Arkadien-Festival in Ebersberg: Kunst, Krise, Krieg – Ebersberg | ABC-Z

Wahrlich opulent hätte sie wieder werden sollen, die vierte Ausgabe des Arkadien-Festivals in Ebersberg. Weltweit hatte der Kunstverein Künstlerinnen und Künstler eingeladen, Großflächenplakate zum Thema Krieg zu entwerfen und einzureichen. Mit den besten wollte man dann ganz Ebersberg und Umgebung bestücken. Niemand, wirklich niemand wäre an Arkadien vorbeigekommen. Und wieder hätte sich das Festival künstlerisch mit einer aktuellen, gesellschaftlich relevanten Frage beschäftigt.
Doch auf die hochfliegenden Pläne folgte Ernüchterung. Rund 40 000 Euro wären für ein solches Festival im öffentlichen Raum laut Veranstalter notwendig gewesen, vor allem wegen der Druckkosten und weil extra Plakatwände hätten gebaut werden müssen. Doch die Fördergelder flossen bei Weitem nicht wie erhofft. Schnell wurde klar, dass die Festivalmacher diesmal mit einem vierstelligen Budget würden auskommen müssen.
:Sogar Arkadien muss sparen
Die vierte Ausgabe des renommierten Festivals im Mai wird deutlich kleiner ausfallen, der Grund sind mangelnde Zuschüsse. Daher soll es nicht nur wie geplant um das Thema Krieg gehen, sondern auch um eine „kulturpolitische Zäsur“.
Doch aufgeben kam für Initiator und Kurator Peter Kees, Konzeptkünstler aus Steinhöring, nicht infrage. Zu erfolgreich und inspirierend seien die bisherigen Ausgaben des Festivals gewesen, sagt er. Also passten er und seine Mitstreiter vom Ebersberger Kunstverein, allen voran Tassilo Sussmann und Andreas Mitterer, ihr Konzept den veränderten finanziellen Voraussetzungen an: Man bespielt jetzt nicht mehr die ganze Stadt, sondern nur mehr die eigene Galerie im Klosterbauhof.
Außerdem beschlossen die Projektleiter, neben dem Phänomen Krieg noch ein zweites Thema zu platzieren: Das Festival, das an diesem Freitag, 2. Mai, beginnt, weist nun auch ganz dezidiert auf die aktuellen Kürzungen im Bereich der Kulturförderung hin. Selbst in Arkadien, an diesem jahrhundertealten Sehnsuchtsort, muss gespart werden. „Wir müssen den Finger in die Wunde legen“, sagt der Kurator. Was anderes bleibe der Kunst momentan nicht übrig.
Dementsprechend karg kommt nun die Gestaltung der Alten Brennerei daher. Im ersten Raum findet sich eine Gruppe bunt zusammengewürfelter Stühle fürs Publikum, in der Mitte steht das neue Fahrzeug des selbst ernannten arkadischen Botschafters Peter Kees: Er hat seine dicke S-Klasse eingetauscht gegen eine Sulki, ein italienisches Moped mit zwei Sitzen, ein kleines Vehikel aus den 70er Jahren. In dieses wird sich der Kurator immer wieder quetschen, und zwar mit wechselnden Gästen. Denn der Kunstverein hat auch eine Gesprächsreihe aufgelegt, den „Arcadia Talk“: An mehreren Abenden wird Kees mit jeweils einem Menschen aus Politik oder Journalismus über „die Lage der Künste in Zeiten von Kulturkürzungen und unbeschränkten Verteidigungsetats“ sprechen. Vom Bürgermeister bis zum Bundestagsabgeordneten, vom Kunstkritiker bis zur Herausgeberin. Der Eintritt ist frei, im Anschluss an die Gespräche herrscht Barbetrieb.

Das Herz der Ausstellung aber befindet sich im Raum rechts. Dort steht mittig ein Leuchttisch, auf dem rund 70 Dias liegen und ein paar Vergrößerungsgläser. Denn: Aus den Motiven für die geplanten Großflächenplakate sind nun Miniaturen geworden. Eine Art der Präsentation, die freilich viel günstiger ist, aber auch um einiges interaktiver. Jeder Gast kann sich nach Belieben Motive aussuchen und betrachten.
Wie gehen Künstlerinnen und Künstler mit dem Thema Krieg um? Welche Sichtweisen haben sie auf die derzeitigen Konflikte, auf das Phänomen an sich? Haben sie Lösungsansätze? An der internationalen Ausschreibung haben sich rund 260 Künstlerinnen und Künstler beteiligt. Eine Jury wählte 69 von ihnen aus, darunter teils sehr renommierte Leute, sagt Kees, aus Ebersberg, München und Berlin, aber auch aus New York oder dem Kongo.



Das Thema Krieg ist dabei in ganz unterschiedlichen Techniken umgesetzt, als Malerei, Fotografie, Karikatur oder Collage. Manche Darstellungen sind freilich sehr düster-apokalyptisch, andere eher bissig, absurd oder humorvoll. Man sieht viele Waffen, Leichen, zerbombte Landschaften, Akteure wie Trump oder Putin, oft wird auch mit Schrift gearbeitet. Eine Nackte gebiert Handgranaten, die schöne Europa gerät ins Fadenkreuz, aus einer Urne purzelt Russisch Brot, süße Kätzchen laden zum Weltfrieden ein. Ja, auch Utopien sind in Arkadien erlaubt.
In großem Format ist lediglich ein einziger künstlerischer Beitrag zu sehen, quasi stellvertretend für alle anderen: Das Plakat „Krieg“ von Käthe Kruse aus Berlin listet alle bekannten Kriege auf, vom Altertum bis in die Gegenwart, und das sind freilich jede Menge. „Das hätte wegen der kleinen Schrift als Dia nicht funktioniert“, erklärt Kees die Entscheidung, gerade diese Arbeit im Großformat zu zeigen.

Im dritten Raum sind ebenfalls drei große Plakate zu sehen, doch diese beziehen sich auf das Scheitern des ursprünglichen Konzepts, auf die kulturpolitische Zäsur: Das Wort „leer“ steht darauf jeweils in zwei Sprachen geschrieben. Auf Deutsch und Englisch, auf Hebräisch und Arabisch sowie auf Ukrainisch und Russisch.
In letzter Konsequenz stellt Kees dabei auch das eigene Wirken infrage. “Das Interesse schwindet merklich – braucht es die Künste also überhaupt noch?” Eine Antwort darauf kann jeder für sich in der Galerie des Kunstvereins finden. Im Gespräch oder in der Betrachtung. Vielleicht passt es ja sogar ganz gut, dass Arkadien sich diesmal nicht an jeder Ebersberger Ecke aufdrängt, dass man diesen idealisierten Ort vielmehr suchen und finden muss. Die Festivalmacher jedenfalls haben das Beste aus einer schwierigen und sicher auch frustrierenden Situation herausgeholt. Opulenz nämlich ist nicht alles.
Arkadien-Festival des Kunstvereins in Ebersberg, Galerie im Klosterbauhof, Eröffnung am Freitag, 2. Mai, um 19 Uhr mit der Aufführung „Im Verzerrspiegelraum – Ricercar für Tenorposaune in acht Szenen“ von Wolfgang Florey, Posaune: Christofer Varner, und Proklamation eines „Non-Art-Manifests“. Die Termine des „Arcadian Talk“ gibt es online auf der Seite des Kunstvereins. Öffnungszeiten bis 31. Mai: freitags 18 bis 20 Uhr, samstags 16 bis 20 Uhr sowie sonntags von 15 bis 18 Uhr.