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Bundestrainer Wück nach Schweden-Spiel: “Liegen ein bisschen am Boden” | ABC-Z


analyse

Stand: 13.07.2025 07:40 Uhr

Die DFB-Frauen haben am Samstagabend in Zürich gegen Schweden mit dem 1:4 (1:3) die höchste Niederlage ihrer EM-Geschichte kassiert. Auch die Art und Weise schmerzte. Bundestrainer Christian Wück reagierte erst, als es schon zu spät war. Im Viertelfinale ist eine Reaktion gefragt.

Ob die Stadionregie einfach stur einem Ablaufplan folgte oder Sinn für Humor hat, ist nicht überliefert. Aber als die deutschen Spielerinnen, die von Schweden in der ersten Hälfte regelrecht vorgeführt worden waren, nach dem Pausenpfiff wie bedröppelt in die Kabine trotteten, dröhnte Gloria Gayners Evergreen “I will survive” aus den Boxen. Getreu dem Motto: So schlimm ist es nun auch wieder nicht.

1:3 lag das Wück-Team zurück und war zudem nach einer Roten Karte für Carlotta Wamser in Unterzahl. In fußballerischer Hinsicht ging es eigentlich nur noch darum, “zu überleben”. Am Ende stand es 1:4 – die DFB-Frauen wurden von den Schwedinnen in Halbzeit zwei zumindest nicht abgeschossen. Aber auch so war es die höchste EM-Niederlage ihrer Geschichte.

Nicht von ungefähr sagte Bundestrainer Wück nach dem Schlusspfiff auf die Frage, was diese Niederlage für die Chancen auf den anvisierten Titel bedeuten würde: “Wir liegen ein bisschen am Boden. Man muss das Spiel natürlich anschauen; man muss das Positive herausziehen, man muss aber auch das Negative mit den Spielerinnen abklären und analysieren.” Die Partie habe man sich ganz anders vorgestellt.

Eriksson: “Bälle erobern und Deutschland hinten bestrafen”

Ganz anders sah es bei den Schwedinnen aus, die mit drei Siegen und viel Selbstbewusstsein ins Viertelfinale einziehen. “Wir wussten, dass Deutschland mit vielen Spielerinnen angreifen würde. Also haben wir gehofft, dass wir die Bälle im Mittelfeld erobern und sie hinten bestrafen können”, erklärte Abwehrchefin Magdalena Eriksson, die Deutschland für die starke Anfangsphase lobte.

Doch danach ging der Plan umso mehr auf. Auch, dass das Spiel vor allem über Rechtsaußen Johanna Rytting Kaneryd lief, war genauso geplant, wie Eriksson berichtete: “Wir wollten ihr so oft es geht den Ball geben und sie in Eins-gegen-eins-Situationen schicken. Wir haben dort Lücken erwartet und diese ausgenutzt.”

Schwedens Matchplan geht genau auf

Nach der starken Anfangsphase der DFB-Frauen, denen “nur” das 1:0 von Jule Brand gelungen war, nahm das Unheil seinen Lauf, als ausgerechnet Kapitänin Janina Minge einen Ball unglücklich zu Kosovare Asllani bugsierte. Stina Blackstenius setzte sich im Rücken von Rebecca Knaak ab. Die linke Innenverteidigerin kam nicht mehr hinterher – und von der weit aufgerückten Linksverteidigerin Sarai Linder war weit und breit nichts zu sehen. Das 1:1 war wie direkt aus dem Matchplan von Schwedens Trainer Peter Gerhardsson entsprungen.

Deutschlands linke Abwehrseite viel zu langsam

In der Folge brachten Rytting Kaneryd und auch Smilla Holmberg die deutsche Abwehr immer wieder ins Schwimmen. Erst sah es so aus, als wollte Wück auf das deutsche Tempo-Defizit schnell reagieren: Früh schickte er unter anderem Franziska Kett (Linksverteidigerin) und Sophia Kleinherne (Innenverteidigerin) zum Warmmachen. Aber es war nicht mehr als das normale Aufwärmprozedere für die Ersatzspielerinnen. Dabei hätte eine Umstellung womöglich das verhindern können, was dann folgte.

Schweden hat unsere linke Seite überladen. Da müssen wir kompakter stehen und eine klarere Zuteilung haben. Auf dem Niveau geht es extrem schnell.

Nationalspielerin Klara Bühl

Erst enteilte Holmberg einmal mehr Linder. Als diese – von Linksaußen Klara Bühl unterstützt – retten wollte, schoss sie Holmberg an und vom Fuß der schwedischen Rechtsverteidigerin rauschte der Ball zum 2:1 für die Skandinavierinnen in die Maschen.

