Sipri-Report offenbart Rekorderlöse deutscher Rüstungsunternehmen | ABC-Z

Kampfjets, Raketen, Munition: Wegen des Ukraine-Kriegs und geopolitischer Spannungen macht die Rüstungsindustrie weltweit Rekordumsätze. Deutsche Rüstungsunternehmen profitieren überdurchschnittlich vom Boom und werden weltweit immer wichtiger. Das geht aus einem neuen Bericht des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri hervor, der am Montag veröffentlicht werden soll und unserer Redaktion vorab vorlag.
Laut Sipri stiegen die Umsätze der hundert größten Rüstungsunternehmen weltweit im vergangenen Jahr um 5,9 Prozent auf die Rekordsumme von 679 Milliarden US-Dollar (umgerechnet 586 Milliarden Euro). Besonders kräftig war das Plus in Europa und den USA. Unter den globalen Top 100 sind auch sieben Rüstungsfirmen aus Deutschland oder mit deutscher Beteiligung – und sie rücken vor.
Rheinmetall steigerte seinen Umsatz kräftig
Rheinmetall als größter Waffenproduzent in Deutschland steigerte dem Report zufolge 2024 den Umsatz im Rüstungssektor um 47 Prozent auf 8,24 Milliarden Dollar (7,11 Milliarden Euro). Das Düsseldorfer Unternehmen kletterte damit im Ranking der 100 führenden Unternehmen von Platz 26 auf Platz 20. „Dieser starke Anstieg wurde durch die wachsende Nachfrage nach gepanzerten Fahrzeugen und Munition im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine getrieben“, so der Sipri-Report.
Rheinmetalls Umsätze aus der Ukraine selbst haben sich 2024 auf 1,4 Milliarden US-Dollar (1,21 Milliarden Euro) verdoppelt, was auf das Joint Venture mit der JSC Ukrainian Defense Industry zurückzuführen sei.
Sipri-Bericht: Diehl machte mit 57 Prozent den größten Umsatzsprung
Zu den rein deutschen Unternehmen unter den Top hundert zählen laut Sipri-Bericht neben Rheinmetall auch die Waffenschmieden Diehl (Platz 67), Hensoldt (62) und ThyssenKrupp (61). Zusammengenommen stiegen die Rüstungsumsätze der vier Unternehmen um 36 Prozent auf 14,9 Milliarden US-Dollar (12,85 Milliarden Euro), so der Report. Diehl machte mit einer Steigerung der Rüstungsumsätze um 57 Prozent den größten Sprung, erlöste 2,1 Milliarden US-Dollar (1,81 Milliarden Euro). „Der Krieg in der Ukraine trieb die Nachfrage nach Militärausrüstung von Diehl weiter an“, schreiben die Sipri-Experten. „2024 lieferte Diehl im Rahmen der deutschen Unterstützung für die Ukraine Material, darunter bodengestützte Luftverteidigungssysteme.“
Ein Launcher des Luftverteidigungssystems IRIS-T SLM der Firma Diehl Defence.
© Sebastian Gollnow/dpa | Sebastian Gollnow
Diehl ist Produzent des Flugabwehrsystems Iris-T SLM, das Deutschland jetzt auch der Ukraine zur Verfügung stellt. Das Unternehmen unterzeichnete außerdem einen Rahmenvertrag über die Lieferung von 155-Millimeter-Artilleriegranaten an Deutschland – Diehls bisher größter Munitionsauftrag. ThyssenKrupp mit seiner Marinesparte TKMS als Hersteller von U-Booten und Fregatten erreichte ein Umsatzplus von 12 Prozent auf 1,97 Milliarden Euro.
Hensoldt, zu dessen Produktbereichen Radare und optoelektronische Systeme gehören, verzeichnete demnach ein Plus von 18 Prozent auf 1,93 Milliarden Euro. Der Rüstungskonzern KNDS, hervorgegangen aus dem deutschen Panzerbauer Krauss-Maffei Wegmann und dem französischen Landsystemhersteller Nexter und unter anderem Produzent des Leopard-Kampfpanzers, stieg im Ranking mit einem Umsatz von 4,1 Milliarden Euro auf Platz 42. Das europäische Rüstungsunternehmen MBDA, das im bayerischen Schrobenhausen Lenkflugkörper und Luftverteidigungssysteme herstellt, erhöhte seine Rüstungserlöse auf 4,55 Milliarden Euro (plus 7,8 Prozent) und bleibt im Ranking auf Platz 30. Der europäische Luft- und Raumfahrtkonzern Airbus machte mit seiner Rüstungssparte – zu der 15 Standorte in Deutschland gehören – einen Umsatz von 13,37 Milliarden Euro, rutschte aber von Platz auf 12 auf Platz 13 ab.
Europäische Rüstungsindustrie hat ein Problem
Der Großteil des weltweiten Umsatz-Anstiegs entfällt auf Unternehmen mit Sitz in Europa und den Vereinigten Staaten, doch verzeichnen alle in den Top 100 vertretenen Weltregionen Zuwächse. Einzige Ausnahme bildeten Asien und Ozeanien, wo Probleme innerhalb der chinesischen Rüstungsindustrie das regionale Gesamtergebnis drückten. Die Branche ist auf Expansionskurs: Viele Rüstungsunternehmen hätten ihre Kapazitäten erweitert, Tochtergesellschaften gegründet und Firmen hinzugekauft, berichten die Sipri-Autoren.
