Duell besiegt, Eris geht in wütendem Rauch auf ob der Brüderversöhnung. Das Matriarchat schlägt am Ende alles. Die Regie von Sophie Averkamp setzt Jasin Challahs eigenes Odyssee-auf-dem-Dorf-Drehbuch (geschrieben mit Adrian Draschoff, Benedikt Schmitz und Laura Solbach) dabei so kongenial witzig um wie die Kamera von Mahmoud Belakhel. Manches wirkt erst beim zweiten Sehen, mit der Odyssee vor sich und den Verbindungslinien im Kopf. Diese Heimkehr Odysseus’ enthält Stationen an der Wursttheke und im Büro der angstbesetzten „Rundum Kaputtschutz“-Versicherung. Helden-Mythologie, Kampf der Musikstile und Geisterjäger-Trashgeschichten – wer hätte gedacht, dass das so gut zusammen geht? Homer wohl am allerwenigsten.

Rembetis – Die Geisterjäger ist ab heute in der ZDF-Mediathek abrufbar und läuft ab dem kommenden Dienstag wöchentlich um 21.50 Uhr bei ZDFneo.

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