Arminia Bielefeld: “So richtig glauben tue ich es erst, wenn ich im Olympiastadion bin” | ABC-Z

“Unterschätzt uns ruhig. Haben die Römer auch gemacht.” Unter diesem Motto werden am Wochenende etwa 100.000 Fans von Arminia Bielefeld nach Berlin kommen. Im DFB-Pokalfinale gegen den VfB Stuttgart ist der Noch-Drittligist zwar Außenseiter, für seine Anhänger ist das Spiel aber schon jetzt einmalig. Einer von ihnen ist Lennart Wollbrink.
ZEIT ONLINE: Herr Wollbrink, was macht der Puls?
Lennart Wollbrink: Noch brauche ich keinen Arzt. Aber er ist schon etwas höher als normal. Das merke ich.
ZEIT ONLINE: Ist dieses DFB-Pokalfinale gegen Stuttgart der Höhepunkt Ihres Fanlebens?
Wollbrink: Ja, ohne Wenn und Aber.
ZEIT ONLINE: Die Woche vor dem großen Spiel kann auch sehr lang werden. Lenken Sie sich ab oder stürzen Sie sich rein in die Vorfreude?
Wollbrink: Ich haue mich voll rein. Man sagt ja, dass Vorfreude die schönste Freude ist. Ich hoffe, dass es in diesem Fall falsch ist, also dass die Freude vor Ort nochmal größer ist, wenn wir dann gewonnen haben. Aber es vergeht kein Tag, an dem ich nicht irgendwelche Highlightvideos anschaue. Heute Morgen etwa habe ich mir alle Tore der Arminia in der 3. Liga angeschaut.
ZEIT ONLINE: Worauf freuen Sie sich besonders?
Wollbrink: Auf zwei Dinge: Darauf, dass meine Frau auch dabei ist, weil das Kind bei den Großeltern ist. Meine Frau konnte ich erst vor fünf, sechs Jahren davon überzeugen, dass Arminia total toll ist. Dass wir das teilen können, ist super. Und zweitens: Arminia Bielefeld ist jetzt nicht unbedingt für Glamour bekannt. Die Arminia gilt als Fahrstuhlmannschaft. Und jetzt kommen wir zum Finale in die Hauptstadt, da werden ein Haufen Arminiaflaggen hängen und überall die Vereinsfarben. Dass es ein Fanfest von Arminia Bielefeld auf dem Alexanderplatz gibt, wie surreal ist alleine das? Das wird mir vorkommen, als wäre irgendwo eine versteckte Kamera.
ZEIT ONLINE: Arminia ist ja auch noch aus der dritten in die zweite Liga aufgestiegen. Ist Ihnen Ihr eigener Club gerade unheimlich?
Wollbrink: Der Ostwestfale an sich ist wahrscheinlich erst mal etwas überfordert von diesem ganzen Tamtam. Auch ich habe so einen Hype um die Arminia noch nie erlebt. Aber mir ist das nicht zu viel. Ist doch schön. Solange der Verein in Sachen Marketing nicht übertreibt, sondern sich darauf besinnt, wo er herkommt.
ZEIT ONLINE: Wie haben Sie das jetzt schon legendäre Halbfinale gegen Leverkusen erlebt?
Wollbrink: Das war unglaublich. Ich bin selten so häufig hochgesprungen, nur weil einer mal den Ball ins Aus gegrätscht hatte. Absolut auf Anschlag, da hätten Sie mich nach dem Puls nicht fragen dürfen. Und dann war es plötzlich aus. Bis ich realisiert hatte, dass es jetzt tatsächlich nach Berlin geht, habe ich ein paar Momente gebraucht. So richtig glauben tue ich es erst, wenn ich im Olympiastadion bin.
ZEIT ONLINE: Wie sind Sie an Tickets fürs Finale gekommen?
Wollbrink: Alle Dauerkarteninhaber auf der Alm durften auch ein Ticket für Berlin bekommen. Man hat versucht, den Bielefelder Sitzplan aufs Olympiastadion zu projizieren. Damit man in etwa neben denen sitzt, neben denen man sonst auch sitzt. Das hat auch ganz gut geklappt.
ZEIT ONLINE: Angenommen, das Prozedere wäre ein anderes gewesen und Sie hätten sich auf den Sekundärmarkt begeben müssen: Hätten Sie eine Schmerzgrenze gehabt?
Wollbrink: Ja, aber die wäre verhandelbar gewesen. Hätte ich jetzt gesagt 500 Euro für eine Karte und hätte dann zwei für 1.200 bekommen, hätte ich es auch gemacht.
ZEIT ONLINE: Klingt, als ob da noch Luft nach oben gewesen wäre.
Wollbrink: Ich wäre sicher ein sehr dankbarer Verhandlungspartner für den Verkäufer gewesen. Ich finde es übrigens richtig gut, wie Arminia gegen Zweitmärkte vorgeht. Man bekommt regelmäßig E-Mails, dass die das überwachen und überprüfen. Weil das ja ein besonderes Ereignis für alle Fans ist und wenn das dann nur welche machen, um sich zu bereichern, ist das einfach schade.
ZEIT ONLINE: Klären Sie uns doch mal über das berühmte Café Europa auf.
Wollbrink: Ich muss gestehen, dass ich schon selbst viele, viele Jahre nicht mehr da war. Das ist eine Diskothek am Jahn-Platz, die gibt es schon lange. Aber warum gerade die jetzt so populär wurde, keine Ahnung.
ZEIT ONLINE: Ist die Auswahl vielleicht begrenzt in Bielefeld?
Wollbrink: Das könnte der Grund sein. Es war ja auch unter der Woche, da hatte nicht so viel auf. Aber die Bilder der feiernden Spieler nach dem Halbfinalsieg, die durchs Internet wanderten, waren fantastisch. Dem Café Europa hat es sicher nicht geschadet.
ZEIT ONLINE: Wie sind Sie zur Arminia gekommen?
Wollbrink: Ich hatte schon eine Dauerkarte, da konnte ich kaum laufen. Im Stadion saß ich neben Papa und Opa. Der Klassiker. Anfangs fand ich das alles ein bisschen befremdlich und es war mir auch zu laut. Und ich hatte immer Angst, wenn die Stimmung etwas kippte und viel gepfiffen wurde, daran kann ich mich noch erinnern. Aber ich bin nie wieder davon weggekommen. Ich bin jetzt 38 Jahre alt, und gute 33 oder 34 Jahre davon bin ich Arminia-Fan. Gibt Schlimmeres.