Ein Leopard 2 Kampfpanzer der Bundeswehr bei einer Nato-Übung.
© picture alliance/dpa | Kay Nietfeld
„Im vergangenen Jahr erreichten die weltweiten Rüstungsumsätze den höchsten jemals von Sipri verzeichneten Wert, da die Hersteller die hohe Nachfrage nutzten“, sagt Lorenzo Scarazzato, Forscher im Sipri-Programm für Militärausgaben und Rüstungsproduktion. „Obwohl die Unternehmen ihre Produktionskapazitäten ausgebaut haben, stehen sie weiterhin vor einer Reihe von Herausforderungen, die sich auf Kosten und Liefertermine auswirken könnten.“
Vor allem die Materialbeschaffung könnte sich als zunehmende Herausforderung erweisen. „Insbesondere die Abhängigkeit von kritischen Mineralien dürfte die europäischen Aufrüstungspläne verkomplizieren“, vermuten die Stockholmer Rüstungsexperten. Ihr Report nennt als Beispiel den Airbus-Konzern. Angesichts der chinesischen Exportbeschränkungen für kritische Mineralien warnten aber auch Unternehmen wie Rheinmetall oder der französische Thales-Konzern vor den potenziell hohen Kosten einer Umstrukturierung ihrer Lieferketten.
Zentrum der globalen Rüstungsproduktion bleiben die USA: Vier der fünf führenden Waffenhersteller weltweit befinden sich in den Vereinigten Staaten – mit einem Drittel der Rüstungsumsätze der Top-100. Von den hundert größten Unternehmen sind 39 in den USA beheimatet, sie steigerten ihre Umsätze um 3,8 Prozent auf 334 Milliarden Dollar, die Hälfte aller Einnahmen in diesem Ranking. Obwohl Verzögerungen und Kostenüberschreitungen seit langem Merkmale militärischer Modernisierungsbemühungen weltweit seien, machten sie sich besonders ausgeprägt in den USA bemerkbar, monieren die Forscher. Das binde noch mehr staatliche Ressourcen, belaste die langfristigen Militärbudgets und die Planung.
Russische Waffenschmieden steigern Produktion drastisch
Verzögerungen und Kostensteigerungen gebe es etwa beim U-Boot-Programm der Columbia-Klasse, dem Kampfflugzeug F-35 und der Interkontinentalrakete Sentinel. Es bestehe Unsicherheit, wann wichtige neue Waffensysteme und Modernisierungen bestehender Systeme geliefert und eingesetzt werden können. „Die Verzögerungen und steigenden Kosten werden sich auf die militärische Planung und die Militärausgaben der USA auswirken“, sagt Xiao Liang, Forscher beim Sipri-Programm für Militärausgaben und Rüstungsproduktion.
Zum dritten Mal in Folge wurden in den Top 100 nur zwei russische Unternehmen notiert, Grund ist das Fehlen verlässlicher Daten. Die staatliche Holdinggesellschaft Rostec steht auf Rang 7, die United Shipbuilding Corporation (USC) auf Rang 41. Im Jahr 2024 stiegen die kombinierten Waffeneinnahmen von Rostec und USC um 23 Prozent auf geschätzte 31,2 Milliarden Dollar – die Exporte gehen zurück, dafür wird mehr für die russische Armee produziert, vor allem Panzer, Artillerie, Raketen und Drohnen.
Rüstungsumsätze der größten chinesischen Konzerne sanken
Russland produzierte beispielsweise voriges Jahr 1,3 Millionen 152-mm-Artilleriegranaten, verglichen mit 250.000 im Jahr 2022 – ein Anstieg um 420 Prozent. Auch die Produktion der Iskander-Kurzstreckenrakete vom Typ 9M723, die bei Angriffen gegen die Ukraine häufig eingesetzt wird, stieg von 250 im Jahr 2023 auf 700 im vorigen Jahr. Doch seien russische Unternehmen weiterhin stark von ausländischen elektronischen Bauteilen abhängig, die nun unter die Sanktionen fallen – vor allem im Flugzeugbau mache sich das bemerkbar, heißt es im Sipri-Bericht. Außerdem fehlten Fachkräfte, um die prognostizierten Produktionsraten zu erreichen. Unternehmen bauten daher Partnerschaften mit Universitäten auf, um den Fachkräftemangel zu beheben.
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
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Die kombinierten Rüstungsumsätze der acht in China ansässigen Unternehmen unter den Top 100 sanken laut Sipri-Report 2024 um 10 Prozent auf 88,3 Milliarden US-Dollar. Sechs dieser Unternehmen hätten mit Korruptionsvorwürfen zu kämpfen, was zu Verzögerungen und Vertragsüberprüfungen zur Folge hatte.

















