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Fliegerhorst Fürstenfeldbruck: Die Konversion rückt in ferne Zukunft – Fürstenfeldbruck | ABC-Z

Die vorerst letzte Wendung in der Angelegenheit zeigt erneut, dass das Schicksal des Fliegerhorstes, wie seine Entstehung und Geschichte, stets vom Verlauf der internationalen Staatenkonkurrenz abhängt. Erbaut 1935 in Vorbereitung des nationalsozialistischen Eroberungskrieges, fortgeführt als wichtiger Luftwaffenstützpunkt im Kalten Krieg zuerst von den Amerikanern, ab 1957 von der neuen Bundeswehr, kam das Ende nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und ihrer Satelliten.

1993 wurde das Jagdbombergeschwader in „Fursty“ aufgelöst, zehn Jahre später endete der militärische Flugbetrieb, und im Dezember 2005 landeten letztmals zwei Militärflugzeuge, um auf dem Areal ausgestellt zu werden. 2010 beschloss eine Koalition aus Union und FDP eine Bundeswehrreform; der damalige Verteidigungsminister und CSU-Hoffnungsträger Karl-Theodor zu Guttenberg schaffte im Handstreich die Wehrpflicht faktisch ab.

Seitdem planen, taktieren und manövrieren die Kommunen rund um den Fliegerhorst, denn im Großraum München mit seinen hohen Bodenpreisen ist das riesige Areal eine fette Beute. Mehrfach gerieten sich Fürstenfeldbruck, Emmering, Maisach und Olching in die Haare. Die kleineren Nachbarn argwöhnten, von der Großen Kreisstadt übergangen zu werden. Zum vorerst letzten Mal kam das vor einem Jahr zum Ausdruck, als der Gemeinderat von Emmering beschloss, sein eigenes Ding zu drehen: Die Kommune werde ein 19 Hektar großes Areal, das direkt an den Flugplatz grenzt, in eigener Regie überplanen. Zuvor hatte man versucht, die Fläche in ein Gesamtkonzept einzubringen.

In all den Jahren hat das Bundesverteidigungsministerium den Ambitionen der Kommunalpolitiker immer wieder einen Strich durch die Rechnung gemacht. Der endgültige Abzug der Truppe, anno 2011 ursprünglich für 2019 in Aussicht gestellt, wurde immer wieder hinausgeschoben, wobei die Begründung lange Zeit lautete, dass das neue Quartier der Offizierschule im mittelfränkischen Roth noch nicht fertig ist. Vor einem Jahr hatte es noch geheißen, die Schließung verschiebe sich von 2026 auf 2030, weil sich die Neubauten für die übrigen Dienststellen, die umziehen sollen, verzögern.

Ausschlaggebend ist die veränderte internationale Lage: Der russische Überfall auf die Ukraine, die Drohkulisse, die das Putin-Regime aufgebaut hat, sorgten schon für allerlei Gerüchte, dass in Sachen Abzug des Militärs das letzte Wort nicht gesprochen sei.

Rückkehr der Natur: Auf dem Rollfeld wächst Gras, das Gelände drumherum auf Maisacher Flur ist zum wertvollen Biotop geworden. (Foto: Johannes Simon)
Die Landebahn wird inzwischen auch vom Großen Brachvogel genutzt.
Die Landebahn wird inzwischen auch vom Großen Brachvogel genutzt. (Foto: LBV)
Die Bundeswehr, hier Soldaten bei einer Übung auf dem Gelände 2023, will das Areal nun vorerst doch nicht abtreten und es eventuell weiter nutzen.
Die Bundeswehr, hier Soldaten bei einer Übung auf dem Gelände 2023, will das Areal nun vorerst doch nicht abtreten und es eventuell weiter nutzen. (Foto: Stefan Salger)

Denn seit 2011 wurden viele Begehrlichkeiten vorgetragen. Ein Freizeitpark sollte errichtet werden, ein neues Sportzentrum, ein ganzer Hochschulcampus entstehen. Die Zivilflieger, aus Erding vertrieben, hofften, mit Rückenwind der Staatsregierung in Bruck landen zu können, scheiterten aber 2013 am breiten Widerstand von Anwohnern und Kommunen. Letztlich bekam BMW den Zuschlag für eine Testfahrstrecke auf der ehemaligen Start- und Landebahn.

