Zum Tod von Dieter Herzog: Ein fast vergessener Weltmeister von 1974 – Sport | ABC-Z

Dieter Herzog, der Flitzer auf dem linken Flügel, ist schon deshalb eine Düsseldorfer Legende, weil er da war, wenn’s drauf ankam. Wenn, zum Beispiel, in der Bundesliga dem FC Bayern ein entscheidender Hieb zu versetzen war: Das war der Moment von Dieter Herzog. Januar 1974 zum Beispiel, 4:2 für die Fortuna, letztes Tor Herzog. Oder, noch legendärer: Juni 1975, 6:5 für die Fortuna, letztes Tor Herzog, ein interessanter Drehschuss, unhaltbar für den Münchner Keeper. „Da lehnt der Sepp Maier am Torpfosten, er kann es nicht begreifen“, staunte der WDR-Reporter Dieter Adler. Die alten Video-Mitschnitte von damals mögen verwaschen sein, aber glasklar ist zu erkennen, wie geistesgegenwärtig der Angreifer Herzog zupackte.
Der Status als personifizierter Bayern-Jäger half ihm auch beim DFB. Weltmeisterschaft 1974, die strahlende Ära der hellblauen Trainingsanzüge. Aber nach dem 0:1 gegen die DDR, Tor Sparwasser, stand alles auf der Kippe, und der Bayern-Anführer und Nationalelf-Regent Franz Beckenbauer verfügte, dass neue Spieler in die Mannschaft rotieren sollten, für frische Impulse. So kam der vom Kaiser respektierte Herzog zu seinen WM-Einsätzen gegen Jugoslawien und Schweden, beide daheim im Düsseldorfer Rheinstadion, zwei Siege im kühlen deutschen Regensommer jenes Jahres. „Oh, wie ist das nass“ sang das Publikum beim Spiel gegen Schweden, als die DFB-Truppe vom Regen wie glasiert wirkte in ihren hübschen, laubfroschgrünen Ausweichtrikots. Der Ergänzungsstürmer Herzog hatte am Ende nur in diesen beiden Partien mitgemacht, dabei aber mehr WM-Spielminuten gesammelt als die Stars Netzer oder Heynckes.
Dass Herzog trotzdem zu den eher vergessenen Weltmeistern gehört, hängt damit zusammen, dass er kein großes Tamtam um seine Person gemacht hat. Herzog (250 Bundesliga-Spiele, 46 Tore) war zwar zur Legende herangewachsen im verheißungsvoll schimmernden Düsseldorf und später dann im nicht ganz so aparten Leverkusen. Im Herzen ist er aber ein schwer geerdeter Ruhrpott-Fußballer geblieben, geboren 1946 in Oberhausen, ausgebildet bei Sterkrade 06/07, VfB Bottrop, Hamborn 07: alter Arbeiterfußball-Adel. Ein klassischer Karriereweg im Nachkriegsdeutschland. Wenig Geld, viel Fußball-Liebe. Vom Vater bekam der Nachwuchskicker Herzog für jeden Treffer 50 Pfennige.
Herzog ist der siebte Weltmeister von 1974, der nicht mehr lebt
Später, als Profi, hätte er bei Betis Sevilla ordentlich verdienen können, blieb aber verwurzelt in Oberhausen, seiner Heimatscholle. Beim Werkself-Podcast hat er vor einigen Jahren mal erzählt: „Meine ganze Familie ist ja aus dem Pott. Wir sind gerne Ruhrpottleute.“ Andere tief im Westen sozialisierte Fußballhelden wie Rudi Assauer haben irgendwann die dicke Zigarre angesteckt und charmant paffend ihren gesellschaftlichen Aufstieg zelebriert. So einer war Dieter Herzog nicht.
Auf den WM-Bildern von 1974 trägt er keinen Schnauz, danach aber hat er die in seiner Heimat angesagte Barttracht bis ins hohe Alter gepflegt und kultiviert. Er war ein nicht nur von früheren Düsseldorfer und Leverkusener Kollegen wertgeschätzter und respektierter Mitspieler aus Zeiten, die längst vergangen sind.
In dieser Woche ist Dieter Herzog gestorben, er wurde 79 Jahre alt. Der inzwischen siebte Tote des deutschen 74er-Weltmeisterkaders. Die hellblauen Trainingsanzüge, mal wieder mit Trauerflor verziert.





