Kurz darauf brach wieder Rytting Kaneryd durch, ließ Knaak ins Leere grätschen und legte vor dem Tor quer. Fridolina Rolfös Schuss parierte Carlotta Wamser auf der Torlinie fast reflexartig mit der Hand. Elfmeter, 3:1 für Schweden, Tiefschlag für Deutschland.

Bühl fand hinterher die deutlichsten Worte. Die Führungsspielerin bemängelte zu wenig Kommunikation und eine unzureichende Abstimmung. Das Team habe “das Spiel innerhalb von 15 Minuten hergegeben”, “gefühlt dreimal das gleiche Tor” kassiert und sei “ein Stück weit zusammengefallen”.

Alles auf die Rote Karte zu schieben, ist zu kurz gedacht

Wück bezeichnete die Rote Karte als “entscheidend”. Aber auch ohne Wamsers Hand-Rettungsaktion hätte es 3:1 für Schweden gestanden. Und Jule Brand, die einzige deutsche Torschützin, betonte: “Sie kann nichts dafür. Sie war am Ende die Leidtragende.”

Für Deutschland war alles viel zu schnell gegangen – eben besonders auf der linken Seite. Genauso wie das Team verpasste es auch der Bundestrainer, frühzeitig auf das sich abzeichnende Desaster mit einer Umstellung oder einem Wechsel zu reagieren. Das Tempo-Defizit war nicht zu übersehen.

Erst, als es schon zu spät war, reagierte Wück – gezwungenermaßen: Er hätte in der Pause “noch ein bisschen die Fantasie gehabt, mit der Systemumstellung” auf eine defensive Dreierkette vielleicht doch noch mal zurückzukommen. Aber dafür waren die Schwedinnen auch in der zweiten Hälfte zu konzentriert. Beim vierten Gegentor ging es der deutschen Abwehr dann wieder zu schnell: Lina Hurtig musste am Ende einer sehenswert vorgetragenen Kombination nur noch den Fuß hinhalten.

Kann sich Deutschland wieder aufrappeln?

Damit spielt Deutschland sein Viertelfinale erst am kommenden Samstag (19.07.2025, 21 Uhr) – gegen den Ersten der Gruppe D; aktuell wäre das Frankreich. Und wer gesehen hat, wie die schnelle französische Offensive um Delphine Cascarino – besonders beim 2:1 gegen England – bisher gewirbelt hat, dem kann nach dem Schweden-Spiel eigentlich nur angst und bange um die DFB-Frauen werden.

Vielleicht war es ein Schüttler. Vielleicht war es gut, dass es in dem Spiel passiert ist, dass uns das wach macht, dass uns sowas nicht passieren darf.

Nationalspielerin Jule Brand

Leicht gereizt erklärte Wück, dass die Dreierkette natürlich auch im Viertelfinale “eine Option” sei, sonst hätte er sie seinem Team ja nicht in der zweiten Hälfte gegen Schweden verordnet. Aber auch das zentrale Mittelfeld muss auf den Prüfstand, Elisa Senß und Sjoeke Nüsken hatten keinen Zugriff aufs Spiel.

Und es braucht gegen Top-Gegner mehr Torgefahr aus dem offensiven Mittelfeld, wenn Bühl und Brand – wie gegen Schweden – diese eben zu selten entfachen können. Laura Freigang, die erstmals im Turnier von Beginn an auf der Zehn ran durfte, konnte sich bei dem bitteren Spielverlauf nicht empfehlen und musste schon zur Pause runter.

“I will survive” als Wegweiser fürs Viertelfinale?

Es gelte jetzt, “sich zu schütteln”, erklärte Wück, und im Viertelfinale wieder “unsere Stärken auf den Platz zu bringen”. Man werde sich zwar genau vorbereiten und auf den kommenden Gegner einstellen. Aufs “Reagieren, Zerstören und hinten reinstellen, um die Null zu halten”, lasse sich seine Mannschaft aber nicht beschränken. Dafür hätte er “die falschen Spielerinnen”.

Im Song “I will survive” geht es übrigens nicht nur ums Überleben, sondern darum, Widerstände zu überwinden und gestärkt daraus hervorzugehen. Der Song soll Menschen Mut machen, ihnen wieder Selbstvertrauen geben. Und damit könnte die Stadionregie des Züricher Letzigrunds den DFB-Frauen bereits den richtigen Weg gewiesen haben.

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