Gesundheit

Ein Arzt hat Ideen für Gesundheitsministerin Nina Warken |ABC-Z

Als Landarzt erlebe ich oft Überraschungen, eigentlich passiert mir das jeden Tag. Und ich würde über mich selbst behaupten, dass ich gut gewappnet bin für Nachrichten und Dinge, die man so nicht voraussehen konnte.

Aber als diese Woche bekannt wurde, wer neue Gesundheitsministerin wird, war selbst ich mal so richtig überrascht. Nina Warken hatte ich, wie sehr, sehr viele andere Mediziner, nicht auf dem Zettel. Aber, Sie kennen mich, ich bin auch ein neugieriger Mensch, also in erster Linie jetzt sehr gespannt, wie die ersten 100 Tage von Frau Warken werden. Bundesgesundheitsministerin zu sein, das ist eine große Herausforderung, weil wir in unserem Gesundheitssystem eigentlich gar keine Zeit mehr haben, noch auf irgendwas zu warten.

Die KV kann keine Landärzte backen

Kleines Beispiel dafür: In einer großen Kommune unseres Landkreises wurde diese Woche eine hausärztliche Versorgung von weniger als 75 Prozent festgestellt. Das heißt, von 100 Hausarztsitzen sind weniger als 75 besetzt. Es ist ein Kreis, der nicht leicht zu besetzen ist, er ist sehr groß in der Fläche, es gibt nur schlechte Verkehrsver­bindungen, und die Aufgaben, vor denen ein Hausarzt steht, sind durchaus herausfordernd. Er muss für seine Patienten weite Wege auf sich nehmen, und es gibt keine Fachärzte in der Region. Der Hausarzt ist immer der erste Ansprechpartner.

Dr. Thomas Aßmann ist 62 Jahre alt und Internist. Er at eine Praxis im Bergischen Land und schreibt hier regelmäßig über seine Arbeit, seine Patienten und das, was ihn als Arzt bewegt.Marcus Simaitis

Wenn die Versorgung unter 75 Prozent fällt, muss die Kassenärztliche Vereinigung tätig werden und zum Beispiel eine eigene Praxis eröffnen. Aber auch die Kassenärztliche Vereinigung kann keine Landärzte backen.

Aber es wird noch spannender. Fällt ein Versorgungsgrad unter 50 Prozent, geht die Sicherstellung der Versorgung im Land auf die Krankenkassen über. Ein Gedankenspiel: Einige Kassenchefs sind selbst Ärzte, vielleicht müssen die dann selbst ran. Gern bieten wir einen kostenlosen Refresher-Kurs in unserer Praxis an, um die Kol­legen wieder für die patientennahe Versorgung fit zu machen und vielleicht auch zurückzugewinnen.

Sind die Kassen bald pleite?

Die andere Seite ist, dass die Kassen zunehmend Alarm schlagen, da sie fast 45 Milliarden Euro im Jahr an Leistungen bezahlen, die eigentlich der Staat zahlen müsste, die jedoch den Kassen und damit auch den Versicherten aufgebürdet werden.

Dieser Text stammt aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.



Der Chef der DAK schreibt in einem Brandbrief, falls sich daran nichts ändere, seien die Kassen in näherer Zukunft pleite.

Sie sehen, lieber Leserinnen und Leser, die neue Gesundheitsminis­terin Nina Warken hat echt etwas zu tun, wenn unser Gesundheitssystem am Laufen bleiben soll. Ich wünsche ihr viel Glück. Würde sie mich ­fragen, was sie tun soll, mein Vorschlag wäre: Zeitnahe ein Primärarztwesen aufzubauen; sprich: Der Hausarzt wird wieder Lotse im System. Au­ßerdem sollten die Kassen und damit auch die Versicherten keine versicherungsfremden Leistungen mehr zahlen müssen. Wenn der Staat Geschenke verteilt, muss er sie selbst zahlen. Und andere Ideen hätte ich natürlich auch noch.

Geldstücke im Brunnen

Eine nicht ganz ernst gemeinte Idee setzen wir gerade um. In einer der Praxen haben wir einen echten Brunnen, einige Patienten werfen dort schon Geldstücke herein, ähnlich dem Trevi-Brunnen im Rom. Vielleicht sollten wir sie in Zukunft bitten, auch Scheine reinzuschmeißen. Wenn es mit dem Gesundheitssystem weiter so bergab geht, werden wir darauf angewiesen sein.

Aber vielleicht schafft es unsere neue Gesundheitsministerin ja, das Ruder herumzureißen. Ich werde ihr und uns allen auf alle Fälle die Daumen drücken.

Es grüßt Sie aus dem sonnigen Oberberg mit den besten Wünschen für die kommende Woche – Ihr Landarzt

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