Wo ist eigentlich die Oberpfalz – und was bedeutet miechad? – Bayern | ABC-Z

Als sich die Oberpfälzer vor wenigen Tagen anschickten, ihr Wort des Jahres zu wählen, favorisierten Beobachter natürlich Begriffe wie Bou, Kou oder dou. Die Sprache der Oberpfalz ist ja geprägt von den legendären ou-Lauten, die das dortige Reden unverwechselbar machen. Dass der Hang zum ou so manchen Spötter belustigt, zeugt eher von dessen geistiger Beschränktheit, denn sogar Shakespeares große Weltliteratur klingt sehr ou-lastig.
Erstaunlicherweise ließ die Jury die Chance, ein ou-Wort zum Sieger zu erklären, kühn verstreichen und kürte stattdessen das Adjektiv miechad zum Lieblingswort der Oberpfälzer. Das ist aber völlig in Ordnung, denn dieses Wort klingt nicht weniger authentisch als die ou-Laute, und es drückt ebenso treffend das Lebensgefühl der Oberpfalz aus. Gilt ein Mensch als miechad, dann ist er liebenswert, freundlich und sympathisch, es spiegeln sich darin also ideale Tugenden des Begriffs Heimat.
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Der bayerische Heimatminister Albert Füracker (CSU), der aus der Oberpfalz stammt, hat nach eigener Aussage das Problem, dass er bei jeder Gelegenheit erklären muss, was denn Heimat eigentlich sei. Das Wort miechad, das auch ihm geläufig ist, könnte ihm künftig gute Dienste leisten. Überdies vertritt Füracker gerne die Theorie, dass der Heimatbegriff eng mit den Wonnen einer Brotzeit verknüpft sei. Eine Erkenntnis, die auch Fürackers Chef Markus Söder auf Social Media eifrig verbreitet, wobei der Heimatminister jedoch beim Maibockanstich in München augenzwinkernd orakelte, es werde gewiss keine Vorschrift eingeführt, dass Essen vor dem Verzehr zwingend fotografiert werden müsse.
Miechad, Heimat, Brotzeit – was lag für Füracker näher, als sich mit dem jungen Koch und Influencer Noah Hansen zu treffen, der diese Werte auf so originelle Weise verkörpert, dass er auf Instagram bereits 130 000 Follower hat. Das Duo führte also bei einer Brotzeit im Hofbräuhaus ein Gespräch, das helfen sollte, den Begriff Heimat zu enträtseln. Dies in München zu tun war eine gute Idee, denn hätte das Treffen in Fürackers Heimat Oberpfalz stattgefunden, hätte der Oberbayer Hansen wohl einige Zeit gebraucht, um dorthin zu finden. „Wo is Oberpfoiz?“, fragte er den Minister, worauf Füracker zu einer sagenhaften Replik ansetzte. Oberpfalz – „Des is oben“, erwiderte er und ergänzte präzisierend: „Aiso, Oberbayern is unten, aber is aa oben!“ – „Naa, Schmarrn“, fuhr der Minister fort: „Rengschburg is Oberpfoiz.“
„Brotzeit sei so eine Art Heimatgefühl“
Da hatten sich also zwei Satiriker gefunden, die den ihnen innewohnenden Witz wohldosiert zur Entfaltung brachten. Der Dialog, der auf Youtube und Instagram dokumentiert ist, belegt, dass Hansen für den Heimatminister Füracker ein miechada Mensch ist, der die Heimat mit seinen Aktivitäten mustergültig gestalte. Das umso bemerkenswerter, als der junge Mann sich durch seine dunkle Hautfarbe von den meisten Eingeborenen in Oberbayern unterscheidet. Was ihn aber nicht daran hindert, das oberbayerische Idiom treffender zum Ausdruck zu bringen als viele Einheimische.
Heimat gründe in der Sprache, ergab das Gespräch, aber „kann man sie auch durch Kochen gestalten?“, fragte Füracker, was Noah Hansen mit „absolut, ja“ beantwortete. Was er am liebsten koche, wollte Füracker noch wissen. „Lüngerl mog i total gern“, erwiderte der junge Koch. „Is aber sauvui Arbat, weil des dauert immer zwoa Dog.“ Sie einigten sich darauf, dass vor allem eine Brotzeit eine miechade Sach ist. „Brotzeit is für mi a so a Art Heimatgefühl“, sagte Füracker und flocht in seine Rede noch die schöne Wendung „vorixe Johr“ ein, eine konsonantische Fortentwicklung der Zeitangabe „voriges Jahr“, die in Oberbayern wie auch in der Oberpfalz populär ist.
Das letzte Mal, dass die Begriffe migert (miechad) und vorixe Johr im Fernsehen zu hören waren, war im Jahr 1981 in einem Tatort-Krimi, in dem noch der Kommissar Veigl alias Gustl Bayrhammer ermittelte. Noah Hansen war noch nicht geboren, Albert Füracker war 13 Jahre alt, und Buben wie ihm wurde damals eingetrichtert, sie sollten Dialektwörter wie miechad meiden, wenn sie es im Leben zu etwas bringen wollten.