Ein Jahr später fand in Fürstenfeldbruck ein Symposium statt, über Gestaltung und Inhalt eines Dokumentationszentrums, das die Erinnerung an den Fliegerhorst und die Zeit als Garnisonsstadt bewahren und kritisch aufarbeiten sollte. Im selben Jahr richtete die Regierung eine große Unterkunft für Flüchtlinge in leer stehenden Gebäuden im südlichen Bereich ein, die als sogenanntes Ankerzentrum wohl bis 2030 Bestand haben wird.

Vor dem Eingang hat sich inzwischen eine Kolonie von Saatkrähen etabliert, die aus benachbarten Kommunen vertrieben worden sind. Der Landkreis möchte gern im und vor dem ehemaligen Tower einen Erinnerungsort an das Attentat auf die israelische Olympia-Mannschaft im Jahr 1972 einrichten, vorerst muss das Gedenken im virtuellen Raum stattfinden.

In einem Gebäude auf dem Gelände ist mittlerweile ein sogennanntes Ankerzentrum für Flüchtlinge untergebracht, das bis zunächst 2030 betrieben werden soll.
In einem Gebäude auf dem Gelände ist mittlerweile ein sogennanntes Ankerzentrum für Flüchtlinge untergebracht, das bis zunächst 2030 betrieben werden soll. (Foto: Carmen Voxbrunner)
Die Pläne für das „Biodrom“, die sich der damalige CSU-Landesgruppenvorsitzende Alexander Dobrindt auf dem Gelände von Landrat Thomas Karmasin und Karl-Heinz Jansen von European Radiopharmacy Technologies (vorne, von links) erläutern ließ, sind vom Tisch.
Die Pläne für das „Biodrom“, die sich der damalige CSU-Landesgruppenvorsitzende Alexander Dobrindt auf dem Gelände von Landrat Thomas Karmasin und Karl-Heinz Jansen von European Radiopharmacy Technologies (vorne, von links) erläutern ließ, sind vom Tisch. (Foto: Johannes Simon)
Vor dem Haupttor des Fliegerhorstes erinert eine kleine Gedenkstätte an die Opfer des Olympia-Attentates von 1972. Der Landkreis würde gerne im einstigen Tower einen Erinnerungsort einrichten.
Vor dem Haupttor des Fliegerhorstes erinert eine kleine Gedenkstätte an die Opfer des Olympia-Attentates von 1972. Der Landkreis würde gerne im einstigen Tower einen Erinnerungsort einrichten. (Foto: Jana Islinger)

Sechs Jahre lang wurde die Idee eines „Biodrom“-Technologiecampus und der Produktion von Ausgangsstoffen für Krebstherapie gewälzt, dahinter standen dem Vernehmen nach mehrere finanzstarke Konzerne. In drei Abschnitten sollten insgesamt 32 Hektar belegt werden. Für Bau und Betrieb der Zyklotrone vorgesehen war ein Areal, das BMW noch als Fahrsicherheitszentrum nutzt. Als Erstes sollte ein Teilchenbeschleuniger, ein sogenannter Hochleistungszyklotron, errichtet werden. Die Projektentwicklungsgesellschaft hat sich im Sommer offiziell von dem ehrgeizigen Projekt verabschiedet: wegen der Finanzierung, aber auch wegen verschiedener Umweltschutzaspekte.

Umweltschutzverbände fürchteten, dass die radioaktive Strahlung aus den Zyklotronen Menschen, Tiere und Pflanzen schädigen könnte. Die von einem Vertreter der Industrie- und Handelskammer im Frühjahr geäußerte Idee, einen Betrieb zur Forschung an Atomfusion anzusiedeln, dürfte ebenso wenig auf Begeisterung stoßen. Vermutlich hätte spätestens die Ankündigung der Bundeswehr, das Areal doch nicht aufzugeben, das „Biodrom“ begraben. Fürstenfeldbruck und Maisach verfolgen weiter die Idee, auf dem Gelände Hochtechnologie anzusiedeln, sie wollen eine neue Konzeption entwickeln. Sie gehen davon aus, dass zwischen Augsburg und München der Bedarf für einen Campus besteht.

