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Bezirk Oberbayern lässt Traum von Industriemuseum in Dachau platzen – Dachau | ABC-Z

Das geplante neue Museumsforum galt als „Jahrhundertprojekt“. In den denkmalgeschützten Hallen der stillgelegten Papierfabrik am Fuße der Dachauer Altstadt sollten nicht nur die Galerien und Museen der Stadt neu gebündelt werden, auch eine Attraktion von überregionaler Strahlkraft sollte hier entstehen: Oberbayerns erstes Arbeiter- und Industriemuseum. Die historischen Hallen der 1862 gegründete München-Dachauer-Aktiengesellschaft für Maschinen-Papierfabrikation (MD), die bis 1996 hier fabrizierte, schienen dafür ein idealer Standort zu sein. Bis zu 40 000 Besucher sollte es jedes Jahr nach Dachau locken.

Zwei Jahre nach dem Beginn der Planungen ist das Projekt gescheitert. Der Bezirk Oberbayern hat überraschend seinen Rückzug erklärt. Zum Jahresende 2026 – früher lassen es die vertraglichen Fristen nicht zu – will er aus dem Zweckverband Dachauer Galerien und Museen aussteigen. „Das ist sehr bitter“, sagt Bezirksrätin Barbara Kuhn, CSU. Mehr als 16 Jahre lang hat sie die Pläne für ein Industriemuseum begleitet. Lange wurde nach einem geeigneten Standort gesucht, die ehemalige Papierfabrik in Dachau schien die ideale Lösung zu sein. Doch jetzt liegt das Problem woanders: beim Geld.

„Die Kommunen schwächeln gewaltig“, sagt Kuhn. 95 Prozent des Haushalts seien bereits für die gesetzlichen Pflichtaufgaben des Bezirks reserviert, dazu kämen„Investitionen von bis 250 Millionen Euro“, die Tarifabschlüsse im öffentlichen Diensts machten sich ebenfalls bemerkbar. Die Entscheidung auszusteigen, fiel Kuhn nicht leicht. „Mir blutet das Herz“, sagt sie. „Aber am Ende hat die Vernunft gesiegt.“

Josef Bauer hat einen Großteil seines Lebens bei der MD gearbeitet. Das Bild stammt von 2015, mittlerweile sind bis auf die denkmalgeschützten Hallen alle Gebäude auf dem Werksgelände abgerissen. (Foto: Niels P. Joergensen)

Als der Bezirk Oberbayern im August 2023 dem Zweckverband beitrat, galt das als Durchbruch. Gemeinsam mit dem Landkreis und der Stadt Dachau wollte er ein Konzept für Aufbau und Betrieb des Museumsforums entwickeln. „Die Kulturgüter des Dachauer Landes auf dem MD-Gelände in einem attraktiven und modernen Umfeld zeitgemäß zu präsentieren, ist eine großartige Aufgabe“, hatte der vormalige Präsident des Bezirkstags, Josef Mederer (CSU) damals erklärt. „Im Bezirk sind wir fest entschlossen, das Projekt kraftvoll anzuschieben.“

Jedes Jahr steuerte der Bezirk Oberbayern 600 000 Euro für das geplante Museum für Arbeit und Industriekultur bei. Die Planungskosten hätte man weitertragen können, sagt Bezirksrätin Kuhn, aber das Museum sollte ja auch gebaut werden. Eine Studie, die mittlerweile auch schon fünf Jahre zurückliegt, beziffert die zu erwartenden Kosten auf rund 27 Millionen Euro.

„So ein Museum baut man nicht in zwei, drei Jahren“

Josef Bauer findet es schade, dass aus dem ambitionierten Vorhaben nichts wird. Über viele Jahrzehnte hat er in der Elektroabteilung der MD gearbeitet. „Die Papierfabrik war ein sehr wichtiger Ort für Dachau“, sagt Bauer. Nach seinem Eindruck war aufseiten der Politik zuletzt aber schon „die Luft raus“, man habe eine Chance vertan. „So ein Museum baut man nicht in zwei, drei Jahren“, sagt er. „Das wäre etwas für die nächsten hundert Jahre gewesen.“

In den Hallen lagern noch gut 20 Kisten mit Relikten der alten Papierfabrik. Was daraus nun wird, ist ebenso unklar wie die Zukunft der Druckwerkstatt. Die Künstlervereinigung Dachau hätte die Sammlung ihrer historischen, teils mehr als 100 Jahre alten und noch funktionstüchtigen Maschinen gerne dem Industriemuseum vermacht, wo man sie dauerhaft hätte erhalten können.

Nina Möllers, Gründungsdirektorin des Museumsforums, hinter den Fensterscheiben der Neuen Galerie. Erst im Mai musste sie das Haus wegen Budgetkürzungen schließen.
Nina Möllers, Gründungsdirektorin des Museumsforums, hinter den Fensterscheiben der Neuen Galerie. Erst im Mai musste sie das Haus wegen Budgetkürzungen schließen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Bereits seit Anfang 2024 arbeitete ein interdisziplinäres Team unter der Leitung von Gründungsdirektorin Nina Möllers an den Grundlagen eines Konzepts für das Museumsforum. Die Erwartungen waren groß: Möllers gilt als Expertin. Die promovierte Historikerin arbeitete bereits am Deutschen Museum in München, am Technoseum in Mannheim und war maßgeblich am Aufbau des Biotopia-Projekts des Naturkundemuseums Bayern beteiligt.

