Wie Niko Kovac mit dem BVB den Boom bei Eintracht Frankfurt aufhalten könnte | ABC-Z

Es entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie, dass ausgerechnet Niko Kovač der Eintracht an diesem Wochenende einen Strich durch die Rechnung machen könnte. Der Fußballtrainer ist seit dem 2. Februar für die Geschicke bei Borussia Dortmund verantwortlich – und seinem anfangs von viel Skepsis begleiteten Engagement winkt am 34. Spieltag dieser Bundesligasaison (15.30 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Bundesliga und bei Sky) die vorläufige Krönung: die abermalige Qualifikation für die Champions League ist machbar.
Als er im Winter bei den Westfalen anfing, war damit nicht zu rechnen; bei seinem Einstieg betrug der Rückstand auf die Frankfurter zehn Punkte. Mit einem Heimsieg, bei dem sie mindestens zwei Treffer mehr erzielen als die bereits abgestiegenen Kieler, würde der BVB nun das Ticket für die Königsklasse lösen – das sich auch die Hessen unbedingt erstmals über das Alltagsgeschäft verdienen wollen. Dafür darf das Team von Dino Toppmöller in Freiburg nicht verlieren.
Lob für den Eintracht-Trainer
Kovač, daraus machte er keinen Hehl, als er unlängst mit der F.A.Z. über die Entwicklung in Frankfurt sprach, ist angetan, was sein neun Jahre jüngerer Kollege auf die Beine stellte. Toppmöller sei es gelungen, „Spieler kontinuierlich weiterzubringen“, sagte Kovač, der nach wie vor über beste Verbindungen zur Eintracht und vielen Menschen in Frankfurt verfügt. Jedes Mal, wenn er sich vor Ort aufhalte, seien „die Erlebnisse schön. Es ist eine Beziehung entstanden zu Frankfurt, zu den Frankfurtern und Frankfurterinnen, sodass es sich wie nach Hause kommen anfühlt“, sagte Kovač.
Ohne ihn wäre die Eintracht heute nicht der Klub, der sich anschickt, zu den Top-Adressen der Branche weiter aufzuschließen, während auch Kovač ohne die Eintracht nicht zu dem Coach geworden wäre, der nun vor einem weiteren Achtungserfolg in seiner Karriere nach der Spielerlaufbahn steht.
Bei den Hessen schwärmen sie bis heute von dem emsigen Kroaten. Ohne ihn, so lautet die Überzeugung, die von Fans und handelnden Personen in den Gremien gleichermaßen vertreten wird, wäre der anhaltende Boom seit mehr als acht Jahren, inklusive des Europa-League-Triumphs 2022, unmöglich gewesen. Kovač scheut waghalsige Missionen nicht. Er sieht immer eher die Chancen als die Risiken, wie er es auch durch die Übereinkunft mit der seinerzeit taumelnden Borussia demonstrierte – und dann in gewisser Weise daran anknüpfte, was ihm mit der Eintracht im Frühling 2016 gelang. Mit Fleiß, Mut und Disziplin, so seine Überzeugung, lässt sich Glück verdienen.
„Kovac war der größte Glücksfall“
Die Frankfurter bewahrte er so vor dem Abstieg in die zweite Bundesliga. Er übernahm die im freien Fall befindliche Mannschaft am 8. März, stabilisierte und revitalisierte sie, rettete das Team in die Relegation, die dann gegen den 1. FC Nürnberg gemeistert wurde. „Danach entstand eine Welle der Begeisterung im Klub“, wie er feststellte. Weil alle in dem Bewusstsein, solch eine düstere Stunde bloß nicht noch mal erleben zu wollen, bereit waren, in sämtlichen Belangen eine Schippe drauf zulegen.
„Kovač war für uns von allen sportlichen Verantwortungsträgern der größte Glücksfall“, betonte Eintracht-Vorstandssprecher Axel Hellmann 2022 in einem Interview mit der „Frankfurter Rundschau“. Er habe „eine andere Arbeitsmentalität eingeführt und das Denken, Grenzen durch Fleiß zu verschieben“. Im Mai 2018 führte Kovač die Eintracht zum Pokalsieg gegen die Bayern, denen er zuvor die Zusage gegeben hatte, als sie einen Nachfolger für Jupp Heynckes suchten.
Der mit mittlerweile 53 Jahren dezent ergraute Kovač gehört zu den lebenslangen Mitgliedern der Eintracht. Im Januar vor sieben Jahren bekam er dafür vom damaligen Präsidenten Peter Fischer während der Mitgliederversammlung am Riederwald symbolisch einen Eintracht-Schal überreicht. Die mehr als 1000 anwesenden Mitglieder spendeten frenetisch Applaus. Mit dem Schritt wollte er seine „Zugehörigkeit zu Eintracht Frankfurt demonstrieren“, sagte Kovač, „ich werde die Eintracht immer in meinem Herzen tragen.“
Die aktuelle Konstellation kommentierte der Coach weniger emotional, sondern durch und durch professionell. „Es ist ein schönes Gefühl, wieder dabei zu sein“, sagte Kovač auf der Dortmunder Pressekonferenz am Donnerstag über den Kampf um die Champions League. Gleichzeitig gelte nach starken Auftritten in den vergangenen Wochen: „Der letzte Schritt kann der schwierigste sein.“ Freiburg und die Eintracht seien eben auch „mit in der Verlosung“.
Er werde sich während der Partie nicht über andere Spielstände informieren lassen, seine Spieler auch in der Halbzeitpause „nicht die Handys zücken“, um zu schauen, wie es aussieht: „Es geht um uns, das ist mir wichtig. Wir haben alles in unserer Hand. Die anderen Mannschaften müssen nach Dortmund schauen“, sagte der Coach. Harter Einsatz, so lautet seine Maxime, die sie bei der Eintracht zu gut kennen, zahlt sich letzten Endes aus.
So könnte ausgerechnet der Mann, der einst den Grundstein für den Aufstieg legte, zum Sinnbild einer bitteren Ironie werden – indem er die Eintracht mit seinem nächsten Kraftakt von jenem Ziel fernhält, das ohne ihn vielleicht nie erreichbar gewesen wäre.