Radikale Pläne für neues Super-Gefängnis – Vorbild Alcatraz? | ABC-Z

Paris. Der französische Justizminister will Schwerverbrecher nach Übersee verlegen – Kritiker sprechen von „neuer Strafkolonie“.
Justizminister Gérald Darmanin machte die Ankündigung bei einem Besuch des französischen Überseegebietes Guyane. Das an der Nordküste Südamerikas liegende Territorium ist bekannt als Abschussort für die europäische Satelliten-Trägerrakete Ariane – und für seine „Teufelsinsel“, eine ehemalige Strafkolonie von 1850 bis 1938.
Darmanin erklärte, er warte auf die Baubewilligung eines Spezialgefängnisses für gefährliche Insassen, die er vom französischen Mutterland „dauerhaft entfernen“ wolle. Im Sommer soll in Nordfrankreich ein erstes Sondergefängnis in Betrieb genommen werden; später folgt eine Haftanstalt in der Normandie. Beide werden aber nur je 100 Insassen aufnehmen können. In Guyane, genauer: in der Nähe der Stadt Saint-Laurent-du-Maroni und umgeben von dichtem Dschungel, sollen 500 Häftlinge auf einem stark geschützten Areal einquartiert werden, ein Teil davon in einem Hochsicherheitstrakt.
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„Supermax“: Gefängnis nach US-Vorbild für Frankreichs Drogenproblem
Vorbild sind Darmanins Beratern die amerikanischen „Super-Maximum Security Prisons“, kurz „Supermax“ genannt. Sie basieren auf Isolationshaft; Kontakte zur Außenwelt werden unterbunden, Besucher physisch getrennt. Ganz ähnlich stellt sich US-Präsident Donald Trump die Wiedereröffnung des legendären Gefängnisses Alcatraz bei San Francisco vor.
Hintergrund von Darmanins Ankündigung ist die zunehmende Drogenkriminalität in Frankreich. In den Banlieues von Paris oder Marseille, aber bis in die Dörfer auf dem Land, sind Schießereien zwischen Banden und brutale Morde heute an der Tagesordnung.
Das „Supermax“-Gefängnis in Florence, Colorado – auch bekannt als das „Alcatraz of the Rockies“.
© AFP | JASON CONNOLLY
Guyane ist als Umschlagplatz für südamerikanisches Kokain besonders betroffen. Die Mordquote liegt dort 14 mal so hoch wie im übrigen Frankreich. Täglich verhaftet die Polizei sogenannte „mules“ (Maultiere), die mit verschluckten Plastiksäcken voller Drogen von Brasilien aus die Grenze zu passieren suchen. Darmanin will aber nicht diese kleinen Fische ins neue Supergefängnis stecken, sondern die gefährlichsten Bandenchefs. Islamistische Terroristen erwähnte er auch, aber mit bedeutend weniger Nachdruck, nachdem sich die Lage an der französischen Terrorfront in den letzten Jahren beruhigt hat.
„Neue Strafkolonie“? Historische Ängste in Guyane
Mit seiner Ankündigung löste der umtriebige Justizminister geharnischte Kritik aus. Gefängniswächter der Gewerkschaft CGT sehen in Guyane bereits eine neue „Strafkolonie“ im Entstehen. „Le bagne“, wie man sie nannte, ist eines der unrühmlichsten Kapitel der französischen Kolonialgeschichte. Prominente Gefangene wie Albert Dreyfus versauerten dort unter unmenschlichen Bedingungen, die in dem Spielfilm „Papillon“ (mit Steve McQueen) angeprangert wurden.
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
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In Guyane kritisierte der Senator und Mittepolitiker Georges Patient, Darmanins Supermax-Anstalt drohe die gleiche Wirkung wie das einstige Bagno zu haben, indem es „Delinquenten in wilde Tiere verwandeln“ werde. Davor hätten die 290.000 Einwohner von Guyane jetzt schon Angst.

Darmanin weiß allerdings generell eine klare Umfrage-Mehrheit der Franzosen hinter seinem Kurs eines harten Strafvollzugs. Während Menschenrechtsorganisationen die Überbelegung und Gewalt, die Kakerlaken und Rattenplagen in den 160 französischen Haftanstalten geißeln, nimmt der Minister den angeblichen Haftkomfort aufs Korn. Unlängst untersagte er „spielerische“ Aktivitäten, nachdem ein Gefängnis in Toulouse seinen Insassen Gesichtsmassagen angeboten hatte.

Trump hat ganz ähnliche Pläne: Der US-Präsident will das berüchtigte Gefängnis Alcatraz wieder in Betrieb nehmen und dort künftig Schwerverbrecher unterbringen.
© Noah Berger/FR34727 AP/AP/dpa | Noah Berger
Zweifel am Nutzen – Kritik an Hightech-Gefängnis wächst
Weniger Erfolg hat Darmanin mit dem Kampf gegen den Drogenhandel aus dem Gefängnis mit verbotenen Handys. Dort lassen sich Dealer per Drohne gerne mehrere Telefongeräte in die Zelle liefern, um ihr Geschäft weiter betreiben zu können. Kritiker meinen, die Störung der Handy-Frequenzen und regelmäßige Zellenrazzien wäre günstiger und effizienter als eine 400 Millionen Euro schwere Anstalt im südamerikanischen Dschungel. Darmanin kontert, die Drogenbanden seien den Haftbehörden technologisch stets einen Schritt voraus.
Allerdings hat der Justizminister seine Ankündigung diese Woche leicht relativiert, erklärte er doch, es gebe in Guyane „genug“ Schwerkriminelle, um das Gefängnis in Saint-Laurent-du-Moroni zu füllen. Ob dies bedeutet, dass er keine Verurteilten vom Mutterland nach Guyane transferieren will, ließ er aber in der Schwebe. Vehement verwahrt er sich gegen den Vorwurf der Linkspartei „Unbeugsames Frankreich“, er plane fern von den Pariser Kontrollinstanzen ein „französisches Guantánamo“. Alles sei rechtskonform, sagte er; anders als die USA halte Frankreich das Völkerrecht auf seinem ganzen Staatsgebiet ein.