Warum das Steak zum Luxusgut wird | ABC-Z

Noch nie war Rindfleisch in Deutschland so teuer. Die Preise steigen seit Monaten ungebremst, von Rekord zu Rekord. Kaum ein anderes Produkt zeigt so klar, wie sehr die Landwirtschaft unter Druck steht – und wie stark sich das auf den Esstischen der Verbraucher zeigt.
Nach Angaben der Vereinigung der Erzeugergemeinschaften für Vieh und Fleisch (VEZG) haben die Schlachtpreise für Jungbullen mittlerweile die Marke von sieben Euro pro Kilogramm überschritten. Gegenüber dem Sommer 2023 ist das ein Preissprung von rund 50 Prozent, weit über der allgemeinen Inflationsrate.
Rindfleisch, einst ein selbstverständliches Lebensmittel, wird damit zunehmend zum Luxusartikel.
Rekordpreise für Rindfleisch – Verbraucher spüren die Folgen
Die Preisrallye setzt sich bis in die Supermarktregale fort: Für ein Kilo Rindersteak guter Qualität werden inzwischen 40 bis über 50 Euro verlangt und selbst Rinderhackfleisch ist drastisch teurer geworden. Laut dem Fachportal „Agrarheute“ hat sich der Preis für Hackfleisch seit 2020 um 73 Prozent erhöht. Bei Aldi Süd koste Aktionsware in der XXL-Packung derzeit 9,99 Euro pro Kilogramm, während Rewe Rinderhack im Angebot für 13,32 Euro anbiete; die regulären Preise lägen demnach noch etwas höher.
Auch andere Teilstücke zeigen dieselbe Tendenz: Kochfleisch ist laut Marktanalysen 62 Prozent teurer als vor fünf Jahren, Fleisch zum Schmoren oder Braten fast um die Hälfte. Für Rinderrouladen oder -lenden zahlen Verbraucher im Durchschnitt 43 Prozent mehr als damals.
Rinderhaltung in Europa: Knappheit auf dem Kontinent
Die hohen Preise sind vor allem ein Symptom für ein tieferliegendes Problem. Laut Tim Koch, Bereichsleiter Fleischwirtschaft bei der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI), lasse sich die Preisentwicklung „in erster Linie mit dem Rückgang der Rinderbestände“ erklären. Jahr für Jahr sinke die Zahl der Tiere um zwei bis vier Prozent. Viele Betriebe gäben auf, weil Nachfolger fehlten und Investitionen ausblieben.
Zahlen des Statistischen Bundesamts belegen das Ausmaß: 2015 hielten deutsche Landwirte noch 12,6 Millionen Rinder, im Mai 2025 sind es nur noch 10,3 Millionen – ein Rückgang um fast 20 Prozent in zehn Jahren. Entsprechend werden auch weniger Tiere geschlachtet: Im ersten Halbjahr 2025 sei die Zahl der Schlachtungen laut DCA Market Intelligence um acht Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zurückgegangen.
Das sei kein ausschließlich deutsches Phänomen, heißt es bei der AMI. Das Angebot an Schlachttieren sei europaweit rückläufig, während die Nachfrage nur leicht zurückgegangen sei. Im ersten Halbjahr 2025 wurden in Europa insgesamt 4,8 Prozent weniger Rinder geschlachtet als im Vorjahr, so DCA Market Intelligence. Das sorgt für Engpässe auf dem europäischen Fleischmarkt.
Strukturwandel in der Landwirtschaft – Warum hohe Preise Bauern nicht retten
Doch von den hohen Preisen bleibt auf den Höfen wenig hängen. Für viele Betriebe ist die Rinderhaltung längst ein Verlustgeschäft. Laut AMI entscheiden sich immer mehr Landwirte „bewusst gegen die Rinderhaltung“. Der Beruf sei wirtschaftlich und gesellschaftlich unattraktiv geworden.
Der Bayerische Bauernverband (BBV) verweist auf eine ganze Reihe von Gründen: hohe bürokratische Belastungen, steigende Umwelt- und Tierschutzauflagen, fehlende Investitionssicherheit – und den gesellschaftlichen Druck auf die Tierhaltung. Viele Landwirte seien „ermüdet von jahrelanger Kritik“, heißt es dort.