Es sollte nicht nur um Kultur gehen, sondern auch um gesellschaftliche Teilhabe

Auch für Dachau hatte sie große Pläne: Das Museumsforum, in das auch die Gemäldegalerie und das heimatkundliche Bezirksmuseum integriert worden wären, sollte „keine Insel sein, sondern sich vernetzen, nicht nur in der Stadtgesellschaft, sondern auch im Landkreis und darüber hinaus“. Es sollte ein Ort der „Partizipation und gesellschaftlichen Teilhabe“ sein, ein Ort der Kultur, der Kommunikation und der lebendigen Demokratie. Das klang alles sehr schön, hätte aber auch viel Geld gekostet.

Schon kurz nach Amtsantritt sah Nina Möllers sich mit massiven Kürzungsplänen konfrontiert. Die Neue Galerie, seit 32 Jahren Aushängeschild für zeitgenössische Kunst und moderne Positionen der Landschaftsmalerei, musste der Zweckverband zum 1. Mai schließen, nachdem Landkreis und Stadt das Budget jeweils um 20 000 Euro gekürzt hatten. „Dass es kein einfaches Projekt ist, war allen klar“, sagt Möllers. Vom Rückzug des Bezirks ist sie dennoch kalt erwischt worden. „Wenn ich so etwas hätte kommen sehen, hätte ich mir überlegt, ob ich die Stelle antreten soll.“ Für sie stellten sich nun „sehr viele Fragen“.

Dachaus Museen sind nicht auf der Höhe der Zeit

Die drängendste ist in den Augen des Dachaus Oberbürgermeisters Florian Hartmann (SPD) diese: „Was machen wir mit unserer Museumslandschaft?“ Die Häuser des Dachauer Zweckverbands gelten als veraltet, von Digitalisierung keine Spur, moderne Medien sind hier bisher nicht im Einsatz. Und wer im Rollstuhl das Bezirksmuseum besuchen will, schafft es über das steile Kopfsteinpflaster nicht mal bis zur Eingangstür. An all dem hat sich in den vergangenen Jahren nichts geändert. „Wir haben inhaltlich und baulich auch nichts mehr gemacht“, gibt der Dachauer Landrat Stefan Landrat Löwl (CSU) zu. Alle Hoffnungen ruhten auf dem neuen Museumsforum. Das, wie man jetzt weiß, wohl nicht mehr kommen wird. Auch wenn der Austritt aus dem Zweckverband formal erst noch vollzogen und beschlossen werden muss, ist Löwl klar: „Wir haben jetzt eine komplett neue Sachlage.“

Das Dachauer Museumsforum in den denkmalgeschützten Hallen der ehemaligen Papierfabrik, hier die Simulation, bleibt wohl ein Luftschloss.
Das Dachauer Museumsforum in den denkmalgeschützten Hallen der ehemaligen Papierfabrik, hier die Simulation, bleibt wohl ein Luftschloss. (Foto: Stadt Dachau)

Durch die Bündelung der Museen aus Kunstgeschichte, Industrie, Technik und Heimatkunde unter einem Dach hatte Oberbürgermeister Hartmann auf starke „Synergieeffekte“ gehofft. „Das wäre eine große Chance für Stadt und Landkreis Dachau gewesen“, sagt er. Einen Umzug in die Hallen der ehemaligen MD-Fabrik hält er unter den neuen Gegebenheiten allerdings für völlig unrealistisch: „Wie soll das funktionieren?“

Eigentlich sollte das neue Museumsforum eine städtebauliche Klammer bilden zwischen der historischen Altstadt und einem weiteren Großprojekt, dem neuen Wohn- und Geschäftsviertel auf dem einstigen Papierfabrikgelände. Die langwierige und schwierige Konversion des 17 Hektar großen Areals sieht der Dachauer OB durch die neuen Entwicklungen allerdings nicht in Gefahr, dafür seien die denkmalgeschützten Hallen im Verhältnis flächenmäßig zu unbedeutend. „Man wird sich jetzt eine neue Nutzung für diesen Bereich überlegen müssen“, sagt Hartmann.

Die Wahl des Standorts ist erst der zweite Schritt

Nun müssten sich aber alle Beteiligten erst einmal Gedanken darüber machen, wie es mit den Dachauer Museen weitergehen soll. Erster Schritt: „Was will man inhaltlich der Öffentlichkeit präsentieren?“ Erst im zweiten Schritt könne man dann entscheiden: „Wo setzten wir es baulich um?“ Einen Masterplan hat er dafür nicht in der Schublade, „wir stehen vor einem weißen Papier“. Weshalb Dachaus Landrat Löwl, anders als Hartmann, erstmal keine Option ausschließen will. „Sag niemals nie.“

Der Dachauer Landrat hofft, dass der Zweckverband Nina Möllers, die ja eigentlich für die Entwicklung des Museumsforums eingestellt worden ist, dafür gewinnen kann, die verbliebenen Dachauer Museen weiterzuentwickeln.  Allerdings hat die Expertin schon in der Vergangenheit erklärt, dass die Dachauer Museen umziehen müssten, wenn sie nicht in der Bedeutungslosigkeit versinken sollen: „An den derzeitigen Standorten sind sie nicht zukunftsfähig.“

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