Timo Eder ist die neue deutsche Turnspitze | ABC-Z

Neuer deutscher Mehrkampfmeister im Turnen ist Timo Eder; deutscher Meister am Boden ist er auch, und Zweitbester am Pauschenpferd. Allein im Barrenfinale am gestrigen Sonntag reichte die Kraft nicht mehr, und er musste absteigen. Erst im Mai hatte Eder bei der Europameisterschaft in Leipzig mit Gold im Mixed-Team-Wettbewerb und Bronze am Barren seine ersten internationalen Medaillen im Seniorenbereich gewonnen.
„Ich weiß gar nicht, wo das alles so herkommt,“ antwortet Eder auf die Frage, wie er damit umgeht, nun an der Spitze des deutschen Männerturnens zu stehen: „Es klappt in letzter Zeit immer gut im Wettkampf.“ Er hat dann allerdings schon eine Erklärung parat: „Ich versuche natürlich im Training immer mein Bestes zu geben, und ich glaube, da zahlt sich das ganze Training aus, und es freut mich, dass ich da jetzt auch Bestätigung finde.“ Timo Eder hat schon vor sieben Jahren seine erste deutsche Jugendmeisterschaft gewonnen, an Europa- und Weltmeisterschaften der Junioren hat er danach teilgenommen, war allerdings nie der Typ stürmischer Überflieger, sondern eher der stetig Dazulernende.
Im vergangenen Jahr stand er als jüngstes Teammitglied im deutschen Aufgebot bei den Olympischen Spielen in Paris. Der vergleichsweise schmale 20-Jährige wirkt immer ruhig, besonnen und bescheiden, laute Schreie und kraftmeiernde Gesten scheinen ihm wesensfremd. Von sich selbst sagt Eder, er sei ein „fleißiger Turner“. Er müsse nicht angetrieben werden: „Ich habe viel Spaß am Training, von daher kommt da viel von allein und vor allem neue Elemente am Gerät, da probiere ich sehr gern aus, und deswegen läuft das alles so von alleine.“ In Stuttgart wird er, wie auch sein jüngerer Bruder Jonas Eder, von Thomas Andergassen betreut.
Mehrkämpfer braucht der Bundestrainer langfristig am dringendsten
Bundestrainer Jens Milbradt ist voll des Lobes für Eder. Er sei für jeden Trainer ein „hervorragender Partner“, die Zusammenarbeit „sehr angenehm“, da er zum einen „eminent fleißig“, um zum anderen „ein immer nach vorne orientierter Turner“ sei. Eder sei einer, der sich immer weiterentwickeln wolle. Nicht zuletzt sei er in der Kommunikation gut: „Er hat eigene Vorstellungen, der Trainer hat Vorstellungen, die man miteinander gut abgleichen kann, und man findet dann relativ klar einen Weg, den man zusammen bestreitet.“
Als größte Stärke des Ludwigsburgers bezeichnet Milbradt seine „Mehrkampffähigkeit“, das sei sein „absolutes Plus“. Nachdem Andreas Toba seine Karriere beendet hat und auch Barren-Europameister Nils Dunkel in Zukunft nicht mehr an allen sechs Geräten antreten wird, sind Mehrkämpfer das, was Milbradt langfristig am dringendsten braucht. Am Barren und Pauschenpferd sieht der Bundestrainer aber bei Eder auch Potential mit Blick auf internationale Finalchancen: „Da denken wir auch ein bisschen in die Welt hinein, wo wir dann vielleicht einmal eine Rolle spielen können.“
Ein Defizit erkennt der Bundestrainer in der „Kraftentwicklung an den Ringen“, aber das sei für einen 20 Jahre alten Turner „nicht ganz so unnormal“, daran könne man arbeiten.
„Da kann es ganz schnell vorbei sein“
An den Ringen turnt Eder einen Dreifachsalto gehockt als Abgang. Es ist genau jener Abgang, bei dem sich der Italiener Lorenzo Bonicelli bei der Universiade schwer verletzt hat. Er kennt Bonicelli, der in der Vergangenheit als Gastturner in der deutschen Bundesliga für Eders Verein, den MTV Ludwigsburg, an den Start gegangen ist. „Das ist extrem schlimm, was da passiert ist,“ sagt Eder in Dresden. Es mahne ihn, immer bei der Sache zu sein, immer konzentriert und aufmerksam zu bleiben: „Sobald man bei solch gefährlichen Teilen den Kopf ausschaltet und denkt, das mache ich jetzt einfach, da kann es halt ganz schnell vorbei sein.“ Er war einer der ersten international bekannten Turner, die sich an einer nun gestarteten Spendenaktion für Bonicelli beteiligt haben.
Eder ist Sportsoldat, rund 30 Stunden pro Woche trainiert er momentan. Zeit für andere Dinge bleibe trotzdem, und „die muss man sich auch nehmen, um mal den Kopf frei zu bekommen.“ Ziele habe er schon, ja, aber sich noch nie vorgenommen, „da und da möchte ich jetzt die und die Medaille gewinnen – und ich glaube, das ist auch wichtig, weil ich mir damit selber ein bisschen den Druck nehme.“
Das soll auch so bleiben. Angesprochen auf die Olympischen Spielen 2028 sagt Eder: „So weit denke ich jetzt noch gar nicht.“ Es ist noch viel Zeit. Vermutlich auch dafür, an der zweiten Schwäche des neuen deutschen Meisters zu arbeiten, die Bundestrainer Milbradt so formuliert: „Ich würde sagen, ich habe schon schönere Fußhaltungen gesehen.“