Zudem stiegen auch die Produktionskosten: Futter, Energie, Tierzukauf – alles sei teurer geworden. Laut einer Sprecherin des BBV kosten Bullenkälber heute teils doppelt so viel wie noch im Vorjahr. Der vermeintliche Gewinn durch höhere Erzeugerpreise werde dadurch oft wieder aufgezehrt.
Blauzungenkrankheit: Tierseuche verschärft Preisdruck
Neben dem strukturellen Wandel hat auch die Blauzungenkrankheit die Marktlage zeitweise verschärft. Die für Menschen ungefährliche Tierseuche befällt Rinder, Schafe und Ziegen und verbreitet sich über winzige Mücken, sogenannte Gnitzen.
Nach Angaben des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) wurden zwischen Mai 2024 und April 2025 17.854 Infektionen in Deutschland registriert. Eine Sprecherin erklärte, die Zahl der Fälle sei inzwischen rückläufig. Durch natürliche Immunisierung und eine hohe Impfbereitschaft seien deutlich weniger Tiere anfällig als im Vorjahr.
Trotzdem führten Quarantänemaßnahmen und Transportbeschränkungen in betroffenen Regionen zeitweise zu Lieferengpässen und Preisspitzen. Die FLI-Expertin rechnet damit, dass „bis Ende Oktober noch vereinzelte Fälle auftreten können, aber nicht mehr das Niveau des letzten Jahres erreicht wird“.
Mercosur-Abkommen: Wird Südamerika Europas Fleischlieferant?
Doch nicht nur Tierseuchen und Strukturprobleme bestimmen die Lage. Auch die internationale Handelspolitik könnte den europäischen Rindfleischmarkt verändern – allen voran das geplante Mercosur-Abkommen mit Südamerika.
In Brüssel wächst die Sorge, dass das geplante Freihandelsabkommen die heimische Fleischwirtschaft zusätzlich unter Druck setzen könnte. Brasilien, mit über 210 Millionen Tieren der weltweit größte Rindfleischproduzent, ebenso wie Uruguay, Argentinien und Chile, verfügen über riesige Rinderherden und Exportkapazitäten.
Der Bundesverband Rind und Fleisch (BvRF) hält diese Befürchtungen jedoch für übertrieben. In den Nachverhandlungen sei die Importquote für Rindfleisch deutlich reduziert worden, heißt es dort. Das vereinbarte Zusatzvolumen entspreche lediglich einem niedrigen einstelligen Prozentanteil der südamerikanischen Jahresproduktion – zu wenig, um den europäischen Markt spürbar zu beeinflussen.
Auch AMI-Experten sehen kurzfristig keine Gefahr für ein Preisbeben: Südamerika profitiere derzeit selbst von hohen Weltmarktpreisen und habe wenig Anreiz, Billigware nach Europa zu liefern.
Rindfleisch bleibt teuer – und Bauern bleiben rar
Selbst ohne neue Impulse von außen gibt es keine Anzeichen für Entspannung. Tim Koch geht nicht davon aus, dass die Rindfleischpreise wieder auf das Niveau von vor eineinhalb Jahren sinken werden. Vielmehr, so Koch, werde sich der Markt „auf einem höheren Preisniveau einpendeln“.
Auch der Bundesverband Rind und Fleisch (BvRF) sieht keine Wende in Sicht. Eine Sprecherin erklärte, eine Trendumkehr in der Rinderhaltung sei „derzeit nicht erkennbar“. Selbst die hohen Erzeugerpreise könnten die strukturellen Probleme nicht überdecken.
Viele Landwirte nutzten die gute Marktlage lediglich, um ihre letzten Bestände abzubauen, heißt es beim Verband. Der Strukturwandel, also das Verschwinden kleiner und mittlerer Betriebe, setze sich ungebremst fort.
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Damit dürfte Rindfleisch in Deutschland auch künftig teuer bleiben – und zugleich knapper werden. Während Verbraucher also immer mehr für ihr Steak bezahlen, verschwindet langsam die bäuerliche Basis, auf der dieses Produkt einst gründete.
mit dpa
















