Wirtschaft

Im Kreml knallen die Korken: Israels Krieg im Iran ist Putins Rettung | ABC-Z

Der Nahost-Krieg wird zum Rettungsanker für die marode russische Kriegswirtschaft: Israels Luftschläge treiben die Ölpreise – und damit Putins Einnahmen. Und liefern Donald Trump neue Gründe, den Preisdeckel und die Kreml-Kriegskasse weiter unangetastet zu lassen.

Neben seiner verfrühten Abreise hatte Donald Trump eine wichtige Botschaft zum G7-Gipfel in Kanada mitgebracht: “Vergessen Sie nicht, dass Sanktionen uns eine Menge Geld kosten”, sagte der US-Präsident. “Wenn ich ein Land sanktioniere, kostet das die USA eine Menge Geld. Wir reden hier über Abermilliarden Dollar.” Die Pläne der wichtigsten Industrienationen, Russlands Kriegsmaschine in der Ukraine weiteren Treibstoff zu entziehen, waren damit zum Scheitern verurteilt.

Eigentlich waren sich die wichtigsten EU-Länder, Großbritannien und Kanada weitgehend einig, dass der Preisdeckel von 60 Dollar, der seit Ende 2022 für den internationalen Verkauf von russischem Öl gilt, weiter sinken soll. Schon vor Wochen hatte die EU-Kommission beim Entwurf ihres 18. Sanktionspakets vorgeschlagen, die Preisobergrenze für den Verkauf auf 45 Dollar zu senken, um dem Kreml weiter den Geldhahn zuzudrehen und seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu stoppen.

Der Zeitpunkt schien nahezu perfekt. Das schwarze Gold war bis vor kurzem so günstig wie lange nicht, Russlands Einnahmen begannen zu schwinden. Das Kartell der wichtigsten Förderländer – die Opec+ – ist zerstritten: Der Kreml hält die vereinbarten Förderkürzungen, mit denen die Preise hochgehalten werden sollen, nicht ein, weil er dringend Einnahmen braucht, um seinen Krieg in der Ukraine zu finanzieren. Saudi-Arabien ist deshalb in den Ölpreis-Krieg gegen Moskau gezogen, und versucht die russische Konkurrenz totzupumpen. Beste Voraussetzungen also für weitere Maßnahmen, die den Preis drücken.

Doch dann kam Benjamin Netanjahus Angriff auf den Iran. Der Nahost-Krieg wirft die Pläne über den Haufen. Neben dem Nuklear-Deal sind die geplanten Sanktionen gegen Russland der wichtigste diplomatische Kollateralschaden der Bombenangriffe. Wladimir Putin ist der größte Nutznießer der Attacke auf Teheran: Sie lenkt nicht nur von den täglichen Terrorangriffen seiner eigenen Luftwaffe auf ukrainische Städte ab. Sie treibt die Ölpreise und stopft die Löcher in seiner Kriegskasse. Und gibt Donald Trump einen weiteren Grund, den Geldhahn für Moskau weit offenzulassen.

Im Kreml knallen die Sektkorken

Schon vor Israels Angriff war der US-Präsident nicht sonderlich gewillt, Wladimir Putin die Stirn zu bieten. Obwohl selbst die Republikaner im US-Kongress inzwischen härtere Sanktionen vorbereiten, ging er auf Kuschel-Kurs zu Moskau. Nun hat Washington mit dem Krieg gegen den Iran plötzlich nicht nur Wichtigeres auf der Agenda als die Aggression des Kreml-Herrschers in der Ukraine. Sondern auch eine neue Rechtfertigung, seine wirtschaftlichen Grundlagen nicht weiter anzugreifen.

Der Iran-Krieg treibt die Ölpreise und damit die Preisdeckel-Koalition auseinander. Denn mit der Obergrenze wird russisches Öl künstlich verbilligt, um Putins Kriegskasse zu schwächen: Wenn es teurer ist als 60 Dollar und aus Moskau kommt, darf es im Westen nicht gehandelt werden. Diese künstliche Verknappung könnte in der volatilen Lage die Preise weiter nach oben schnellen lassen. Und daran hat Trump kein Interesse. Die Inflation in den USA explodiert ohnehin und wird durch seinen Handelskrieg und seine Schuldenorgie immer weiter angeheizt.

Moskau erntet derweil mühelos die Früchte des Krieges: Mit Beginn der Bombenangriffe kletterte der Preis für russisches Ural-Öl binnen weniger Tage um 15 Prozent, berichtet die “Moscow Times” unter Berufung auf eine russische Investmentgesellschaft. Die Überraschungsgewinne hat der Kreml bitter nötig. Selbst die gestiegenen Preise liegen noch weiter unter dem Niveau, mit dem Putins Finanzministerium für das laufende Jahr kalkuliert hat. Moskaus Haushaltsdefizit wird sich laut dem Bericht in diesem Jahr mehr als verdreifachen. Im Monatsvergleich sind die Öl- und Gaseinnahmen im Mai demnach um mehr als die Hälfte eingebrochen.

Der Deckel sitzt viel zu locker

Dass der Plan, Putins wichtigste Geldquelle auszutrocknen, auch jetzt nicht aufgeht, liegt auch an eklatanten Konstruktionsfehlern der Preisobergrenze. Sie ist löchrig, ineffektiv und macht eben keinen Deckel auf Putins Ölgeschäft: Mit einer Armada von uralten Schrott-Tankern, deren Besitzer durch Briefkastenfirmen und fragwürdige Hintermänner verschleiert werden, umgeht der Kreml die Sanktionen seit dem ersten Tag.

Der Preisdeckel ist kein echtes Embargo, nur ein fauler Kompromiss: Er soll weltweit gelten, indem er Reedern untersagte, russisches Öl zu transportieren, Händlern verbietet, es für mehr als 60 Dollar zu kaufen und Banken und Versicherer hindert, Öl-Deals oberhalb dieser Grenze zu finanzieren oder abzusichern. Das Problem ist nur: Selbst in Europa setzt kaum ein Land die Vorgaben strikt durch, Untersuchungen oder geschweige denn Strafzahlungen gibt es kaum.

Und außerhalb des Westens ziehen zu viele Reeder, Händler und Versicherer erst gar nicht mit. Inzwischen wird der Großteil der Lieferungen ohne westliche Versicherung abgewickelt. Und je günstiger russisches Schmuggel-Öl wird, desto weniger Grund haben Indien und China, sanktionskonform und teuer im Westen einzukaufen. Sie sind inzwischen faktisch Putins einzige Abnehmer.

Machen es die Europäer alleine?

Mit Trumps Abkehr von der Preisdeckel-Koalition stellt sich die Frage, die seit seinem Rückzug von der westlichen Allianz überall aufkommt: Trauen sich die Europäer, es alleine zu machen? Vor dem G7-Gipfel hat die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas betont, dass die EU die Preisobergrenze notfalls auch ohne die USA senken könnte. “Wenn wir und der Rest der G7 einen niedrigeren Preis befürworten und die Amerikaner nicht, wäre das immer noch etwas, das wir anstreben sollten”, sagte auch der EU-Sanktionsbeauftragte David O’Sullivan.

Trumps frühe Abreise vom G7-Gipfel hat aber wohl die Luft aus der Initiative gelassen. Laut “Bloomberg” schrecken einige EU-Länder nun vor einem Alleingang ohne die USA zurück, wie aus einem Treffen hochrangiger EU-Diplomaten am Montag verlautete. Sie fürchten, dass ohne Trump auch die einstimmige Unterstützung unter den EU-Ländern wackelt. Den Kriegsherrn im Kreml wird es freuen.

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