Ein weiterer Unsicherheitsfaktor, mindestens was die Kosten betrifft, sind die Altlasten, die die Luftwaffe im Boden hinterlassen hat. Der Grundstückswert hängt auch davon ab, welche und wie viele Munitionsreste und Giftstoffe, etwa das krebserregende PFOS aus dem Löschschaum, der früher verwendet wurde, im Untergrund liegen. Der langlebige Stoff wurde jedenfalls in angrenzenden Gewässern nachgewiesen.

„Fürstenfeld Wood“ muss warten:  Der Masterplan des Architekturbüros Adept aus Kopenhagen hat im vergangenen Jahr den städtebaulichen und landschaftsplanerischen Wettberwerb für das Areal gewonnen. In einer Mischung aus Neubauten und Umnutzung des Bestehenden soll auf dem Fliegerhorstgelände ein Viertel für 5000 Menschen entstehen.
„Fürstenfeld Wood“ muss warten:  Der Masterplan des Architekturbüros Adept aus Kopenhagen hat im vergangenen Jahr den städtebaulichen und landschaftsplanerischen Wettberwerb für das Areal gewonnen. In einer Mischung aus Neubauten und Umnutzung des Bestehenden soll auf dem Fliegerhorstgelände ein Viertel für 5000 Menschen entstehen. (Foto: Simulation: Adept/ Repro: Johannes Simon)

Der Grundgedanke der Anrainer war und ist, das Gelände zu nutzen, um neue Wohnhäuser bauen zu lassen und Gewerbe anzusiedeln, die Rede war von bis zu 5000 Bewohnern und 3000 Arbeitsplätzen. Das neue Stadtviertel könnte eine eigene S-Bahn-Station bekommen. Die Stadt Fürstenfeldbruck und die Gemeinde Maisach, auf deren Fluren der Löwenanteil des Geländes liegt, haben dafür eine gemeinsame Planungsgesellschaft gegründet.

Im Frühjahr 2023 startete ein vom Brucker Stadtrat initiierter städtebaulicher und landschaftsplanerischer Wettbewerb. Die Jury entschied sich im April 2024 für den Masterplan „Fürstenfeld Wood“ des Architekturbüros Adept aus Kopenhagen. Sie wollen Wohnen und Arbeiten im neuen Viertel verbinden, Fußgänger und Radfahrer sollen Vorfahrt haben. Von den Altbauten sollen möglichst viele genutzt werden, was wegen der grauen Energie, die in solchen Gebäuden gespeichert ist, die umweltfreundlichste Lösung wäre. Im Januar 2025 wurde Adept beauftragt, den Rahmenplan für die Entwicklung der 200 Hektar auf Brucker Flur zu übernehmen. Bis ins zweite Halbjahr 2028 sollten die Ergebnisse vorliegen.

Die Offizierschule ist Mitte September aus dem blauen Palais ausgezogen, das sie seit 1977 nutzte. Jetzt befinden sich noch vier militärische Einheiten auf dem ehemaligen Fliegerhorst: der Sanitätsdienst, der Ende des Jahres abziehen soll, das Geoinformationswesen, das bis Anfang 2026 nach Euskirchen umziehen soll; der Führungsunterstützungssektor eins sollte Anfang 2027 nach Lechfeld und die Lehrmittelwerkstatt 2030 nach Kaufbeuren verlegt werden. Ob es bei diesen Terminen bleibt, steht in den Sternen.

Der Fürstenfeldbrucker Oberbürgermeister reagierte auf die Ankündigung der Bundeswehr relativ gelassen. Man werde die Pläne eben anpassen, die Projekte würden um ein paar Jahre verschoben. Christian Götz (BBV) hofft, einzelne Flächen aus dem Areal vielleicht doch früher herauslösen zu können. Die CSU-Fraktion im Fürstenfeldbrucker Stadtrat hat angesichts der geänderten Sachlage nun den Antrag gestellt, „sämtliche laufenden sowie geplanten Maßnahmen im Zusammenhang mit der Konversion des Fliegerhorsts Fürstenfeldbruck bis auf Weiteres auszusetzen“ und keine Mittel mehr in die Planungen zu stecken. Zudem sollen die bisherigen Kosten aufgelistet werden.

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